Irgendwo, so denken viele Wissenschaftler, muss es eine Grenze geben. Irgendwann werde man eine entscheidende Fähigkeit finden, die den Menschen auszeichnet und die erklärt, warum Menschen zum Mond fliegen und Gorillas nicht. An dieser Grenze ließe sich vielleicht festmachen, welche Rechte man Menschenaffen einräumen muss. Doch andere Wissenschaftler halten nichts von diesem Ziel. Die meisten Menschen wüssten ja auch nicht, wie man zum Mond fliegt, argumentieren sie. Und sie halten die Übergänge für fließend und eventuelle Unterschiede nicht mehr für entscheidend.

 

Sie zählen den Menschen zu den Menschenaffen – nicht nur biologisch, sondern auch geistig und moralisch. Tatsächlich muss man aufpassen, dass man die Grenze zwischen Mensch und Affe nicht zu scharf zieht, weil dann auch einige Menschen aus der moralischen Kategorie der Personen herausfallen würden: Kleinkinder, demente Senioren und geistig Behinderte. Dann wäre das Ziel verfehlt.

Zwischen Mensch und Tier zu unterscheiden ist nicht so einfach

Die philosophische Frage, was den Menschen vom Tier unterscheidet, harrt also noch einer Antwort. Aber so wichtig sie ist – sie ist nicht entscheidend. Man weiß genug über Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans, um zu handeln. Auch für Kleinkinder, Demente und Behinderte hat man abgestufte Regeln gefunden, die ihre Freiheit einschränken, wenn es nicht anders geht. Daher sollte man auch bei Menschenaffen mit Augenmaß an die Sache gehen. Ihre Gehege zu vergrößern und so abwechslungsreich auszustatten, wie es die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre nahelegen, ist ein erster Schritt.

Es leuchtet jedem ein, dass man nicht mit Menschenaffen handeln sollte, was das Washingtoner Artenschutzabkommen auch verbietet, und dass man sie vor unnötigen Qualen in wissenschaftlichen Tests bewahren sollte, wie es die EU-Tierschutzrichtlinie vorsieht. Ebenso klar sollte aber auch sein, dass man ihren natürlichen Lebensraum schützt, indem man ihnen Reservate zuweist, in denen sie keine Bulldozer und Plantagen kennenlernen müssen. Von diesem Engagement würden sogar viele Menschenaffen profitieren, denn die meisten leben nicht in Zoos, sondern im Regenwald. Der Schutz der Regenwälder entspräche also auch der Ethik von Peter Singer, denn es würde das Glück der Menschenaffen in der Summe deutlich erhöhen. Nur sind die Regenwälder weit weg, und die Diskussion ist leichter am Beispiel der Menschenaffen zu führen, die im Zoo besichtigt werden können.

Was hinter dem „Great Ape Project“ steckt

Die Unterstützer des „Great Ape Projects“, die sich für die Rechte von Menschenaffen wie Kibo und Milele einsetzen und auch deren Freiheit fordern, sehen viele Ähnlichkeiten: Gorillas, Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos denken ihrer Ansicht nach wie Menschen, sie fühlen wie Menschen, und es gibt auch nur wenige genetische Unterschiede. Das mit der Genetik ist natürlich bloß eine Floskel, die Eindruck schinden soll. In der Evolution haben sich die Entwicklungslinien zwischen Menschen und Menschenaffen vor mehr als fünf Millionen Jahren getrennt, zuletzt die Linien von Menschen und Schimpansen. Ein bis zwei Prozent des Erbguts unterscheiden sich inzwischen. Aber was das für das Denken und Fühlen der Menschenaffen bedeutet, weiß niemand. Die Prozentzahl klingt präzise, ist jedoch letztlich nur ein wissenschaftlicher Ausdruck für die Nähe, die viele Zoobesucher zu den Menschenaffen empfinden.

Das Hauptargument der Tierschützer geht auf den Philosophen Peter Singer zurück, der das „Great Ape Project“ vor 20 Jahren mitbegründet hat; er hebt die Ähnlichkeit der Gefühle hervor. Singer zählt sich zu den Utilitaristen. Das bedeutet, dass er das Glück in der Summe über alle Individuen hinweg maximieren und das Leid minimieren will. Die Individuen müssen nicht unbedingt Menschen sein. In Kurzform läuft sein Argument so: Wenn man voraussetzt, dass Menschenaffen ähnlich leiden können wie Menschen – und wer wollte ihnen diese Fähigkeit abstreiten? – dann sollte man sich auch bemühen, es ihnen zu ersparen. Singers Ethik ist eine Ethik des Abwägens: Man darf durchaus Leid in Kauf nehmen, wenn es der großen Menge einen Vorteil bringt. Aber rechtfertigt der Spaß der Zoobesucher das Leiden der ausgestellten Tiere? Und wie schwer wiegt im Vergleich dazu der Anspruch der Zoos, die Besucher zu bilden und für den Tierschutz zu begeistern? Das hängt davon ab, wie sehr die 450 Menschenaffen in deutschen Zoos leiden.

Die neue Anlage verspricht einen hohen Standard

Etwa jeder vierte von ihnen lebe unter unwürdigen Bedingungen, hat Colin Goldner ermittelt, der Leiter des „Great Ape Projects“ in Deutschland. Er hat die 38 Zoos besucht, die hier Menschenaffen halten; sein Bericht mit dem Titel „Lebenslänglich hinter Gittern“ erscheint dieser Tage im Alibri Verlag. Für die Wilhelma hat Goldner Verbesserungspotenzial diagnostiziert, und die neue Anlage für Gorillas und Bonobos, die am 14. Mai eingeweiht werden soll, verspricht einen hohen Standard. In diesem Fall ginge es also ums Prinzip: Man könnte Menschenaffen schließlich auch in einem Reservat im afrikanischen Regenwald halten, wo sie vor Wilderern geschützt wären, aber genügend Auslauf hätten und nicht auf Betonwände, Glasscheiben und Metallgitter gucken müssten.

Haben die Menschenaffen einen Anspruch darauf, und sollte man diesen Anspruch, wie es Tierschützer fordern, ins Grundgesetz schreiben? In der Wissenschaft sei das umstritten, gaben der Primatenforscher Christophe Boesch aus Leipzig und der Philosoph Dieter Birnbacher aus Düsseldorf kürzlich in einer Anhörung der Grünen-Bundestagsfraktion zu Protokoll. Es ist auch kaum vorstellbar, dass ein im Zoo aufgewachsener Gorilla wie Kibo noch lernt, sich im Regenwald zurechtzufinden. Das fiele selbst Menschen schwer. Und Erfahrungen mit Berggorillas in Afrika zeigen, dass sie auch in Reservaten nicht vollständig geschützt sind.

Singers Ethik ist nicht die einzige. Andere Philosophen untersuchen, ob Menschenaffen Personen sind: primitiv zwar, aber mit wesentlichen Eigenschaften. In den vergangenen Jahren hat die Forschung die Grenze zwischen menschlichem und tierischem Denken immer wieder zu Lasten des menschlichen Denkens verschieben müssen. Menschenaffen nutzen Werkzeuge geschickt, etwa wenn sie mit Zweigen Termiten aus ihrem Bau angeln oder wenn sie im Labor lernen, komplizierte Versuchsapparaturen zu bedienen, um an Trauben und Apfelstücke zu gelangen. Sie verstehen auch die Absichten des Versuchsleiters und heben beispielsweise ein Objekt auf, das er versehentlich fallen lässt. Manche lernen sogar Zeichensprache, und die Verhaltensunterschiede zwischen wild lebenden Affengruppen scheinen auf unterschiedliche Kulturen hinzudeuten. Untersucht wird derzeit, wie kooperativ die Menschenaffen vorgehen und ob sie auf Fairness Wert legen.

Die Grenze zwischen Mensch und Affe verschiebt sich

Irgendwo, so denken viele Wissenschaftler, muss es eine Grenze geben. Irgendwann werde man eine entscheidende Fähigkeit finden, die den Menschen auszeichnet und die erklärt, warum Menschen zum Mond fliegen und Gorillas nicht. An dieser Grenze ließe sich vielleicht festmachen, welche Rechte man Menschenaffen einräumen muss. Doch andere Wissenschaftler halten nichts von diesem Ziel. Die meisten Menschen wüssten ja auch nicht, wie man zum Mond fliegt, argumentieren sie. Und sie halten die Übergänge für fließend und eventuelle Unterschiede nicht mehr für entscheidend.

Sie zählen den Menschen zu den Menschenaffen – nicht nur biologisch, sondern auch geistig und moralisch. Tatsächlich muss man aufpassen, dass man die Grenze zwischen Mensch und Affe nicht zu scharf zieht, weil dann auch einige Menschen aus der moralischen Kategorie der Personen herausfallen würden: Kleinkinder, demente Senioren und geistig Behinderte. Dann wäre das Ziel verfehlt.

Zwischen Mensch und Tier zu unterscheiden ist nicht so einfach

Die philosophische Frage, was den Menschen vom Tier unterscheidet, harrt also noch einer Antwort. Aber so wichtig sie ist – sie ist nicht entscheidend. Man weiß genug über Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans, um zu handeln. Auch für Kleinkinder, Demente und Behinderte hat man abgestufte Regeln gefunden, die ihre Freiheit einschränken, wenn es nicht anders geht. Daher sollte man auch bei Menschenaffen mit Augenmaß an die Sache gehen. Ihre Gehege zu vergrößern und so abwechslungsreich auszustatten, wie es die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre nahelegen, ist ein erster Schritt.

Es leuchtet jedem ein, dass man nicht mit Menschenaffen handeln sollte, was das Washingtoner Artenschutzabkommen auch verbietet, und dass man sie vor unnötigen Qualen in wissenschaftlichen Tests bewahren sollte, wie es die EU-Tierschutzrichtlinie vorsieht. Ebenso klar sollte aber auch sein, dass man ihren natürlichen Lebensraum schützt, indem man ihnen Reservate zuweist, in denen sie keine Bulldozer und Plantagen kennenlernen müssen. Von diesem Engagement würden sogar viele Menschenaffen profitieren, denn die meisten leben nicht in Zoos, sondern im Regenwald. Der Schutz der Regenwälder entspräche also auch der Ethik von Peter Singer, denn es würde das Glück der Menschenaffen in der Summe deutlich erhöhen. Nur sind die Regenwälder weit weg, und die Diskussion ist leichter am Beispiel der Menschenaffen zu führen, die im Zoo besichtigt werden können.