Zur ausgebuchten Leitmesse in Berlin werden mehr als 130 000 Besucher erwartet. Trotz eines Auftragsrekords gibt es Stellenabbau und einige Sorgen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Am Dienstag beginnt in Berlin die Innotrans. Zur weltgrößten Leitmesse für Verkehrstechnik werden in vier Tagen mehr als 130 000 Fachbesucher in den ausgebuchten Messehallen unterm Funkturm kommen. Der wichtigste Branchentreff wird von EU-Verkehrskommissarin Violetta Bulc und Verkehrsminister Alexander Dobrindt eröffnet. Mehr als 2900 Aussteller aus 55 Ländern sind vertreten und hoffen, dass die Innotrans einen weiteren Auftragsschub bringt.

 

Dafür sollen viele neue Entwicklungen sorgen. Zum Beispiel ein Kollisionswarnsystem für Straßenbahnen, das Bosch in Berlin vorstellt. Per Radar- und Videosensor wird der Tramfahrer vor Hindernissen gewarnt. Auch die weltweit führenden Zughersteller Europas, die alle mit großen Werken in Deutschland entwickeln und produzieren, glänzen mit Innovationen.

Zum Beispiel Stadler. Die Schweizer präsentieren ihren neuen Hochgeschwindigkeitszug mit stufenfreiem Einstieg, Multifunktions- und Radabteilen. Die Schweizer Bundesbahnen haben bereits 29 Stück bestellt. Der kanadische Bombardier-Konzern zeigt die dritte, noch energiesparendere Generation seines Regionalzugs Talent und die neue Metro Movia Maxx.

Das umweltschonende Elektromobil auf der Schiene

Die französische Alstom, Produzent des Schnellzugs TGV, setzt ebenso auf den Megatrend Klimaschutz und will einen emissionsfreien Regionalzug vorstellen, der mit Brennstoffzellen angetrieben wird und viel effizienter und leiser sein soll als bisherige Dieselloks. Der Zug soll komplett mit Wartung und den nötigen Wasserstoff-Tankstellen angeboten werden.

Auch der neue Regional- und Pendlerzug Mireo von Siemens soll die gestiegenen Anforderungen an Leistung, Komfort, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz erfüllen. Der Energieverbrauch soll durch Leichtbauweise und stromsparende Komponenten um ein Viertel niedriger sein. Zudem lasse sich der Zug später zu 95 Prozent recyceln, versprechen die Münchner.

Der Schienenverkehr ist die umweltschonendste Form des motorisierten Verkehrs, hier liegt die Zukunft der nachhaltigen Mobilität – diese politische Botschaft steht weit vorne auf der Innotrans. Denn während wachsender Autoverkehr mit seinen giftigen Abgasen das Klima extrem stark belastet und Elektro- oder Hybridfahrzeuge trotz hoher staatlicher Förderung einen geringen Anteil haben, ist das umweltschonende Elektromobil auf der Schiene längst Standard. 42 Prozent des Bahnstroms in Deutschland stammen bereits aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft.

Mehr Klimaschutz mit Schienenverkehr

Nach einer Studie des Verbands der Bahnindustrie, der Allianz pro Schiene und des Verbands der Verkehrsunternehmen liegt ein mit Ökostrom betriebener Zug im Vergleich der Verkehrsträger bei Luftreinhaltung und Energieverbrauch weit vor Pkw, Lkw, Flugzeug sowie Binnenschiff und schneidet beim Schadstoffausstoß auch deutlich besser ab als Fernbusse. Für mehr Klimaschutz mit Schienenverkehr will auch Umweltministerin Barbara Hendricks bei ihrem Besuch auf der Innotrans werben.

Daneben ist die Automatisierung, Digitalisierung und Vernetzung im Schienenverkehr ein Schwerpunkt der Messe, Stichwort „Mobilität 4.0“. Reisen auf der Schiene soll mit digitalen Helfern wie dem Smartphone viel einfacher und bequemer werden, zum Beispiel Ticketkauf und die Suche nach Fahrplaninfos. So verspricht die Deutsche Bahn, dass es bis Ende 2016 kostenfreies Wlan in allen ICE auch in der 2. Klasse geben wird, dafür müssen die Anlagen entlang der Strecken und in den Zügen teuer aufgerüstet werden.

Für die Digital-Offensive spendiert der Bund der Branche Forschungsförderung von 175 Millionen Euro, mit der die Entwicklung von Innovationen unterstützt wird. Auch die Deutsche Bahn macht mit und entwickelt derzeit bei der Südostbayernbahn in Mühldorf am Inn einen „Innovationszug“, bei dem zum Beispiel digitale Fensterscheiben erprobt werden, die den Fahrgästen während der Fahrt Informationen zu den Sehenswürdigkeiten anzeigen oder sogar ganze virtuelle Welten bei Tunnelfahrten.

Die Konkurrenz aus Asien wächst

Noch ist das Zukunftsmusik und viele Zughersteller plagen Alltagssorgen, vor allem Preisdruck und wachsende Konkurrenz aus Asien. In China ist mit CRRC aus der Fusion von CNR und CSR der größte Anbieter weltweit entstanden, der Europas etablierten Konzernen beim Bau ganzer Bahnsysteme die Stirn bietet. Die Chinesen gewinnen mit staatlicher Projektfinanzierung weltweit immer mehr Aufträge, auch die Deutsche Bahn schließt künftige Bestellungen im Reich der Mitte nicht aus.

Das hören bisherige Hauslieferanten wie Siemens und der dortige Spartenchef Jochen Eickholt natürlich nicht gern. Mit dem neuen ICE 4, der jetzt vorgestellt wurde, hat der in den letzten Jahren wiederholt durch Qualitäts- und Lieferprobleme aufgefallene Hersteller aber einen Großauftrag in den Büchern, der auf Jahre hinaus die Beschäftigung im Werk Krefeld sichert, ebenso viele Stellen beim Unterlieferanten Bombardier im Stammwerk Hennigsdorf (Brandenburg).

Trotzdem will Laurent Troger, Chef von Bombardier Transportation mit Sitz in Berlin, bis Jahresende mehr als 1400 der noch 9900 Arbeitsplätze in den deutschen Werken streichen, weltweit sollen gar 3200 Jobs im Zuggeschäft wegfallen. Auch bei Alstom gibt es Unruhe, in Frankreich soll ein TGV-Werk dicht gemacht werden. Hinter den Kulissen ist daher die Stimmung auf der Innotrans getrübt.