Die Bundeskanzlerin ist zu Regierungskonsultationen nach Israel gereist. Sie betont die „immerwährende Verantwortung“ dem Land gegenüber – scheut aber auch nicht die Meinungsverschiedenheiten. Sie hält unbeirrt an dem Atomdeal mit Iran fest.

Jerusalem - Wenige Stunden, bevor Angela Merkel (CDU) am Mittwoch in Israel landet, fährt in Khan al-Ahmar, einem Dorf 15 Kilometer von Jerusalem entfernt, eine Polizei-Kolonne vor. Für einen Moment sieht es so aus, als würde heute das Beduinendorf, um das seit vielen Jahren gestritten wird, abgerissen werden. Aber die Kolonne fährt wieder ab, während die Kanzlerin in Israel landet, und mit ihr sieben ihrer Minister, der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein sowie elf Wirtschaftsvertreter. Die Regierungskonsultationen beginnen, es sind die siebten ihrer Art, noch nie war die Delegation so groß. Gerüchte, die noch am Morgen in israelischen Medien die Runde machten, Deutschland habe erwogen, die Reise abzusagen, wenn das Beduinendorf abgerissen werde, werden vehement abgestritten. Nie sei davon die Rede gewesen, sagt Merkel am Donnerstag bei einer Diskussion mit Studenten im Jerusalemer Israel-Museum. Hier gehe es um eine rein israelische Entscheidung. „Wir halten uns da raus.“

 

Merkel lässt sich nicht beirren

Die Diskussion ist der dritte Programmpunkt der Reise. Am Abend zuvor hatte sich Merkel zum Abendessen mit Premierminister Benjamin Netanjahu getroffen, am nächsten Tag besuchte sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, bekam die Ehrenbürgerwürde der Universität Haifa verliehen, traf Unternehmer, aß mit Israels Staatspräsident Reuven Rivlin zu Mittag, schüttelte Hände, hielt Reden, bedankte sich für den Empfang, gratulierte zum 70. Jahrestag der Staatsgründung, lobte die Verbundenheit zwischen den Ländern.

Merkel selbst war es, die vor zehn Jahren die jährlichen Regierungskonsultationen ins Leben gerufen und so dafür gesorgt hat, beide Länder über die Erinnerung an den Holocaust hinaus aneinander zu binden. Ein Vorhaben, das gerade jetzt wichtiger denn je zu sein scheint, denn es gibt - auch darüber wurde geredet - offene Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Jerusalem. Es geht um Siedlungsbau, um die Zwei-Staaten-Lösung, um das Beduinendorf, um Israels neues Nationalstaatsgesetz, vor allem aber geht es um das Atomabkommen mit dem Iran, das die USA aufgekündigt haben. Präsident Rivlin bat Merkel vor dem gemeinsamen Mittagessen, sich neuen Sanktionen gegen den Iran anzuschließen. Das iranische Monster müsse ausgehungert, nicht gefüttert werden, sagte er. Merkel sagte, sie stimme völlig mit Israel überein. Nur über den Weg dahin sei man sich nicht einig. Mit anderen Worten: Deutschland hält weiter an dem internationalen Atomabkommen fest.

Die Kanzlerin wirkt sehr entspannt

Anschließend wies sie sofort wieder auf die Gemeinsamkeiten hin, erinnerte an ihre Rede vor zehn Jahren in der Knesset, in der sie die historische Verantwortung Deutschlands als Staatsräson bezeichnet hatte. Sie betonte auch die „immerwährende Verantwortung“ Deutschlands im Kampf gegen den Antisemitismus. Von Spannungen war nichts zu spüren, nicht einmal mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), den sie auch mitgebracht hatte. Er war kaum zu sehen, man hörte kein einziges Wort von ihm.

Die Kanzlerin dagegen hat man selten so entspannt erlebt wie an diesem Tag. Als der Präsident der Universität Haifa ihr nachträglich zum Tag der deutschen Einheit gratulierte, sagt sie: „Ja, hatten wir.“ Als er vorschlug, mit den Fragen zu beginnen, fiel sie ihm ins Wort: „Deswegen sitzen wir ja hier, los geht‘s.“ Als er sie darauf hinwies, dass 65 Prozent seiner StudentenFrauen sind, fragte sie zurück: „Und wieviel Prozent der Professoren sind Frauen?“

Das Publikum klatschte, der Professor musste zugeben: „Daran müssen wir noch arbeiten.“ Fast eine Stunde lang saß sie auf der Bühne, bis sie weiterzog zum nächsten Termin. Am Ende des Tages stand sie im King-David-Hotel neben ihrem Amtskollegen Netanjahu und betonte noch einmal, es gebe keine gravierenden Differenzen, nur Meinungsverschiedenheiten, aber das sei nichts Neues. „Und im Übrigen telefonieren wir relativ häufig.“ Netanjahu lachte und sagte: „Wir sind eben manchmal anderer Meinung, na und?“