Die Stadt rechnet mit einem starken Anwachsen der Flüchtlingszahlen. Das Land weist Stuttgart wieder mehr Menschen zu, es kommen aber auch wieder vermehrt Kriegsflüchtlinge direkt hierher. Auf dem Wasen und auf der Waldau sollen deshalb Containerdörfer entstehen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Wegen des wachsenden Zuzugs von Geflüchteten muss die Stadt weitere Plätze zur Unterbringung schaffen. Deshalb wird die Verwaltung zwei ehemalige Hotels anmieten und ein Boardinghaus, auf der Waldau und auf dem Wasen sollen Wohncontainerdörfer entstehen. Auf diese Weise will man zusätzlich rund 1800 Plätze bereitstellen. Die bereits für Geflüchtete genutzten Nebenhallen der Schleyerhalle, die nur bis im Herbst für die Unterbringung von Ukrainern vorgesehen waren und die 710 Plätze haben, werden die Funktion weiter behalten.

 

Man rechne in den kommenden Wochen „mit einem weiteren massiven Zuzug“ von Menschen auf der Flucht, sagte Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) bei der Vorstellung der Pläne. „Die Prognose für den September übertrifft mit rund 1300 Menschen sogar die Werte der Jahre 2015 und 2016“, so der OB. Die vorhandenen Unterkünfte seien „nahezu ausgelastet, es müssen kurzfristig neue Plätze geschaffen werden“. Nopper verdeutlichte: „Die Lage spitzt sich stark zu, wir stehen mit dem Rücken zur Wand, wir müssen nach jedem Strohhalm greifen.“

Mehr als 7400 Menschen einquartiert

Allein im August sind 680 Menschen aus der Ukraine nach Stuttgart gekommen. Dazu wurden der Stadt weitere 100 Menschen aus anderen Ländern zugewiesen, Asylbewerber unter anderem aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Nigeria. Damit sind hier derzeit mehr als 7400 Geflüchtete in Notunterkünften und Flüchtlingsheimen einquartiert, darunter rund 3300 Geflüchtete aus der Ukraine. Insgesamt leben aber etwa 7000 ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Stadt. Rund 3700 haben eine private Bleibe gefunden. Anders als befürchtet, muss die Stadt derzeit noch keine Schulturnhallen zu Unterkünften umwidmen. Bislang wird nur die Turn- und Versammlungshalle in Münster dafür genutzt. Man habe die Nutzung von Schulsporthallen hinausschieben können, erklärte der OB. Sollte der Zuzug aber wie prognostiziert eintreten und anhalten, sagte Frank Nopper zur möglichen Nutzung von Schulsporthallen: „Nach Lage der Dinge werden wir das nicht vermeiden können.“

Es wird nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt

Dabei war die Stadt noch bis vor ein paar Wochen nicht von bis zu 1300, sondern nur von etwa 200 Neuzugängen im Monat ausgegangen. Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne) erklärte diese Fehleinschätzung damit, dass das Land die Verteilung von Geflüchteten geändert habe. „Die Landeserstaufnahmestellen sind voll“, so Sußmann. Jetzt weise das Land wieder allen Stadt- und Landkreisen Ukraineflüchtlinge und Asylbewerber nach dem Königsteiner Schlüssel zu. Die vorigen Monate konnte Stuttgart, weil man wie andere Großstädte der Republik nach Kriegsbeginn weit überproportional viele Menschen aus der Ukraine aufgenommen hatte, viele Neuankömmlinge an das Land und über dieses an andere Kreise weitergeben. Das ist vorbei. Neben dem Verteilungseffekt wachse auch wieder die Zahl der Menschen, die aus der Ukraine direkt nach Stuttgart kommen, in einer Woche kürzlich rund 170. Auch die Zuweisungen von Asylbewerbern aus anderen Krisengebieten steige. „Wir sehen eine allgemeine Zuspitzung der Lage, wir haben Steigerungen in allen Bereichen“, sagte Sußmann.

Wohncontainer sind ein rares Gut

Die Verwaltung nutzt zur Unterbringung derzeit acht Hotels, drei Hallen, vier Boardinghäuser und 176 Wohnungen. Dazu kommen bis Ende Oktober 440 neue Plätze in einem Containerdorf auf dem Cannstatter Wasen. Ein Teil der verwendeten Wohncontainer wird zuvor beim Volksfest für das Landwirtschaftliche Hauptfest genutzt. An der Stelle, wo Anfang des Jahres Wohncontainer für Geflüchtete auf der Waldau beim Gazi-Stadion abgebaut wurden, wird im Herbst wieder ein Containerdorf für 160 Menschen entstehen. Das wird aber noch etwas dauern, da es „nicht einfach ist, die ausreichende Zahl von Containern zu bekommen“, räumte OB Nopper ein. Gut 1100 Plätze sollen in zwei ehemaligen Hotels geschaffen werden, dem Messehotel Europe an der Siemensstraße in Feuerbach (228 Plätze), im Best Western Hotel an der Zazenhäuser Straße in Zuffenhausen (334 Plätze), dazu im Boardinghaus an der Holderäckerstraße in Weilimdorf (278 Kleinstapartments, 556 Plätze). Damit man die Nebenhallen der Schleyerhalle weiter nutzen kann, muss die städtische Veranstaltungsgesellschaft etwa für das kommende German-Masters-Reitturnier als Ersatz einige Großzelte aufbauen.

Hotels nicht teurer als Hallen

Die Belegung von Hotels mit Geflüchteten solle „keine Dauerlösung“ sein, sagt Kämmerer Thomas Fuhrmann (CDU). Aber nicht unbedingt aus finanziellen Gründen. So sei die Belegung von Hallen ebenso teuer wie die Hotelunterbringung, eine unterbelegte Halle koste sogar mehr. Und sollte die Coronapandemie im Herbst Fahrt aufnehmen, seien Hotels und Boardinghäuser als Unterbringungsart sogar von Vorteil. Plätze für weitere 300 Menschen wird man in einem Gebäude auf dem Vaihinger Eiermann-Areal für 1,9 Millionen Euro schaffen. Und es wird geprüft, ob die Nutzung der Systembauten für Geflüchtete verlängert werden und ob man diese für mehr Plätze vielleicht sogar noch aufstocken kann.