Mit drei neuen Dekreten hat Türkeis Staatschef Erdogan wieder knapp 10 000 öffentliche Bedienstete gefeuert. Der Ausnahmezustand wurde um weitere drei Monate verlängert.

Istanbul - Auch fast sechs Monate nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei gehen die „Säuberungen“ im Staatsapparat unvermindert weiter. Mit drei neuen Dekreten ließ Staatschef Recep Tayyip Erdogan am Wochenende weitere 8390 öffentliche Bedienstete feuern. Betroffen sind 1699 Beschäftigte der Justiz, darunter acht Richter des Staatsrats, des obersten türkischen Verwaltungsgerichts. Auch 3659 Polizeibeamte und 763 Offiziere der Streitkräfte wurden entlassen. Außerdem verloren 631 Universitätslehrer und 155 Verwaltungsangestellte an den türkischen Universitäten ihre Arbeit. Per Dekret wurden 83 Vereine verboten. Weitere Entlassungen gab es bei der staatlichen Religionsbehörde und beim Presseamt der Regierung.

 

Die Entlassenen werden an den Pranger gestellt

Den Betroffenen werden Verbindungen zur Bewegung des Exil-Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen. Erdogan beschuldigt seinen früheren Verbündeten und heutigen Widersacher, Drahtzieher des Putschversuchs vom 15. Juli zu sein. Gülen weist die Vorwürfe zurück. Die Namen und Anschriften der entlassenen Bediensteten wurden am Wochenende im staatlichen Amtsblatt veröffentlicht. Die gefeuerten Staatsdiener werden damit öffentlich an den Pranger gestellt, ohne dass ein Gericht über die Stichhaltigkeit der Vorwürfe entschieden hätte.

Unter dem Ausnahmezustand, der nach dem Putschversuch verhängt und jetzt um drei weitere Monate bis zunächst Mitte April verlängert wurde, kann Staatschef Erdogan das Land mit Dekreten praktisch im Alleingang regieren. Diese Verordnungen haben Gesetzeskraft. Das Parlament muss die Dekrete zwar nachträglich billigen, was aber angesichts der großen Mehrheit der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nur eine Formsache ist. Ein am Wochenende veröffentlichter Erlass Erdogans gibt den Behörden die Möglichkeit, Verdächtigen, die sich im Ausland aufhalten und der Aufforderung zur Rückkehr nicht binnen 90 Tagen Folge leisten, die türkische Staatsbürgerschaft abzuerkennen.

Erste Urteile nach Putschversuch

Nach Daten der regierungskritischen Internetseite „Turkey Purge“ wurden seit dem Putschversuch bereits 123 865 Staatsbedienstete entlassen. In dieser Zahl sind die jüngsten Entlassungen vom Wochenende noch nicht enthalten. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden seit dem Putschversuch fast 42 000 Menschen in Untersuchungshaft genommen. Vergangene Woche hatte ein Gericht in der osttürkischen Stadt Erzurum zwei ranghohe Offiziere wegen Umsturzversuchs zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Es waren die ersten Urteile seit dem Putschversuch. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nach-dem-putschversuch-tausende- festnahmen-und-entlassungen-in-der-tuerkei.66cabacf-c168-4b6c-b11e http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.tuerkei-nach-putschversuch-turkish-airlines -entlaesst-211-mitarbeiter.1f8250ac-91b5-4a01-b4b1-c052c3fe93fa.html