Michael Schumachers Rennwagen macht im Rennen noch nicht, was er soll. Wenn das so weitergeht, könnte der Rekordweltmeister die Geduld verlieren.

Sepang - Der Grand-Prix-Guide, das feuerrote Standardwerk der Formel 1, ist noch druckfrisch. Die Seiten der Zahlenbibel sind hauchdünn, je mehr man zurückblättern muss, je schwieriger wird die Suche. Vor und nach der Qualifikation zum Großen Preis von Malaysia wurde von den Experten heftig in den Bilanzen der fünfziger Jahre gesucht. Galt es doch sicherheitshalber herauszufinden, wann Mercedes als eigenständiges Rennteam die letzte Pole-Position und den letzten Sieg einfahren konnte (Monza, 1955). Michael Schumachers dritter Startrang, die beste Platzierung des Rekordweltmeisters seit dem Comeback, weckte Hoffnungen. Wie die Sache ausging, ist inzwischen bekannt.

 

Schumacher wurde – auch bedingt durch eine unverschuldete Kollision – mit Ach und Krach Zehnter, und fuhr ein Ehrenpünktchen ein, das Team Mercedes AMG ist damit Neunter der Konstrukteurswertung. Gewiss, der vom Monsun durchzogene zweite WM-Lauf war nicht unbedingt mit normalen Maßstäben zu messen. Aber die Erwartungen an die mittlerweile dritte Saison des deutschen Dreamteams sind eben groß. Mindestens so groß wie jetzt die erste Enttäuschung.

Ein Rennstall mit zwei Gesichtern steckt zwischen allen Gefühlen. In der Qualifikation, das war auch schon beim Saisonstart in Melbourne festzustellen, haben die Silberpfeile mächtig an Boden gutgemacht, nicht zuletzt wegen eines Flügeltricks, der aber im Grand Prix so gut wie nie zum Einsatz kommen kann. Ohne den F-Schacht-Effekt ist der W03 im Rennen dann im Vergleich zur Konkurrenz, vor allem zur Spitze, kaum schneller als in der vergangenen Saison. Das wirft Fragen auf: Ist die Konstruktion nicht weit genug gedacht? Hat man das wahre Potenzial des Autos noch nicht ausgeschöpft? Ist der Kompromiss zu Gunsten besserer Startplätze zu groß?

Das Auto wirft Rätsel auf

Im Pressezentrum vor den Toren Kuala Lumpurs wurde das Dilemma nach dem Kalender gedichtet: Das Samstagsauto wird sonntags zum Montagsauto. „Das ist leider ein sehr enttäuschendes Ende eines ansonsten positiven Wochenendes hier in Malaysia“, sagt auch der Teamchef Ross Brawn, „unser Auto wirft ein bisschen ein Rätsel auf, das wir lösen müssen.“ Nicht, dass es Ferrari trotz des Überraschungssieges von Fernando Alonso nicht ähnlich gehen würde, oder dass Red Bull nach dem Verlust der Dominanz die gleichen Ängste hat. Aber Mercedes ist nach dem desaströsen Vorjahr, als die Form nach vielversprechenden Testergebnissen im Rennalltag rapide in den Keller sackte, ein gebranntes Kind. Das Problem damals war, dass das Auto nur unter ganz bestimmten Umständen gut war. Jetzt muss Brawn wieder gestehen: „Wir hatten Schwierigkeiten, die Reifen zum Arbeiten zu bringen. Es gab nur kleine Fenster, in denen sie funktionierten und wir nicht gänzlich herausfielen.“ Auf gut Deutsch: Mercedes hat ein schnelles Auto, aber es ist launisch. Der Beleg für die noch fehlende Harmonie findet sich in der Ergebnisliste von Malaysia, in der Nico Rosberg als Dreizehnter notiert wird, er musste viermal frische Pneus holen und konnte dennoch nicht recht mithalten.

Die Reifen sind generell eine Wissenschaft für sich, was die Nervosität in Stuttgart und in der Rennfabrik von Brackley steigert, ist die fehlende Erklärung. Brawn, der inzwischen einen hochkarätigen Technikerstamm befehligt, kann nur mutmaßen: „Ich glaube nicht, dass wir die Reifen zu hart rannehmen – wir nutzen sie einfach nicht richtig. Dieses Problem müssen wir lösen, um mit dem Auto weitere Fortschritte zu erzielen. Das ist besonders enttäuschend, nachdem wir unser Potenzial bereits unter Beweis gestellt haben.“

Verliert Schumacher bald die Lust?

Problemfall Silberpfeil. Ob Michael Schumacher so nicht bald die Lust verliert, vielleicht doch noch ein Jahr dranzuhängen? Sarkasmus ist normal das Ding des Kerpeners nicht. Aber die Bilanz von Malaysia klingt fast so: „Wir haben nicht allzu viel Eindruck machen können auf die Jungs vor uns.“ Dritte Kraft will Mercedes in der noch bis Mitte November dauernden Saison werden, das ist das Minimalziel. Momentan stagniert man im Leistungsvergleich unter normalen Bedingungen ungefähr auf Platz fünf – da wo man herkommt.

Der Wettbewerb in der Formel 1 hat sich verdichtet, selbst kleine Schwächen haben große Auswirkungen. Schumacher verweist auf den Stufenplan, den auch der Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ausgegeben hat: „Letztes Jahr waren wir von den Rundenzeiten meilenweit weg zur Spitze. Es ist eindeutig, dass Fortschritte zu erkennen sind. Aber ich habe von Anfang an gesagt, man darf von uns nicht erwarten, dass wir um Siege kämpfen.“

Allerdings sind alle Beteiligten in der Formel 1 nicht gerade für ihre Geduld bekannt, für Mercedes ist der eigene Anspruch und die glanzvolle Historie stets eine zusätzliche Bürde. Weitere Übergangsjahre zu akzeptieren, fällt schwer. Beim dritten WM-Lauf in Shanghai werden Konditionen wie bei den Testfahrten erwartet. Schumacher setzt auf die Entwicklungsfähigkeit des Teams: „Das geht allerdings nicht von einem Rennen zum nächsten, es benötigt etwas Zeit. Ich gehe aber davon aus, dass der Kopf von Ross schon angefangen hat zu qualmen.“