Nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur hat sich Merkel bei einer Regionalkonferenz der Basis in Baden-Württemberg gestellt. Dort zeigte sich erneut, wie sehr ihre Person auch die eigene Partei spaltet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die CDU ist unter den deutschen Parteien kein Muster an Basisdemokratie. Diese birgt große Risiken. Das hat die Vorsitzende, Dreifachkanzlerin und Vierfachkandidatin Angela Merkel am Montag bei einer Regionalkonferenz in Heidelberg live miterlebt. Kaum hatte sie ihre Rede beendet, meldete sich ein „deutscher Donald Trump“ zu Wort. Das Schlimmste, was der Mann anrichtete, waren jedoch ein paar Schrecksekunden. Ansonsten hatte Merkel von ihm weniger zu befürchten als vom originalen Trump. Er warb dafür, dass alle Christdemokraten Anstecknadeln in den Nationalfarben tragen sollten, machte sich für eine „radikale Umsetzung der CDU-Werte“ stark und wünschte Merkel eine absolute Mehrheit.

 

Das wünschten sich aber nicht alle in der Heidelberger Stadthalle. Einer meldete sich gleich nach dem „deutschen Donald“ und forderte Merkels Rücktritt. Das war kein dahergelaufener Demonstrant. Er gehört der CDU seit 1960 an. Merkel habe mit ihrer „auf der ganzen Welt einmaligen Laissez-faire-Flüchtlingspolitik“ Deutschland eine „Hypothek“ aufgehalst, „die wir so schnell nicht ablösen können“. Dafür erntete er Pfiffe, Buhrufe, ein vielstimmiges „Pfui!“. Der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl, Gastgeber und Moderator, bat darum, ihn ausreden zu lassen. „Das gehört sich so!“ Merkel fügte später hinzu: „Das gehört zur Demokratie.“

„Dann übt mal schön weiter“

Für das unfreundliche Intermezzo wurde sie prompt entschädigt. Als nächstes ergriff ein Mann das Wort, Repräsentant jener Leute, die Merkel „ein tolles Stück Deutschland“ nannte. Der pensionierte Berufsschullehre bringt Flüchtlingen Deutsch bei. Seinen Musterschüler hat er gleich mitgebracht: einen afghanischen Jungen, dessen „größter Wunsch“ sei, die Kanzlerin zu sehen. „Ich danke Ihnen, Frau Merkel“, ruft er ins Mikrofon. Die CDU-Chefin bemüht sich extra von der Bühne herab, um ihm die Hand zu schütteln und für ein Foto zu posieren. Sie würdigt auch sein gutes Deutsch und verabschiedet den kleinen Fan und dessen Vater mit einem Spruch, aus dem ein Maximum an Merkelschem Mitgefühl spricht: „Dann übt mal schön weiter.“

Das Dilemma der Flüchtlingspolitik fasst Merkel mit einem Satz zusammen: „Wir müssen auch ein bisschen hilfsbereit sein, andere müssen versuchen tolerant zu sein.“ Gleichgültigkeit wolle sie selbst sich jedenfalls nicht vorwerfen lassen. Sie habe während des schwierigsten Jahres ihrer Kanzlerschaft „sehr intensiv nachgedacht“. Wie zum Beweis unternimmt sie einen Spaziergang entlang der Krisenschauplätze vor der Haustür Europas. Sie wandert in schwindelerregendem Tempo, die Tour de force führt über Jordanien, den Libanon, Nordafrika und Libyen bis Niger, wo es überall viel zu „ordnen und steuern“ gibt. Das ist das Leitmotiv der Politik Merkels. Sie redet, als stünde sie am Steuerrad der Weltpolitik.

Ihre Bilanz: Es geht uns gut

Nun steht ihr „kein Kuschelwahlkampf“ bevor, wie Strobl sagt. Merkel weiß schon, wie sie das angehen will. Ihr Gegner sind die, die sich anmaßen, für eine schweigende Mehrheit zu sprechen. „Wer das Volk ist, das definieren alle und nicht ein paar“, sagt sie. Ihre Gegner sind auch die deutschen Donald Trumps. Sie wünsche sich keine Töne wie im amerikanischen Wahlkampf.

Von sich selbst redet Merkel überhaupt nicht. Die Sensation einer nochmaligen Kandidatur nach inzwischen schon zwölfjähriger Amtszeit als Kanzlerin kommt nicht zur Sprache. Nur ganz zum Schluss ihrer Rede listet Merkel auf, was sich in dieser Zeit alles verändert habe: Arbeitslosigkeit halbiert, 2,7 Millionen neue Jobs. Ihre Bilanz lautet, „dass es uns gut geht“. Dem fügt sie einen Halbsatz hinzu, den man für einen heimlichen Wunsch halten könnte: „Dafür sollte man ein Stück dankbar sein.“