Angela Merkel besichtigt ihre Baustellen: Mag der Euro weiter vor sich hinkriseln, die Energiewende wackeln, der Koalitionspartner dito – die Bundeskanzlerin gibt sich unerschütterlich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die CSU rüstet sich für die Zeit nach Seehofer. Die FDP ist noch unentschlossen, wann die Zeit nach Rösler beginnen sollte. Sicher ist nur: Sie wird wohl vor der Wahl beginnen. Und die SPD schiebt die Entscheidung vor sich her, welchem Spitzengenossen zuzutrauen wäre, die Zeit nach Angela Merkel einzuläuten. Merkel selbst lässt sich von alldem nicht aus der Ruhe bringen. Mag der Euro weiter vor sich hinkriseln, die Energiewende wackeln, der Koalitionspartner dito – die Kanzlerin gibt sich unerschütterlich.

 

In dieser Rolle war sie am Montag vor der versammelten Bundespresse zu besichtigen, eine Stunde und 37 Minuten lang. Die sommerliche Zwischenbilanz der Regierungsgeschäfte zählt zu den Ritualen der Berliner Politik. Vor den Parlamentsferien war die Lage zu unsicher für einen selbstgewissen Auftritt. Das Euro-Urteil des Verfassungsgerichtes hing wie ein Damoklesschwert über Merkels Haupt. Inzwischen darf sich die Kanzlerin höchstrichterlich bestätigt fühlen. Die Umfragewerte ihrer Partei bewegen sich auf einem Niveau, das seit Jahren nicht mehr erreicht wurde. Das Zutrauen der Bürger in Merkels Regierungskunst ist größer denn je. Die Konkurrenz schwächelt. Es gebe „viele Probleme noch zu lösen“, sagt die Kanzlerin. Doch aus ihrer Warte gibt es keinen Grund, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl nervös zu werden.

Der Unterhaltungswert ihres Auftritts hält sich in Grenzen

Für gewöhnlich dient die blaue Wand, vor der Merkel bei ihrer Pressekonferenz Platz nimmt, als Kulisse für die Verkündung von Neuigkeiten. Davon hat die Kanzlerin aber wenig zu bieten. Auch der Unterhaltungswert ihres Auftritt hält sich in engen Grenzen. Es gibt nur eine Botschaft, die sie dem Publikum mitbringt: Ich habe alles im Griff. Keine einzige der Fragen zu einem großen Potpourri von Themen, die zwischen Karthum und der eigenen Koalition anzusiedeln sind, bringt sie aus dem Konzept. Gelegentlich muss sie einen Blick auf die mitgebrachten Spickzettel werfen. Aber sie verheddert sich auch nicht im Kleingedruckten. Sie buchstabiert sämtliche Probleme und Lösungsansätze, als könnte sie das alles auch im Schlaf herunterbeten. Merkel vermittelt den Eindruck, dass in ihrem Kabinett nur eine unentbehrlich ist: die Chefin selbst.

Es gelingt nicht, sie aufs Glatteis zu führen. Bevor sie effektvolle Pirouetten riskieren würde, nimmt sie in Kauf, das Publikum mit Phrasen zu langweilen, die aus ihren Regierungserklärungen und Statements ohnehin schon sattsam bekannt sind. Das gilt vor allem für das Thema Euro-Krise, bei dem alle ihre Äußerungen börsenrelevant sind. Ihr Tenor ist verbindlich, der Unterton klingt vielleicht unerbittlicher als Merkel sich tatsächlich verhält. Den Griechen sichert sie Verständnis zu für die Schwierigkeiten, alle Vorgaben termingerecht zu erfüllen, sagt aber auch: „Ich glaube nicht, dass es hilft, wenn man sich gegen Maßnahmen stellt, die sowieso gemacht werden müssen.“ Und für alle, welche die wirtschaftliche Übermacht Deutschlands in Europa für die Krise mit verantwortlich machen, hat sie klare Auskünfte parat: „Ohne den deutschen Exportmotor würde es um die Europäische Union noch schlechter stehen.“ Deutschland sei der „Stabilitätsanker“ Europas, betont Merkel. „Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, was in uns steckt.“ Das hört sich dann schon so an, als würde sie es für sich ganz persönlich reklamieren.

„Herr Rösler ist gerne Vizekanzler“

Die Kanzlerin lässt jedenfalls nicht das Gefühl aufkommen, als sei ihr vor irgendetwas bange, schon gar nicht vor der Wahl im Herbst kommenden Jahres – oder gar vor der sozialdemokratischen Konkurrenz. Für sie sei „Angst nie ein politischer Ratgeber“, sagt Merkel. Sie denke nicht die ganze Zeit darüber nach, wer aus der Troika ihr irgendwann als Herausforderer entgegen treten werde, sie sei „auch so voll beschäftigt“. So klingt Ironie à la Merkel.

Ihre eigene Politik hat die Kanzlerin oft für „alternativlos“ erklärt. Sie lässt sich allerdings nicht dazu verleiten, dieses Etikett dem einst als „Wunschkoalition“ gefeierten Bündnis mit der FDP anzuheften – und will andererseits auch nicht über großkoalitionäre Fantasien reden. Die Gemeinsamkeiten zwischen der Union und der FDP seien „im politischen Spektrum die größten“, betont Merkel. Deshalb würde sie „gerne ein solches Bündnis fortführen“. Über eine Neuauflage der Großen Koalition sagt sie: „Ausschließen kann man so etwas nicht.“ Sie werde aber „nicht darauf hinarbeiten“. Nibelungentreue klingt anders, mehr an Spekulation ist der Kanzlerin aber nicht zu entlocken. Auch ihr Urteil über das zerstrittene Bündnis, mit dem sie seit drei Jahren regiert, fällt sehr einsilbig aus. „Zensuren vergebe ich nicht“, sagt Merkel barsch. Sie spricht von „Problemen, die wir vorgefunden haben“, und „sehr vielen Erfolgen“, ohne konkreter zu werden. Der Unterschied zur ersten Regierung Merkel wird knapp beschrieben: „In einer Großen Koalition gibt es immer eine Partei, die die nächsten Jahre den Kanzler stellen will.“ Soll heißen: die Konkurrenz ist größer. In der Zusammenarbeit mit der FDP sind die Verhältnisse aus Merkels Sicht klarer geordnet: „Herr Rösler“, sagt sie, „ist gerne Vizekanzler.“