Als Umweltministerin soll Kanzlerin Merkel bei der Endlagersuche getrickst und gelogen haben - sagt die Opposition. Sie selbst sagt, sie habe sich damals nur unpräzise ausgedrückt.

Berlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Was schon eine Leistung ist, denn der Vorwurf, der ihr im Gorleben-Untersuchungsausschuss von der Opposition gemacht wird, ist kein geringer: Sie soll als Bundesumweltministerin gelogen haben, um eine angeblich willkürliche Festlegung auf den Salzstock in Gorleben als Endlager für Strahlenmüll zu verteidigen. Aber es sind Vorwürfe aus einem anderen Zeitalter. Die politische Landschaft ist eine andere, seit auch Merkel nach der nuklearen Katastrophe in Fukushima ins Lager der Atomkraftgegner wechselte und die ungelöste Endlagerfrage Kritikern nicht mehr als Waffe dienen muss, mit der sich für den Ausstieg kämpfen lässt. Deshalb kann sich Merkel sicher sein, dass die damaligen Vorgänge für die Geschichtsschreibung interessant sein mögen, nicht aber für die aktuellen politischen Auseinandersetzungen.

 

Die in Rede stehenden Vorwürfe datieren aus dem Jahr 1995. Merkel war Umweltministerin unter Kanzler Helmut Kohl. Sie verfügte eine weitere Erkundung, obwohl die Regierung wegen des Widerstands nicht alle Eigentumsrechte an dem Salzstock erwerben konnte. Merkel befand, dass es sich trotzdem lohnen würde, die Erkundung in jenem Teil weiter zu treiben, der zugänglich war. Für die Opposition ist dies ein Beleg dafür, dass sie auf Biegen und Brechen Gorleben durchsetzen wollte.

Merkel weist Unterstellungen zurück

Merkel weist das zurück. Die Fachabteilungen des Ministeriums hätten zwar eingeräumt, dass die Erkundung des gesamten Gebiets größere Erfolgschancen garantieren würde, aber auch die Erkundung des kleineren Areals sei nicht als aussichtslos dargestellt worden: „Alle Mutmaßungen, Unterstellungen und Verdächtigungen“, es sei nicht nach Recht und Gesetz gehandelt worden, „weise ich für die Bundesregierung und mich persönlich zurück“.

Die Opposition glaubt, einen weiteren Beleg für politische Willkür aufführen zu können. Denn Merkel habe die Ergebnisse einer Studie, die 1995 auch andere potenzielle Standorte auswies, vom Tisch gewischt. In der Studie war Gorleben mit den untersuchten Standorten gar nicht verglichen worden. Dennoch verstieg sich die damalige Umweltministerin zu der Aussage: „Gorleben bleibt erste Wahl“. In einem Interview des SWR sagte sie damals: „Das Wichtigste aus diesem Gutachten ist, dass es keinen Standort in der Bundesrepublik Deutschland gibt, der besser geeignet ist als der derzeitige Standort Gorleben“.

„Damals war ich noch nicht so perfekt wie heute“

Merkel will ihre damaligen Aussagen heute ganz anders verstanden wissen. Sie sei wohl nicht präzise genug gewesen, sagt sie. Die damalige Studie nannte sie einen „Akt der Vorsorge“, falls sich Gorleben als nicht geeignet herausstellen sollte. Ihre Hervorhebung Gorlebens als Favorit habe keineswegs auf dem Gutachten basiert, sondern auf dem allgemeinen Befund, dass man damals in Gorleben schon Erkundungen unternommen hatte, während die im Gutachten aufgeführten Standorte lediglich anhand von „Literaturstudien“ bewertet worden waren. Warum sie sich nicht damals schon so differenziert geäußert habe, wollte die Obfrau der SPD, Ute Vogt wissen. Merkels bissige Antwort: „Weil ich damals noch nicht so perfekt war wie heute“.

Heute sagt Merkel, dass Gorleben nicht alternativlos sei und die Eignung des Salzstockes nicht gewiss. Als Umweltministerin hatte sie Gorleben noch in Interviews den Stempel der Eignung aufgedrückt. Aber das ist 17 Jahre her, als Merkel noch lernte, perfekter zu werden.