Update: Eins machte OB Kuhn sehr deutlich: Die Stadt will die Mehrkosten für Stuttgart 21 nicht tragen. Derweil appelliert Kretschmann an die Bahn, für die Durchfinanzierung zu sorgen. Sonst könne man ein solches Großprojekt nicht bauen. „Das verstehen nun wirklich Lieschen Müller und Klein Fritzchen seit BER“, sagte er.
Stuttgart - Im Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat nach dem Land auch die Stadt Stuttgart erneut abgelehnt, sich an Milliarden-Mehrkosten zu beteiligen. „Wir halten uns an den Finanzierungsvertrag“, sagte Oberbürgermeister Fritz Kuhn nach einem Treffen mit Bahnvorstand Volker Kefer am Dienstag in Stuttgart. In dem Vertrag ist der Beitrag der Kommune zu Stuttgart 21 mit knapp 292 Millionen Euro festgelegt. Dazu gebe es auch die entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse, unterstrich Kuhn.
Die Bahn hatte am Montag offizielle Gespräche mit den S-21-Projektpartnern eröffnet, um deren Beteiligung an prognostizierten Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu erreichen. Der Aufsichtsrat hatte sie aufgefordert, dafür die sogenannte Sprechklausel im Finanzierungsvertrag zu ziehen.
Kuhn: Vertrauenskrise noch nicht aufgelöst
Kuhn pocht nach der Absage der Lenkungskreissitzung am 28. Februar auf ein erneutes Treffen der Projektpartner „in absehbarer Zeit“. Dabei müsse die Bahn die Kostensteigerungen belegen und Einsparvorschläge präsentieren. Die Kostenprognose der Bahn sei nicht gesichert. „Wir können ja keine Luftschlösser bauen.“ Die Sitzung war mangels ausreichender Information der Projektpartner abgesagt worden. Kefer hat nach Kuhns Angaben den Wunsch notiert, wolle aber erst den Aufsichtsrat darüber informieren.
Der Grünen-Politiker hat nach eigenen Worten den Eindruck gewonnen, dass die Bahn die zunächst anvisierte Übernahme von Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden wieder infrage stelle. „Da war keine klare Auskunft im Raum“, berichtete Kuhn. Auf die Frage, was mit Kostenrisiken über die bekannten 1,2 Milliarden Euro hinaus passiere, habe Kefer auf das „gewohnte Verfahren“ verwiesen, wonach diese auf die Projektpartner verteilt werden müssten. Der Bahnvorstand war bei der anschließenden Pressekonferenz nicht dabei.
Das Gespräch habe zwar in freundlicher Atmosphäre stattgefunden, doch sei die Vertrauenskrise zur Bahn noch nicht aufgelöst, sagte Kuhn. Grund: Die Kostenexplosion über den bisherigen Finanzrahmen von 4,5 Milliarden Euro sei der Bahn schon Monate vor deren Veröffentlichung bekannt gewesen. Über diese Informationspolitik hätten Stadt und Bahn-Konzern unterschiedliche Auffassungen.
Für die Durchfinanzierung sorgen
Derweil appelliert Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) an die Bahn, für die Durchfinanzierung von Stuttgart 21 zu sorgen. Das Land stehe zu dem Projekt, aber die Finanzierung müsse gesichert sein, sagte er am Dienstag. Er verneinte die Frage, ob er damit drohe, die Ratenzahlungen des Landes für Stuttgart 21 zu stoppen. Denn: Kretschmann fühlt sich nach eigenen Worten an die Verträge und die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 gebunden. Es sei nun Sache des Aufsichtsrates der Bahn, über den Fortgang des Projekts zu entscheiden.
Baden-Württemberg habe bislang 112,7 Millionen Euro für Stuttgart 21 überwiesen. Das Land werde nicht mehr als die zugesagten 930 Millionen Euro zahlen, bekräftigte der Regierungschef. Dieses Geld könne aber nur beigesteuert werden, wenn das Projekt durchfinanziert sei. Kretschmann wollte diesen Satz aber nicht als Drohung, sondern als „rein politische Aussage“ verstanden wissen. Er sprach von einem „Appell an die Vernunft aller Beteiligten“. Man könne Großprojekte nicht bauen, ohne das sie durchfinanziert seien. „Das verstehen nun wirklich Lieschen Müller und Klein Fritzchen seit BER“, sagte er in Anspielung auf die Pannen beim Berliner Großflughafen Berlin-Brandenburg.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht auf Klarheit über die Finanzierung. „Weitere Kostenüberraschungen darf es da nicht geben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag. „Die Bahn muss transparent alle Zahlen auf den Tisch legen.“ Er betonte, Merkels grundsätzliche Überzeugung, dass es sich um ein wichtiges Vorhaben für die Region und Deutschland insgesamt handele, habe sich nicht geändert. Zugleich gelte jedoch: „Ein solches Projekt muss wirtschaftlich sein, und die Zahlen müssen stets überprüft werden.“