Zwar gab es, wie bei dem profilierten Pietisten Johann Albrecht Bengel, Tendenzen in dieser Richtung, aber dass es zu einer Trennung nicht kam, ist wohl Georg Bernhard Bilfinger zu verdanken. Er hatte in Halle bei dem Philosophen der Aufklärung Christian Wolff studiert, war später Theologie-Professor in Tübingen und dann Konsistorialpräsident geworden. Von dieser Position aus erreichte er mit den Pietisten einen Kompromiss, der sich in dem Pietismusreskript von 1743 niederschlug.

 

Dieses Dokument sicherte die Einheit der Landeskirche und gewährte den Pietisten Freiraum für ihre besondere Form der Gläubigkeit. Sie waren nicht missionarisch, wirkten so gut wie nie direkt auf andere Gläubige ein. Sie blieben eine stille „Fraktion in der Landeskirche“. Dissidenten, die es immer wieder gab, zogen es vor, in die Vereinigten Staaten, in den Kaukasus oder nach Palästina auszuwandern.

Oder aber sie bildeten pietistische Enklaven in Korntal oder in Wilhelmsdorf, blieben aber Mitglied der Landeskirche. Bei der geistlichen Ehrbarkeit kam es zu familiären Verbindungen zwischen Lutheranern und Pietisten. Das war nicht besonders verwunderlich, schließlich kannten sich deren Kinder über das gemeinsame Erziehungssystem Klosterschule und Tübinger Stift persönlich. Auch wenn eine gründliche Mentalitäts-Soziologie nach wie vor fehlt, so lässt sich doch mit Sicherheit sagen, dass die Pietisten am wenigsten dazu beigetragen haben, den schwäbischen Charakter zu prägen.