Merz’ Einheitsrede Geeigneter Kronzeuge für den Kanzler?
In seiner Rede zum Einheitstag zitierte Friedrich Merz den Philosophen Ernest Renan. Von ihm gibt es antisemitische und rassistische Äußerungen. Wusste der Regierungschef das?
In seiner Rede zum Einheitstag zitierte Friedrich Merz den Philosophen Ernest Renan. Von ihm gibt es antisemitische und rassistische Äußerungen. Wusste der Regierungschef das?
Es war eine wichtige Rede für Friedrich Merz, und sie kam gut an. Nicht herausragend, aber sehr solide – so wurden die Ausführungen des Kanzlers am Tag der Deutschen Einheit in Saarbrücken gewertet. Im Beisein des französischen Präsidenten Macron zitierte er unter anderem den französischen Philosophen und Historiker Ernest Renan, der die Nation vor 150 Jahren ein „tägliches Plebiszit“ genannt habe. Gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen: das, so Merz sinngemäß, schweiße in der Tat zusammen.
Ernest Renan? Bekannt wurde der von 1823 bis 1892 Lebende vor allem durch seine Definition der Nation. Aber es gibt auch andere Äußerungen von ihm, die als antisemitisch und rassistisch verstanden wurden. Da ging es etwa um höhere und niedere Rassen oder um das Judentum als bloße Vorstufe des Christentums. Solle der Kanzler auf so jemanden wirklich Bezug nehmen? Das fragte nicht nur ein aufmerksamer Bürger aus Karlsruhe, sondern öffentlich auch der Publizist Georg Diez: Merz’ Vision eines „neuen Wir“ kranke auch daran, dass er einen „Antisemiten, Kolonialisten, Islamhasser und Nationalisten“ zitiere.
War dem Kanzler und seinen Redenschreibern bewusst, auf wen sie sich da beriefen? Und wird Renan auch in künftigen Reden vorkommen? An seiner Ablehnung von jedwedem Antisemitismus hat Merz ja nie einen Zweifel gelassen. Dreimal fragte unsere Zeitung dazu bei der Bundesregierung an, doch eine offizielle Auskunft gab es nicht. In der Einheitsrede sei es nur um den einen, berühmt gewordenen Gedanken zur Nation gegangen, hieß es schließlich. Die Nation als Willensgemeinschaft, für die sich die Bürger täglich neu entscheiden müssten – das habe der Kanzler herausstreichen wollen. Ausgewählt worden sei das Zitat zudem mit Blick auf den Gast Macron.