Spiele auf dem TV-Bildschirm waren gestern, auf der Spielemesse „E3“ in Los Angeles präsentieren Nintendo und Sony mobile Controller mit Touchscreen. Jeder Spieler hat seine eigene Perspektive auf das Geschehen – eine gute Basis für spaßige Spielkonzepte.

Los Angeles - Den Spielen wird es auf dem Bildschirm zu eng. Nach dem Wohnzimmer erobern sie nun auch den Rest der Wohnung; die Eingabegeräte werden selbst zu Bildschirmen, auf denen man die Inhalte überallhin mitnehmen kann, mobile Plattformen machen sie mehr und mehr zum Bestandteil der Alltagswelt.

 

Das ist einer der großen Trends der Messe E3, die am Donnerstag in Los Angeles zu Ende ging. Nintendo führte erstmals umfassend seine schon länger angekündigte neue Konsole Wii U vor, allerdings ohne einen Erscheinungstermin oder einen Preis zu nennen. Der Controller zur Steuerung der Wii-U-Spiele verfügt über einen 6,2 Zoll großen Touchscreen. Die Spieldesigner-Ikone Shigeru Miyamoto zeigte höchstpersönlich, dass sich Wii-U-Spiele wie „Pikmin 3“ nicht nur innovativ steuern, sondern kurzerhand auch in jedes Zimmer mitnehmen und dabei weiterspielen lassen. Ein Spieler mit Wii-U-Pad hat zudem eine andere Perspektive auf das Geschehen als seine Mitspieler. Das ermöglicht clevere und spaßige Spielkonzepte, die der neuen Plattform zum Erfolg verhelfen könnten.

Der Konkurrent Sony hatte seine kürzlich erschienene Mobilkonsole Playstation Vita im Gepäck, die – heute fast schon selbstverständlich – über einen Internetzugang verfügt und unterwegs eigenständig nach Freunden und anderen Spielern in der näheren Umgebung sucht. Die Vita setzt zudem auf die Verbindung zur „großen“ Playstation 3, deren Grenzen sie erweitern soll. So soll die als „Cross Controller“ eingesetzte mobile Plattform die kreativen Möglichkeiten von Spielen wie „Little Big Planet 2“ vergrößern, in dem Spieler ihre eigenen virtuellen Welten erschaffen.

Konkurrenz durch billige Handyspiele

Und der Xbox-Hersteller Microsoft kündigte noch für dieses Jahr eine wahrscheinlich kostenlose App namens SmartGlass an, mit der sich Spiel- und Entertainment-Inhalte vom TV-Bildschirm auf Windows-8-Computer oder Windows-Handys übertragen lassen. Einige Firmen zeigten auf der Messe bereits erste Spiele, die sich mit einem Tablet-PC steuern lassen, der zudem Zusatzinformationen liefert und taktische Spielräume erweitert. Fotografieren durfte man die Prototypen noch nicht.

Selbstverständlich kann man mit der aktuellen Hardware von Nintendo, Sony und Microsoft auch via Twitter und Facebook kommunizieren, Filme und Musik übertragen und Youtube-Videos anschauen. „Wenn ich mit meinen Töchtern – beide im Teenager-Alter – vor dem Fernseher sitze, dann schauen sie dabei ständig auf ihre Handys, twittern mit ihren Freunden oder laden Bilder hoch“, erzählte der Chef der Microsoft Game Studios, Phil Spencer. Diese Vielfalt der Kommunikationswege werde weiter an Bedeutung gewinnen.

Ganz freiwillig ist der Sprung von der hochauflösenden Mattscheibe auf die mobilen Geräte nicht. Die Hersteller reagieren damit nicht zuletzt auf die Herausforderungen des Internets sowie die Konkurrenz durch billige Handyspiele. Den Konzernen ist bewusst, dass sie sich allein mit Spielen auf dem immer härter werdenden Markt dauerhaft nicht werden behaupten können. Sie drängen daher mit Macht ins Zusatzgeschäft mit anderen digitalen Unterhaltungsformen wie Musik, Filmen oder Sportübertragungen.

Wie gewinnt man neue Gamer, ohne die alten zu vergraulen?

Unsicherheit herrscht in der Branche indes darüber, welche Zielgruppen man eigentlich anpeilen will. Die Zeiten, in denen man sich überwiegend an Kinder und ein jugendliches Publikum gewandt hat, sind jedenfalls längst vorbei. Die großen Blockbuster, das sind heute fast ausnahmslos mehrteilige Videospiel-Epen, die auf Generationen von Spielern bauen, die mit dem Medium aufgewachsen sind. Gleichzeitig müssen die Hersteller den Spagat schaffen, passionierte Computerspieler zufriedenzustellen, die jeden Winkel der vielfältig verzweigten Handlungsstränge kennen, und gleichzeitig genügend Hintertüren für die Erweiterung der Fangemeinde offen lassen. Schließlich kann es sich niemand leisten, mehrere zehn Millionen Dollar in die Entwicklung eines Spiels zu investieren, das nur den Erwartungen der begrenzten Gruppe der anspruchsvollen Intensivspieler genügt.

In Los Angeles war in diesem Jahr deshalb viel von Zugänglichkeit die Rede. Der Videospielvisionär Warren Spector demonstrierte mit „Mickey Epic – die Macht der 2“, einer Verbeugung vor dem Werk des legendären Konzerngründers Walt Disney, wie man Jung und Alt, Viel- und Gelegenheitsspieler unter einen Hut bekommt. „Ich will den Spieler nicht zwingen, eine bestimmte Aktion auszuführen, um ein Rätsel zu lösen“, sagte der eloquente Designer. „Ich will, dass er die Wahl hat, dass er unterschiedliche Wege ausprobiert und einfach schaut, was dann passiert. Ich will jedem Spieler die Möglichkeit geben, das Spiel auf ganz individuelle Weise zu erleben.“

Zugänglichkeit heißt aber auch, dass Spiele und Zusatzinhalte jederzeit über Online-Dienste wie Xbox Live heruntergeladen werden können. Mit Familienspielen, Tanz- und Fitnesstiteln, aber auch mit kleinen kreativen Low-Budget-Produktionen wie der Klötzchenwelt-Simulation „Minecraft“ (Xbox Live) oder dem fantasievollen Kunstspiel „The Unfinished Swan“ (PSN) sollen auch Spieler jenseits der klassischen Klientel angesprochen werden.

Filmreife Plots und kunstvolle Spielwelten

Doch die E3 ist auch die Messe der großen Blockbuster. Viele Spiele sind heute von einer erzählerischen Raffinesse und technischen Brillanz, wie man es sich noch vor einigen Jahren kaum hat vorstellen können. Galten Kinofilme früher als das große Vorbild der Computerspiele, so begegnet man dem um die Ecke gelegenen Hollywood mittlerweile auf Augenhöhe. Das zeigen Titel wie Microsofts „Halo 4“. Der vierte Teil der großen Weltraumoper entwirft eine fremde Welt von bizarrer, fast beängstigender Schönheit und ist technisch derzeit das Maß aller Dinge.

Ob „Halo 4“, der Zeitreisethriller „Assassin’s Creed 3“ (Hersteller: Ubisoft), „Tomb Raider“ (Square Enix), das neue Abenteuer der unverwüstlichen Superheldin Lara Croft oder brachiale Cyberthriller wie „Watch Dogs“ (Ubisoft) und „Dishonored“ (Bethesda) – sie alle warten mit filmreifen Plots, eindrucksvollen Landschaften und kunstvoll gestalteten Spielwelten auf. Bestanden diese Welten früher fast ausschließlich aus Gängen und geschlossenen Räumen, können die Entwickler heute aus dem Vollen schöpfen. So kann man weitläufige, äußerst lebensecht dargestellte Landschaften mit üppiger Flora und Fauna durchstreifen, die sich im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten verändern. Die Spiele erweitern ihre Grenzen, auch innerhalb des Bildschirms.

Die „E3“, die weltgrößte Messe für Computerspiele

Anfänge:
Die Electronic Entertainment Expo, die kurz „E3“ genannt wird, findet seit 1995 jedes Jahr im Los Angeles Conference Center statt. Neben der Tokyo Games Show und der Kölner Gamescom gilt sie als wichtigste Messe der Computer- und Videospielindustrie.

Veranstalter
: Veranstalter ist der US-Branchenverband Entertainment Software Association mit Sitz in Washington. Zog die „E3“ bis 2006 regelmäßig rund 60.000 Besucher an, wurde die Ausrichtung in den beiden Folgejahren radikal verändert und die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Neustart:
Nach massiver Kritik kehrte man zum ursprünglichen Konzept und beinahe auch zu alter Größe zurück. Im vergangenen Jahr kamen 46.000 Besucher, fast 200 Aussteller zeigten ihre Neuheiten. Vergleichbare Zahlen werden auch für dieses Jahr erwartet.