Hohe Zimmerkosten, schlechte Erreichbarkeit, kein wirksamer Nahverkehr: Die Fachmesse Outdoor hat dem Standort Friedrichshafen schon den Rücken gekehrt. Die Eurobike könnte bald folgen. Längst zeigen sich erste Auflösungserscheinungen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Friedrichshafen - Instinktsichere Messemacher erfinden eine völlig neue Ausstellung, ziehen sie zum Nutzen einer ganzen internationalen Branche über zwei Jahrzehnte hinweg hoch, doch als die Wachstumsmöglichkeiten ausgereizt sind, sucht sich diese Branche einfach eine größere Heimat. So könnte das Aus für die Fachmesse „Outdoor“ erklärt werden, die ihrem Geburtsort Friedrichshafen nach 25 Jahren den Rücken kehrt und künftig in München die Zelte aufschlägt.

 

Aber so einfach ist es nicht. Eine große Zahl von Outdoor-Ausstellern, vereinigt im Verband European Outdoor Group, wollte mit Mehrheitsbeschluss vom Februar nicht weg von der Friedrichshafener Messe, weil es an Platz oder konzeptionellen Ideen fehlte, sondern wegen der täglichen Qualen bei der An- und Abreise. Antje von Dewitz, Chefin des Tettnanger Bergsportausstatters Vaude, deren Vater Albrecht einst ein maßgeblicher Geburtshelfer der Outdoor gewesen ist, sagte im SWR, viele Kollegen klagten über die mangelnde Infrastruktur und eine Hotellerie, die ordentlich hinlangt. „Ein wesentliches Thema ist, dass zum Teil die Hotelkosten in München billiger sind als hier im Bodenseekreis.“ In München sei es zudem „einfacher, auf die Messe zu kommen, mit weniger Staus und Verkehrshindernissen“. Auch die „internationale Anbindung“ in der bayerischen Hauptstadt sei besser.

Die Klagen der Outdoor-Aussteller lassen sich übertragen

Der Schrecken der Messemacher angesichts des Umzugs, der vom Outdoor-Verband bis heute nicht öffentlich begründet wurde, ist auch während der jetzt zu Ende gegangenen Eurobike, der größten und wichtigsten Fahrradmesse der Welt, spürbar gewesen. Im Prinzip lassen sich alle Klagen der Bergsportleute auf die Fahrradaussteller und deren Handelspartner übertragen. Bis nach Zürich oder ins oberschwäbische Bad Saulgau weichen Beschicker und Besucher aus, zahlen oft ein Mehrfaches der sonst üblichen Zimmerpreise und sitzen dafür täglich bis zu drei Stunden im Auto. Die Messegesellschaft finanziert mittlerweile aus dem eigenen Budget Shuttlebusse. Doch bei 1400 Ausstellern und 37 000 Fachbesuchern, wie sie in der zurückliegenden Woche gezählt wurden, ist das nicht viel mehr als Kosmetik.

Die Erosion unter den großen Ausstellern der Eurobike ist augenfällig. Giant, der weltgrößte Fahrradhersteller, nimmt nicht mehr teil, seit 2017 fehlen auch die Marken Trek, Radon, Bulls, GT und Cannondale. In diesem Jahr haben sich zudem die deutschen Hersteller Stevens und Storck verabschiedet. Bei Storck hieß es, die Abschaffung der Publikumstage sei nicht akzeptabel. Die Messe versucht, die 27 Jahre alte Eurobike durch Konzeptänderungen zu stabilisieren. Erstmals fand die Schau sechs Wochen früher als sonst statt. Die Publikumstage wurden gestrichen. Doch schon 2019 soll die Rolle rückwärts folgen, dann rückt die Fahrradschau auf die erste Augustwoche – wieder an vier Tagen, einer davon auch für Konsumenten. „Der frühe Termin und die Neuausrichtung hin zur reinen Fachmesse ohne Endverbraucher stießen im ZIV bekanntlich nur auf verhaltene Zustimmung“, bilanzierte am Mittwoch Siegfried Neuberger, der Geschäftsführer des Zweirad Industrie Verbands (ZIV). Die Mitglieder würden die Rückkehr „zum bewährten Konzept“ begrüßen.

Hektische Korrekturen am Ausstellerkonzept

Grundsatzdebatten über das Ausstellungskonzept und ein vielfach provinzielles Hotellerie-Umfeld – das ist eine gefährliche Mischung für die Messe Friedrichshafen. Doch gegen regionale Zimmervermieter, die den Messemarkt so stark wie möglich abschöpfen wollen – gegenüber normalen Zeiten kosten Hotelzimmer mitunter das Fünffache –, lässt sich offenbar nichts tun. Der parteilose Friedrichshafener Oberbürgermeister Andreas Brand sagt auf Nachfrage: „Auf die Preisgestaltung der Hotels und Pensionen haben wir keinen direkten Einfluss, sind aber mit den Gastgebern immer wieder im Gespräch, sowohl vonseiten der Stadt als auch vonseiten der Messe.“ Brand ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Messegesellschaft, die Stadt mit 50 Prozent der Anteile am Stammkapital größter Gesellschafter.

Die Eurobike ist der stärkste Umsatzbringer

Fragen, was ein Abgang des Wirtschaftsrückgrats Eurobike für die Messegesellschaft und die Stadt bedeuten würde, bleiben auf breiter Front unbeantwortet. Bei einer Bilanzpressekonferenz Ende Juni prognostizierte der Messe-Geschäftsführer Klaus Wellmann einen Umsatz von 35 Millionen Euro bis Ende 2018 – analog zu 2017. Doch da sind die Outdoor-Umsätze ein letztes Mal mit drin. Die Messe braucht noch viele Gewinne, um die Schulden aus zurückliegenden Hallenerweiterungen von derzeit noch rund 40 Millionen Euro abzubauen. Der OB Brand teilt nur allgemein mit, er hoffe auf eine „sich entwickelnde und sich auch immer wieder neu erfindende Messe“. Der Messe-Sprecher Wolfgang Köhle möchte über den aktuellen Abschlussbericht zur Eurobike hinaus keine grundsätzlichen Fragen beantworten. Der Sprecher des Fahrradverbands ZIV teilt zur Standortfrage der Eurobike knapp mit, dem Verband sei es „leider nicht möglich, zu diesem Thema Stellung zu nehmen“.

Ein Standortbekenntnis klingt anders.