Laut verschiedener Nachrichtenagenturen wird sich Angela Merkel bei ihrem Staatsbesuch beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auch mit Vertretern türkischer Oppositionsparteien treffen.

Ankara - Von deutschen Politikern der SPD, der Grünen und der Linksfraktion war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert worden, bei ihrem Besuch in Ankara „klare Kante“ zu zeigen. Noch am Donnerstagmorgen hatte Cem Özdemir (Grüne) in einem Interview verlangt, die Kanzlerin dürfe „unsere Werte nicht an der Palastpforte in Ankara abgeben“ und sollte auch Vertreter der türkischen Opposition treffen. Wenige Stunden später wurde bestätigt, dass Angela Merkel exakt dies tun wird. Laut verschiedener Nachrichtenagenturen wird sich Merkel (CDU) auch mit Vertretern türkischer Oppositionsparteien treffen. Und es ist anzunehmen, dass die Kanzlerin in dieser Sache ihrer eigenen Agenda folgte.

 

Die Gespräche sind nach den Planungen am Donnerstagabend im Anschluss an Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim vorgesehen – eine couragierte Geste der Kanzlerin. Teilnehmen sollen Vertreter der größten Oppositionsgruppe, der Mitte-Links-Partei CHP, sowie der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Elf Parlamentarier der HDP sitzen in Untersuchungshaft. Erdogan hält die HDP für den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die für einen Kurdenstaat kämpft.

Dem kurdischen Oppositionsführer drohen 142 Jahre Haft

Der Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, sowie seine Stellvertreterin, Figen Yükseldag, waren Anfang November verhaftet worden. Am Dienstag hatte ein Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakir der Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Demirtas stattgegeben. Dem Parteichef drohen bis zu 142 Jahre Haft. Demirtas wird unter anderem die Leitung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Es gehe um Handlungen zwischen den Jahren 2012 und 2016, zitierte die Nachrichtenagentur DHA aus der 500 Seiten langen Anklageschrift.

Die Anklageschrift für die Ko-Vorsitzende der Partei, Figen Yükseldag, der bis zu 83 Jahre Haft drohen, sei ebenfalls angenommen worden, meldete DHA. Ihr werden demnach unter anderem Volksverhetzung und ebenfalls Terrorpropaganda vorgeworfen. Die HDP gilt als prokurdische Partei, sie hatte bei den Parlamentswahlen von 2016 aber auch Wähler aus dem linken Spektrum, Liberale, Umweltschützer, moderate Muslime und Aktivisten der Homosexuellen-Bewegung gewinnen können. Sie stieg zur drittstärksten politschen Kraft auf und kam erstmals ins Parlament, wo sie 59 Sitze erhielt.

CHP-Chef hatte den Kanzlerbesuch zuvor kritisiert

Die Republikanische Volkspartei (CHP) war 1923 von Staatsgründer Kemal Atatürk gegründet worden, sie ist die älteste Partei des Landes und derzeit die stärkste Oppositionspartei. Sie gilt als Mitte-Links-Partei und steht für einen säkularen Kurs im Gegensatz zur islamisch-konservativen Regierungspartei AKP von Erdogan. Auch die CHP sieht sich unter Druck von Erdogan, der vergangenes Jahr Strafanzeigen wegen „Beleidigung“ gegen alle CHP-Abgeordneten stellte. Kemal Kilicdaroglu, der CHP-Vorsitzende, hat kürzlich den Besuch von Merkel in der Türkei als „Wahlkampfhilfe“ für Erdogan kritisiert. In wenigen Wochen soll in dem Land über ein Verfassungsreferendum abgestimmt werden.