Die 17-jährige Erntehelferin, die im Juni bei Aspach attackiert wurde, hat den Angeklagten als Angreifer identifiziert. Das mögliche Motiv und der Geisteszustand des Angeklagten geben weiter Rätsel auf.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Aspach/Stuttgart - Der Mann auf der Anklagebank versteht nach wie vor nicht, was um ihn herum vor sich geht. „Wann darf ich nach Hause?“, lässt er über den Dolmetscher fragen. Bis auf Weiteres darf er das jedoch gar nicht: Er soll im vergangenen Juni in Allmersbach am Weinberg, einem Aspacher Ortsteil, eine 17-Jährige attackiert und mit einem Messer verletzt haben. Was der Anlass für den mutmaßlichen Angriff gewesen sein könnte, ist unklar – ebenso, wie alt der Angeklagte überhaupt ist und wie schwer seine geistigen Defizite sind. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft will den Mann deshalb in einer Psychiatrie unterbringen lassen.

 

Was sich am Abend des 20. Juni auf einem Feldweg bei Aspach zugetragen hat, verfolgt das Opfer noch heute. Die 17-Jährige aus Polen war damals als Erntehelferin in der Gegend untergebracht. Die junge, sehr zierliche Frau erzählte, kurz vor 23 Uhr habe sie einen Abendspaziergang über einen nahen Feldweg gemacht und telefoniert. „Bald habe ich gemerkt, dass jemand hinter mir ist“, sagte sie.

Noch heute hat das Opfer mit den Folgen der Attacke zu kämpfen

„Entschuldigung, wo ist Bushaltestelle“, soll der Mann in gebrochenem Deutsch gefragt haben. Darauf beharrt die junge Frau, die selbst kaum Deutsch kann, auch dann, als der Verteidiger mit Blick auf seinen Mandanten, der bislang kaum mehr als Stöhngeräusche von sich gegeben hat, mehrmals nachfragt.

Anfangs habe er ruhig gewirkt – „dann sah ich, dass er ein Messer in der Hand hielt, dessen Klinge auf mich gerichtet war“, erzählte die Schülerin. Als der Mann Schnittbewegungen gemacht habe und auf sie losgegangen sei, habe sie es zunächst geschafft, ihm das Messer abzunehmen. Es kam zu einem Gerangel, bei dem sie Schnittverletzungen an beiden Händen davontrug. Er habe sie in ein Feld gezerrt und niedergerungen. Das Messer steckte er in den Boden – „er hat mir den Mund und die Nase zugehalten“, sagte das Opfer. Als sich ein Auto näherte, floh er.

Der Bruder des Angeklagten verweigert vor Gericht die Aussage

Noch schlimmer als die Schnittwunden dürften die psychischen Folgen des Angriffs sein: Die junge Frau bekommt Angstzustände, wenn sie bei Dunkelheit allein unterwegs ist, eine Therapie kann sich ihre Familie jedoch nicht leisten.

Wie die Ermittler auf die Spur des Mannes aus Afghanistan gekommen sind, kam im Prozess bislang nicht zur Sprache. Einer seiner Brüder, der vor Gericht als Zeuge geladen war, machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Die 17-Jährige identifizierte den Mann auf der Anklagebank jedoch als den Angreifer. Mit Spannung erwartet wird nun die Aussage der psychiatrischen Sachverständigen – sie hat es wohl geschafft, sich ausführlich mit dem Mann zu unterhalten.