Als Behindertenbeauftragter setzt sich Walter Tattermusch dafür ein, dass die Stadt barrierefreier wird. Im Möhringer Bezirksbeirat hat er seine Aufgaben vorgestellt

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Möhringen - Immer wieder nehmen Menschen mit Behinderung mit Walter Tattermusch Kontakt auf und schildern ihm einen Umstand, über den er nur den Kopf schütteln kann. Und das, obwohl er sich seit mittlerweile anderthalb Jahren als Behindertenbeauftragter um die Belange der Menschen kümmert. „Neulich kam eine blinde Frau zu mir, die erzählte, sie habe in ein städtisches Gebäude wollen, aber die Anweisung bekommen, ihren Blindenhund an der Pforte abzugeben, weil Hunde im Gebäude nicht erlaubt seien“, schilderte Tattermusch den Möhringer Bezirksbeiräten. „Das kann doch nicht sein“, entfuhr es ihm. Blindenhunde, erklärte er, werden nach dem Gesetz nicht wie andere Hunde behandelt. Sie dürften eigentlich überall rein, selbst zum Metzger oder ins Krankenhaus.

 

Das sei nur eine von vielen Situationen, in denen Menschen mit Handicap in der Stadt Probleme haben, sogar benachteiligt würden. Diese Missstände auszumachen und sie bestmöglichst zu beheben, ist die Aufgabe des ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten, der zuvor lange Jahre Leiter des städtischen Sozialamts war. Per Telefon, E-Mail oder über seine Sprechstunden im Rathaus in der Innenstadt ist Walter Tattermusch für die Menschen erreichbar.

Barrieren in den Köpfen abbauen

350 Fälle haben er und seine beiden Mitarbeiterinnen im vergangenen Jahr behandelt. „Die Hauptthemen sind Wohnen, Mobilität, soziale Teilhabe, Arbeit und Bildung sowie Existenzsicherung“, zählte Tattermusch auf. Dabei geht es nicht nur um bauliche Barrieren, sondern auch darum, wie andere Bürger mit Menschen mit Handicap umgehen. „Viele Leute sind unsicher im Umgang mit behinderten Menschen, wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, haben manchmal sogar Angst“, sagte Tattermusch. Er versuche, so gut es geht zu vermitteln und auch die Barrieren in den Köpfen abzubauen. Dabei sei Inklusion nichts, was man „von oben“ verordnen könne. „Inklusion muss gelebt werden von den Menschen.“

Er erzählte von einem Fall, in dem auswärtige Schüler mit Behinderung einen Ausflug nach Stuttgart unternommen haben. Nach dem Besuch der Wilhelma wollten die jungen Erwachsenen am Abend in einem Club in der Innenstadt feiern. Der Clubbesitzer habe sie rausgeworfen. Daraufhin hätte die Klasse Kontakt mit Tattermusch aufgenommen, der dann das Gespräch mit dem Clubbesitzer suchte. „Es stellte sich heraus, dass er Angst davor hatte, wie die behinderten Jugendlichen sich verhalten könnten“, so der Behindertenbeauftragte. Nach dem Gespräch habe sich der Mann entschuldigt und die jungen Leute für einen Abend in seinen Club eingeladen.

Eine Ortsbegehung mit Behinderten soll Missstände aufzeigen

Generell geht es Walter Tattermusch und seinem Team darum, die Menschen mit Handicap besser im Stadtleben zu integrieren. Blindenleitsysteme an Haltestellen, abgesenkte Bordsteine, Ampeln mit vibrierenden Drückern oder akustischen Signalen gehören da dazu. In ein paar Wochen sollen neue „Rollitaxen“ an den Start gehen, sie sind so konzipiert, dass sie auch einen großen Elektrorollstuhl transportieren können.

In Möhringen und den anderen Stadtbezirken sei es wichtig, dass sich die Menschen vor Ort Gedanken machen, wo man noch Barrieren abbauen kann. „Wir möchten anregen, dass auch Sie im Bezirksbeirat schauen, wie es den Menschen mit Behinderung in Ihrem Stadtteil geht, wie ihre Lebenssituation ist und was man noch verbessern kann“, rief Tattermusch die Lokalpolitiker auf.

Fred Wagner von der CDU schlug daraufhin eine Ortsbegehung mit Betroffenen vor. Bezirksvorsteherin Evelyn Weis sicherte zu, mit dem Behindertenzentrum (BHZ) und dem Gewerbe- und Handelsverein (GHV) Kontakt aufzunehmen und einen Termin im April ins Auge zu fassen. Walter Tattermusch begrüßte die Idee. „Sie werden überrascht sein, zu welchen Erkenntnissen Sie kommen“, sagte er. Wagner regte außerdem an, bei der geplanten Sanierung der Filderbahnstraße darauf zu achten, dass sie barrierefrei ausgebaut wird. „Alles, was wir in der Planung schon drin haben, kostet weniger als eine spätere Nachrüstung“, bestätigte Tattermusch.

Vereine spielen eine wichtige Rolle bei der Inklusion

Hermann Hänle (CDU) wollte von Walter Tattermusch wissen, ob ihm spezielle Missstände in Möhringen angetragen worden seien. Das verneinte der Behindertenbeauftragte. „Wir führen zwar eine Liste, aber die ist nicht nach Bezirken gegliedert. In Möhringen ist mir spontan nichts geläufig“, sagte Tattermusch. Barbara Hummel (SÖS/Linke-plus) merkte an, dass die Teilhabe insbesondere bei Vereinen noch stärker gefördert werden könne. „Vereine spielen eine große Rolle bei der Integration von behinderten Menschen“, bestätigte Walter Tattermusch. Man wolle ein Konzept erarbeiten, dass die Inklusion in Vereinen weiter vorantreibe.

Petra Leitenberger von den Grünen wollte wissen, wie sinnvoll Tattermusch einen bezirkseigenen Behindertenbeauftragten finde. In Stuttgart-Vaihingen hat Ivo Josipovic diese Aufgabe übernommen (wir berichteten). „Ich hatte bereits einige Male mit Herrn Josipovic zu tun, er begleitet diese Position wirklich mit Engagement“, würdigte Tattermusch. Es sei aber an den Möhringern, zu beurteilen, ob sie ebenfalls einen Ansprechpartner für Menschen mit Handicap benötigen.