Mercedes-Sportchef Haug glaubt trotz des Alters fest an Michael Schumachers Motivation. Und an die Rückkehr an die Spitze der Formel 1.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Barcelona - Am Sonntag (14 Uhr/RTL) findet in Barcelona das fünfte Formel-1-Rennen der Saison statt. Das Team Mercedes kann mit Red Bull noch nicht mithalten. Der Rennstall befinde sich noch in der Aufbauphase, sagt Norbert Haug.

 

Herr Haug, kann man sich nach den ersten vier Rennen schon darauf verständigen, dass Mercedes auch 2011 nicht um den Titel mitfahren wird?

Wir sind nicht als WM-Favorit angetreten. Und wir sind auch jetzt nicht bei den WM-Favoriten für 2011 dabei.

Wo steht das Team stattdessen?

Unser Ziel war und ist es, uns vom vierten Platz, den wir in der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr belegten, nach vorne zu entwickeln. Bei den letzten beiden Grand Prix in China und in der Türkei sind wir zweimal aus der zweiten Reihe gestartet und hatten auch im Rennen den drittbesten Speed der sechs Besten im Feld. Die Richtung stimmt also. Aber da, wo wir sein wollen, sind wir noch nicht. Aber da werden wir noch hinkommen.

Was macht Mercedes bis jetzt falsch, und was macht Red Bull besser?

Wir treten in unserer Konstellation als neu formiertes Team im zweiten Jahr an. Wir sind extrem schlank und effizient aufgestellt und exakt das wird die Basis sein, mit der alle Formel-1-Teams in Zukunft entsprechend den verpflichtend vereinbarten Resource Restrictions, also den Sparplänen, arbeiten müssen.

Heißt das, dass ein Team wie Red Bull finanziell und personell zurzeit noch deutlich besser ausgestattet ist als Mercedes?

Es gibt zu den Teambudgets englischer Teams für jedermann einsehbare Unterlagen mit den jeweiligen Budgetzahlen. Aber wir müssen uns nicht Gedanken über Budgets und Mannstärken der Konkurrenz machen, sondern vielmehr unsere eigene Effizienz und Schlagkraft stärken. In diesem Prozess sind wir gut unterwegs - aber auch noch nicht am Ziel.

Wie lange ist der Weg?

Wir brauchen Zeit, um zu lernen. Was wir grundsätzlich schon können, wurde zuletzt mit dem dritten Startplatz von Nico Rosberg hinter den derzeit überlegenen Red Bull aufgezeigt. Rosberg ist übrigens mit 14 Führungsrunden als Zweiter klassiert - zwar weit, weit hinter Sebastian Vettel, aber noch vor allen anderen. Das zeugt zumindest von Potenzial. Auch wenn wir uns augenblicklich dafür weder was kaufen können noch nach Punkten die ersten Verfolger von Red Bull wären.

Kann es sein, dass die Verfolger durch Ihre Sparmaßnahmen den Preis zahlen müssen, nicht um den Titel mitzufahren?

Ein neu formiertes Team fährt nicht im zweiten Jahr um den WM-Titel mit. Auch Red Bull hat bei größtem Aufwand und bester Leistung vier Jahre bis zum ersten Sieg gebraucht. Unser Mercedes-Motorsportsystem in der Formel1 hat mit seinen Partnerteams von den letzten rund 250 Grand Prix mehr als 70 gewonnen und dabei sechs Weltmeistertitel in der Fahrer- und in der Konstrukteurswertung geholt. Und wir werden nach unserer Lern- und Aufbauphase mit unserem kostengünstig arbeitenden Werksteam an diese Erfolgsstory wieder anschließen.

Der ehemalige Formel-1-Pilot Johnny Herbert glaubt, Michael Schumacher werde seinen Vertrag, der noch bis 2012 läuft, wegen anhaltender Erfolglosigkeit nicht erfüllen. Schumacher selbst hat das sogleich dementiert. Haben Sie bei ihm schon etwas von Lustlosigkeit verspürt?

Wenn man Kritisches über Michael Schumacher sagt, dann kommt man garantiert in die Medien. Ich schätze Johnny sehr, aber um Michaels Befindlichkeiten einzuschätzen, müsste man zunächst sicher einmal mit ihm reden. Mir kommt Michael heute jedenfalls mehr denn je wie ein hungriger und manchmal durchaus ungestümer Junior vor. Ich würde ihn und seine Klasse nie unterschätzen. Sehen Sie: nach seiner Berührung in der Türkei mit Vitali Petrov - die selbst verschuldet war - fuhr er schnell genug, um trotz des Crashs und dem anschließenden Zeitverlust in den Boxen hinter Rosberg noch Sechster zu werden.

Rosberg hat Schumacher wie schon 2010 im Griff. Da drängt sich der Verdacht auf, dass es mit 42 Jahren doch sehr mutig ist, das sportliche Duell mit 25-Jährigen zu suchen.

Ich sehe das ganz anders. Michael kann das. Und er stellt sich dem Wettbewerb, obwohl er das nicht muss. Er macht seinen Job aus Leidenschaft. In dieser Saison wurde bisher seine wahre Leistungsfähigkeit in Ergebnissen noch nicht deutlich, in Rundenzeiten allerdings schon. Der Knoten wird bald aufgehen.

Manche Beobachter befürchten, er demontiere sein Denkmal.

Das glaube ich nicht. Sein nächster Podiumsplatz wird der wichtigste seiner Karriere sein - vielleicht eindrücklicher und bemerkenswerter als viele seiner bisher 91 Siege. Sobald unser Auto podiumsreif ist, wird Michael sich dort auch platzieren.

An Ihrem Piloten Nico Rosberg soll das Team Ferrari interessiert sein. Mit welchem Argument würden Sie ihm raten, bei Mercedes zu bleiben?

Es würde mich wundern, wenn andere Teams nicht an Nico interessiert wären. Als Fahrer muss man zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Das wissen viele Piloten im Feld, allen voran ganz sicher Nico. Unsere richtige Zeit wird kommen.

Gehört er der Kategorie "Weltmeister von morgen" an?

Unbedingt. Vielleicht ist er ja noch besser und noch schneller als alle anderen. Ist dies der Fall, dann sind die zwei, drei Zehntel, die Michael oft in der Qualifikation hinter Nico rangiert, ein sehr guter Wert.

Der gelernte Professor

Journalist: Norbert Haug (58) begann seine berufliche Laufbahn als Journalist. Bei der Motor-Presse arbeitete er 1975, ein Jahr später wurde beim Magazin „Auto Motor Sport“ Leiter des Sportressorts. Im Jahr 1988 wurde er stellvertretender Chefredakteur. Er kennt die Formel 1 also schon aus dem Blickwinkel eines Reporters.

Motorsportchef: 1990 wechselte Haug zu Daimler-Benz, wo er Chef der Motorsportabteilung wurde. Er hat Mercedes wenig später wieder zurück in die Formel 1 gebracht.