Die grün-rote Landesregierung legt einen ersten Gesetzentwurf, aber kein Gesamtpaket für mehr Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg vor. Die CDU hadert. Scheitert das Projekt doch noch?

Stuttgart - Die grün-rote Landesregierung hat am Dienstag den lange erwarteten Gesetzentwurf für mehr Demokratie in den Städten und Gemeinden vorgelegt. Im Kern geht es darum, in den Kommunen Bürgerentscheide zu erleichtern. Allerdings stößt das Vorhaben bei der Landtags-CDU trotz einer Einigung aller Landtagsfraktionen im Dezember 2013 auf Widerstand. Der CDU-Abgeordnete Karl Klein wirft Grün-Rot vor, einige Regelungen „durch die Hintertür nachgeschoben“ zu haben. Ein solches Vorgehen zeuge von schlechtem parlamentarischem Stil: „So geht man nicht miteinander um.“

 

Kleins Äußerungen haben es in sich. Schließlich geht es nicht allein um eine erweiterte Bürgerbeteiligung in den Kommunen – dieses Projekt kann Grün-Rot im Parlament auch ohne Mittun der CDU durchsetzen –, sondern auch um die Änderung der Landesverfassung mit dem Ziel, Volksabstimmungen auf Landesebene zu erleichtern. Die dazu nötige Zweidrittelmehrheit ist aber ohne die CDU nicht zu haben.

Erste Verständigung im Dezember 2013

Im Dezember 2013 hatten sich die vier Fraktionschefs im Landtag auf ein großes Reformpaket verständigt. Die in Sachen Volksabstimmung wenig reformgeneigte CDU signalisierte ihre Bereitschaft zur Verfassungsänderung, im Gegenzug schraubte Grün-Rot weiter gehende Ambitionen zurück. Vor allem die Grünen hätten auf Zustimmungsquoren gern weitgehend verzichtet. Auch packten sie ihre Vorschläge für eine Reform des Landtagswahlrechts wieder weg.

Der Unmut über die grün-roten Pläne auf kommunaler Ebene tangiert also auch das zentrale Ziel der Regierungskoalition, Volksabstimmungen auf Landesebene zu erleichtern. Allerdings ist schwer vorstellbar, dass Grün-Rot ihr Kernanliegen an der eigenen Kompromisslosigkeit scheitern lassen könnte. Aber auch die CDU-Abgeordneten, denen seit der Wahlniederlage 2011 Begriffe wie „Bürgerbeteiligung“ oder „Bürgergesellschaft“ schmerzlos von den Lippen kommen, könnten nicht ohne Schaden von dem bisherigen Demokratisierungspfad abweichen. Aus der CDU-Fraktion hieß es denn auch: „Wir wollen die Paketlösung.“

Einseitige Änderungen

Was nun den Gesetzentwurf für die kommunale Bürgerbeteiligung angeht, besteht in Kernpunkten Einigkeit: Das für das Zustandekommen eines Bürgerbegehrens erforderliche Unterschriftenquorum wird von zehn Prozent der Bürgerschaft auf sieben Prozent gesenkt. Kommt es zum Bürgerentscheid, gilt künftig ein Zustimmungsquorum von 20 Prozent. Bisher sind es noch 25 Prozent. Das bedeutet: damit ein Bürgerentscheid erfolgreich ist, bedarf es künftig neben der Mehrheit der Abstimmenden noch der Zustimmung eines Fünftels – nicht mehr eines Viertels – der Abstimmungsberechtigten. Eine weitere Änderung betrifft die Bauleitplanung. Sie ist bis jetzt noch einem Bürgerentscheid entzogen. Künftig wird die Bauleitplanung im Vorfeld der Planfeststellung für Bürgerentscheide geöffnet. Die Frist, Bürgerbegehren gegen Beschlüsse des Gemeinderats einzuleiten, wird von sechs Wochen auf drei Monate verlängert. Diese Regelungen finden sich in der Einigung vom Dezember 2013 und werden von der CDU auch nicht in Frage gestellt. Allerdings hat Grün-Rot einseitig noch einige weitere Änderungen in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Da geht der CDU manches zu weit. So sollen die Vorberatungen in den kommunalen Ausschüssen in der Regel öffentlich sein. Jugendliche erhalten erweiterte Mitwirkungsrechte und ein eigenes Budget für die Jugendvertretung. In allen Stadtkreisen und Großen Kreisstädten kann die Bezirksverfassung auch ohne räumlich getrennte Ortsteile eingeführt werden.

Die Reform bedeute einen Zuwachs von „mehr direkter Demokratie und Transparenz“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD). Eine befriedigende Antwort auf die Frage, weshalb es seit der interfraktionellen Einigung vom Dezember 2013 länger als ein Jahr brauchte, um einen Gesetzentwurf vorzulegen – die konnte niemand aus dem grün-roten Lager geben.