Ein 17-Jähriger kommt nach einer Messerattacke wegen versuchten Totschlags in Untersuchungshaft. Seine mutmaßlichen Mittäter werden noch gesucht.
Es ist ein ungewohntes Bild, das sich auf der Stuttgarter Einkaufsmeile Königstraße am Dienstagabend geboten hat: Kurz nach 18.30 Uhr rasten Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und Sirene mitten durch die Fußgängerzone. Die Passantinnen und Passanten wichen zurück. Den Umstehenden war schnell klar, was ein Passant aussprach: „Das ist wohl was Größeres.“ Er ließ seine Töchter dennoch in aller Ruhe weiter das Kosmetikgeschäft erkunden. „Die fahren ja von hier weg, dann sind wir hier ja sicher“, meinte der Familienvater.
Dort, auf Höhe der Hausnummer 68 der Königstraße, trafen am Dienstag gegen 18.30 Uhr zwei Gruppen aufeinander, die in einen blutigen Streit gerieten. Auf der einen Seite ein 17-Jähriger mit seinen zwei Begleitern, auf der anderen drei Männer im Alter von 24, 37 und 47 Jahren, die mit zwei Frauen im Alter von 52 und 33 Jahren unterwegs waren. Es kam zum Streit. In dessen Verlauf wurden die drei Männer der größeren Gruppe – es soll sich um eine Familie handeln – verletzt: der 37-Jährige schwer, die beiden anderen leicht. Der Schwerverletzte schwebte wegen der Messerstiche in seinen Oberkörper zunächst in Lebensgefahr, am Mittwoch gab die Polizei aber Entwarnung. Die Frauen wurden nicht verletzt.
Die Messerstecherei habe sich in einem Hinterhof abgespielt, der dort zwischen zwei Optikergeschäften liegt, teilte die Polizei mit. Die Polizei rückte mit einem großen Aufgebot an und sperrte den Tatort ab. Um Spuren zu sichern einerseits, um weitere Gefahren abzuwenden andererseits. Einer der mutmaßlichen Messerstecher wurde zwar noch in der Nähe des Tatorts gefasst, seine beiden Kumpel jedoch wurden nicht gefunden. Die Polizei suchte noch längere Zeit nach ihnen. Die erhöhte Präsenz der durch die Fußgängerzone eilenden Einsatzkräfte fiel vielen auf, die von der Tat noch nichts mitbekommen hatten. Auch die Suche nach der Tatwaffe war kaum zu übersehen: Unter anderem durchwühlte die Polizei dafür Müllbehälter. Nahe dem Tatort lag darum ein Haufen Altpapier auf dem Boden. Gegen 23.30 Uhr kam eine Kehrmaschine und machte sauber. Das Messer bleibt nach Informationen unserer Zeitung verschwunden. Die Polizei sammelte erste Hinweise: „Wir konnten mit mehreren Zeugen sprechen“, sagt die Polizeisprecherin Kara Starke.
Zu den Hintergründen der Tat kann die Polizei am Mittwoch noch nichts sagen. Bekannt ist nur, dass der Tatverdächtige syrischer Herkunft ist und die andere Gruppe eine Familie syrisch-türkischer Herkunft ist. Ob es wegen der Wurzeln in der konfliktträchtigen Region zum Streit kam, wird ebenso untersucht, wie mögliche Beziehungen zwischen den Beteiligten.
Ausgeschlossen hat die Polizei hingegen schon am Dienstagabend einen Zusammenhang mit dem seit mehr als zwei Jahren in der Region Stuttgart wütenden blutigen Auseinandersetzungen multiethnischer Gruppen.
Der 17-Jährige kam am Mittwoch vor einen Haftrichter, der einen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung erließ.
Die Zahl der gefährlichen Taten mit Messern steigt in Stuttgart
Die Tat ist innerhalb weniger Wochen die vierte schwerwiegende Messerstecherei in der Stadt. Während der Europameisterschaft war ein Mann in der Fanzone auf dem Schlossplatz niedergestochen worden, kurz darauf kam es zu einer Messerstecherei beim Stadtgarten – auch noch am Rande der EM-Feiern. Im Hauptbahnhof griff ein Mann unvermittelt nachts Reisende im Warteraum an. Das hatte eine Debatte über die Sicherheitslage ausgelöst. Die Polizei stellt fest, dass vor allem die sogenannten Rohheitsdelikte, bei denen Messer im Spiel sind, häufiger werden – der Trend halte auch im ersten Halbjahr 2024 weiterhin an.
Wer Angaben zu der Messerstecherei machen kann, wird gebeten, sich bei der Kripo unter 07 11 / 89 90 - 57 78 zu melden.