Am Donnerstag berät Merkel mit den Ministerpräsidenten über eine viel engere Kooperation der Ebenen. Sie müssten aber auch Zuständigkeiten abgeben, weil in Berlin über „Bundesausreisezentren“ nachgedacht wird.

Berlin - Im zweiten Anlauf soll es mit der „nationalen Kraftanstrengung“ klappen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber schon oft gefordert hat. Nachdem es bei ihrem vorangegangenen Treffen mit den 16 Länderregierungschefs Anfang Dezember keine Einigung gegeben hat, sollen nun diesen Donnerstag im Kanzleramt Nägel mit Köpfen gemacht werden. Nicht zuletzt der Fall Anis Amri, der als eigentlich Ausreisepflichtiger kurz vor Weihnachten in Berlin einen Terroranschlag verüben konnte, erhöht den Druck auf die Beteiligten, zu Ergebnissen zu kommen. So gelte es, „zusätzliche Verbesserungen in der Rückkehrpolitik zu erreichen“, heißt es im Beschlussvorschlag aus dem Kanzleramt, der dieser Zeitung vorliegt: „Dies gilt gerade mit Blick auf solche Ausreisepflichtigen, von denen Sicherheitsgefahren ausgehen können.“ In trockenen Tüchern sind die geplanten Beschlüsse dem Vernehmen nach aber noch nicht.

 

Der Bund kündigt als seinen Beitrag unter anderem an, „zeitnah“ ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht auf den Weg zu bringen. Merkel hatte am Montagabend in einem Koalitionsspitzentreffen zusammen mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem Noch-SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel den entsprechenden Zehnpunkteplan abgesegnet, der von Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas vorgelegt worden war. So soll nun die Abschiebehaft für jene Ausreisepflichtigen erweitert werden, von denen „eine erhebliche Gefahr“ ausgeht. Sogenannte Gefährder sollen zudem leichter überwacht werden können. Für abgelehnte Asylbewerber, die durch Täuschung ihre Abschiebung verhindert haben, soll es künftig eine „räumliche Beschränkung“ geben – generell soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ermächtigt werden, bei fehlenden Papieren auch Handydaten der Betroffenen auszuwerten.

Die Erwähnung dieses reinen Bundesgesetzes im Beschlussvorschlag für die Ministerpräsidenten dient dem Zweck, schon vorab eine Bundesratsmehrheit dafür zu sichern. Die Verbesserung der Kooperation von Bund und Ländern, die bei der nun sogenannten Rückkehrpolitik jeweils eigene Kompetenzen haben, steht jedoch im Mittelpunkt des Treffens am Donnerstag.

Ein Rädchen soll ins andere greifen

So soll etwa die freiwillige, finanziell unterstützte Rückkehr dadurch gefördert werden, dass die Länder in ihren Erstaufnahmeeinrichtungen eine entsprechende Beratung gewährleisten. Die Bundesebene ermuntert über das Bamf dann „nochmals“ jene Antragsteller mit einer von vornherein geringen Bleibeperspektive.

Die Vorlage sieht auch vor, Verantwortliche klar zu benennen, um die Bemühungen abzustimmen. „In jedem Land und im Bund gibt es einen festen Ansprechpartner für alle mit dem Bereich Rückkehr/Rückführung zusammenhängenden Fragen.“ Im Umkehrschluss wird damit bisher kaum koordiniert – angesichts der steigenden Zahl bearbeiteter und abgelehnter Asylanträge ein problematischer Zustand.

Sichtbarstes Zeichen dafür, dass künftig ein Rädchen ins andere greifen soll, wird nach Vorstellung des Bunds ein gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr sein, das innerhalb von drei Monaten im Bundesinnenministerium mit entsandten Mitarbeitern aller Landesregierungen eingerichtet werden soll. Anfang Dezember war als Starttermin der 1. Februar angepeilt worden. Sollten sich die Kanzlerin und die 16 Länderregierungschefs diesmal einig werden, würde das Zentrum Fälle wie jenen von Amri übernehmen, wo die lokale Ausländerbehörde im nordrhein-westfälischen Kleve lange keine Passersatzunterlagen aus Amris Heimatland Tunesien bekam: „Es steht in ständigem Kontakt mit den Botschaften der Herkunftsländer und beschafft in allen Problemfällen die nötigen Dokumente für Personen, die Deutschland wieder verlassen müssen.“

Damit Abschiebungen leichter durchführbar werden, schlägt das Kanzleramt vor, Flüchtlinge ohne Aussicht auf dauerhaften Aufenthalt in Deutschland gar nicht erst über das Land zu verteilen und möglichst wenig zu integrieren. „Wer keine Bleibeperspektive hat, sollte möglichst nicht dezentral in Kommunen untergebracht werden“, heißt es in dem Textentwurf, diese Personen sollten „möglichst aus der Erstaufnahmeeinrichtung zurückgeführt werden“. Unter anderem an diesem Punkt waren die Gespräche im Dezember gescheitert, weil mehrere SPD- und grün regierte Länder sich weigerten, zentrale Abschiebeeinrichtungen zu unterhalten.

Bund bietet Ländern Entlastung an

Auch der neue Beschlussvorschlag greift dies wieder auf. „Die Länder stellen eine ausreichende Zahl von Abschiebungshaftplätzen in räumlicher Nähe von zentralen Ausreiseeinrichtungen oder in anderen Abschiebungshafteinrichtungen bereit“, heißt es darin. Im Gegenzug bietet der Bund den Ländern eine Entlastung an, für die sie jedoch ihre alleinige Zuständigkeit opfern müssten. „Der Bund prüft, ob und inwieweit er eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung übernehmen kann“, heißt es im Entwurf. „Einen Mehrwert könnten insbesondere Bundesausreisezentren schaffen, die den Ländern eine Verantwortungsübergabe für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts von Ausreisepflichtigen ermöglicht.“ Innenminister de Maizière hatte Anfang Januar vorgeschlagen, dass solche Bundeszentren „vorzugsweise in der Nähe deutscher Verkehrsflughäfen errichtet werden“. Nun hat sich Kanzlerin Merkel diesen Vorschlag zu eigen gemacht, um damit die Länderregierungen zu ködern.