Der Bundesrechnungshof hält den Entwurf des Verkehrsministers zur Stärkung des Wettbewerbs auf der Schiene für stark verbesserungsbedürftig. Dabei geht es auch um die Entflechtung von Fahrbetrieb und Netz.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bekommt für sein geplantes und längst überfälliges „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich“ ein denkbar schlechtes Zeugnis vom Bundesrechnungshof. Die unabhängige staatliche Kontrollbehörde warnt in einem vertraulichen Prüfbericht vom 29. Juni, der unserer Redaktion vorliegt, vor zahlreichen Schwachpunkten sowie unnötigen Folgekosten und verlangt umfangreiche Nachbesserungen. Damit könnte sich die Umsetzung der europäischen Richtlinie 2012/34/EU in ein deutsches Eisenbahn-Regulierungsgesetz (EReG) noch weiter zu verzögern. Mit dieser Richtlinie will Brüssel mehr Verkehr und Wettbewerb auf der Schiene schaffen und die Marktaufsicht stärken. Die Frist zur Umsetzung ist bereits seit einem Jahr verstrichen, was einen Verstoß gegen die Regeln im Binnenmarkt darstellt.

 

EU-Verfahren gegen Deutschland

Die EU hat gegen die Bundesrepublik im Frühjahr ein Verfahren wegen Vertragsverletzung eingeleitet. Seit Jahren ist das Regulierungsgesetz auch in der Koalition heftig umstritten. Im Januar einigte sich das Bundeskabinett auf einen Gesetzentwurf, der nun im Bundestag beraten werden soll, aber ebenfalls auf Proteste stößt. Anfang der Woche demonstrierten rund 1000 Bahn-Beschäftigte nach einem Aufruf der Gewerkschaft EVG vor dem Verkehrsministerium in Berlin gegen die „bahnfeindliche Politik“. Auch beim Bundesrechnungshof stößt der Gesetzentwurf auf Ablehnung. Damit beabsichtige die Regierung zwar, die EU-Vorgaben umzusetzen, schreibt die Behörde in ihrer 63-seitigen Expertise für den Haushaltsausschuss des Bundestags. Doch „dieses Ziel verfehlt der Entwurf“, heißt es im Anschreiben an die Ausschussvorsitzende Gesine Lötzsch (Linke). Der Bericht liefert der Opposition Munition für Kritik am Hause Dobrindt. Der Gesetzentwurf führe zu einem „komplizierten Regelwerk“, warnt die Behörde und fordert die Streichung beabsichtigter Ausnahmen von den EU-Vorgaben.

Brüssel will den Wettbewerb stärken

Brüssel will den Wettbewerb durch drei Elemente stärken. Erstens soll gesichert sein, dass Bahn-Unternehmen beim Zugang zum Schienennetz nicht diskriminiert werden. Das kann passieren, denn meist wird Infrastruktur noch vom ehemaligen Staatsmonopolisten beherrscht, hierzulande sind das die Deutsche Bahn AG und ihre Tochter DB Netze. Gerade in den letzten Monaten haben DB-Wettbewerber wie die französische Transdev (früher Veolia) wieder über Benachteiligungen geklagt und sogar Klagen vor Gericht angestrengt.

Zweitens soll die EU-Richtlinie für angemessene Trassenpreise sorgen. Das sind die Gebühren, die alle Bahnen für die Nutzung von Gleisen zahlen müssen und die von der DB Netze bestimmt und kassiert werden. Hier klagen auch die Bundesländer, die den Nahverkehr bestellen und mit Bundesmitteln bezahlen, über ständig steigende Preise, wodurch Geld für mehr Verkehrsangebote fehle.

Drittens verlangt Brüssel die Entflechtung der Unternehmen und die Trennung von Netz und Betrieb. So soll etwa verhindert werden, dass Ex-Monopolisten wie die DB AG staatliche Mittel für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes zweckentfremden, um ihre Transportbetriebe unerlaubt zu subventionieren und sich so Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Keine EU-Vorgabe richtig erfüllt

Nach dem Urteil des Rechnungshofs erfüllt der Gesetzentwurf keine der Vorgaben zufriedenstellend. Weder beim Netzzugang noch bei der Entflechtung würden die geplanten Bestimmungen den Wettbewerb nennenswert steigern können, kritisieren die Experten. Wesentliche Teile der Geschäfte der Bahn sollten sogar „fast gar nicht der Regulierung unterliegen“. Die Prüfer mahnen in mehreren Punkten eine strengere Überwachung des Marktes und des Konzerns durch die Regierung an.

So vermisst die Behörde wirksame Anreize zur Senkung der Trassenpreise. Die beabsichtigte Regelung laufe „in weiten Teilen“ ins Leere. Zudem könne der Bund seinen im Grundgesetz festgeschriebenen Gewährleistungsauftrag, für den Ausbau und Erhalt des Schienennetzes zu sorgen, nicht wirksam durchsetzen. Denn bisher könne die Regierung notwendige Baumaßnahmen nicht direkt gegenüber der Bahn anordnen, kritisiert der Rechnungshof. Stattdessen entscheide der Konzern das alleine. Dies müsse sich ändern.

Brisant sind auch die Feststellungen zur Entflechtung. Hier wolle die Regierung nur die Mindeststandards umsetzen und nutze nicht alle Möglichkeiten, den Wettbewerb durch die Trennung des Netzmonopols vom DB-Betrieb zu fördern. Zudem werde dieser Verzicht nicht begründet. „Rechtlich würde gegen eine stringente Entflechtung der DB AG nichts sprechen“, urteilen die Prüfer. Der Rechnungshof sieht „Bedarf für ein sachgerechte Abwägung aller Alternativen einer Entflechtung“.

Entflechtung des Bahnkonzerns gefordert

Bei der Bahn und der größten Gewerkschaft EVG werden bei diesen Aussagen die Alarmglocken schrillen. Der Konzern mit seinen weltweit 300 000 Beschäftigten will eine „Zerschlagung“ verhindern. Mit der Abtrennung der Netzsparte (DB Netze) in eine unabhängige staatliche Gesellschaft würde das Unternehmen einen wichtigen, staatlich hoch subventionierten Gewinnbringer sowie den direkten Einfluss auf Entscheidungen bei der Infrastruktur verlieren. Der Rechnungshof sieht darin keine Probleme und fordert, die Entflechtung „stringenter zu regeln“. Als bundeseigenes Unternehmen könne sich die Bahn „nicht auf das Eigentumsrecht nach Artikel 14 Grundgesetz berufen“. Auch die Monopolkommission fordert seit Jahren eine strikte Trennung von Netz und Betrieb.