Stuttgart kriegt im Dezember ein neues Metal-Konzertformat. Die Organisatoren verraten, warum das anders wird als die typische Metal-Nacht im Jugendhaus – und wie man sich als Feministin zu der Szene verhält.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Während seit langer Zeit eifrig über Popmusikförderung und Clubkonzerte diskutiert wird, machen andere einfach. Jedenfalls hört man zum Beispiel aus der Metalszene keine Rufe nach ausgefeilten Förderkonzepten.

 

„Einfach machen“ ist auch das Motto von Elena Wolf und Amin Bouzeghaia. Die beiden sind Mitglied bei der Band Crestfallen Queen und bauen deren Jubiläums-Gig einfach zum Minifestival aus, und zwar am 15. Dezember im Club Zentral. Das ist für uns Nicht-Metal-Heads ein guter Anlass, um uns mal über die Stuttgarter Metalszene zu informieren – natürlich im O-Ton.

Elena und Amin, was ist Hellgart und warum brauchen wir das?

Amin: Mir ist aufgefallen, dass es deutschlandweit diese „Hell over xy“-Konzerte gibt. Die bilden die Metal-/Rock-Szene ab. Hellgart ist eben die Stuttgart-Version davon. Terminlich findet das Ganze einfach ein Jahr nach unserem ersten Konzert mit Crestfallen Queen statt. Das wollten wir wiederholen – aber mit mindestens einer größeren Band. Dass wir Dead Lord gekriegt haben, ist natürlich eine tolle Sache.

Elena: Metal gilt ja ein bisschen als Musik für weniger Feingeistige. Seit ich 15 bin, muss ich mich immer mal wieder vor irgendwelchen Gralshütern des guten Geschmacks dafür rechtfertigen, Metal zu machen und zu mögen. Bei Hellgart soll nicht fünf Stunden lang nur Black, Doom oder Extreme Metal laufen. Da darf auch mal eine Akustiknummer stattfinden. Mich langweilt es, wenn ich auf einem Konzert bin und drei Vorbands spielen Black Metal, nur weil die Hauptband auch Black Metal ist.

Amin: Unabhängig vom konkreten Genre geht es um den Spirit.

Elena: Die Szene, zu der wir uns zugehörig fühlen, fehlt uns bislang in Stuttgart. Das sind in etwa die Leute, die Deaf Forever lesen und sich in einer Diskussion über Bill Wards Rimshots bei Black Sabbath’ „Children of the Grave“ verlieren können. Das ist eine super Underground-Zeitschrift für extreme Musik, die lesen wir alle.

Gibt es nicht ganz viele Metal-Abende im Club Zentral?

Amin: Ja, das sind aber eigene Szenen, die unter sich bleiben. Dann treffen sich eben die Black-Metal-Newcomer aus der Gegend und feiern sich gegenseitig. Da reicht es, wenn deren Kumpels da sind. Die Zielgruppe, die wir ansprechen wollen, geht weit über Stuttgart hinaus.

Elena: Wir wollen keine Lokalmatador-Show machen. Eigentlich soll Hellgart Leute aus dem weiteren Umfeld ansprechen. Wer weiß, vielleicht heißt es in zehn Jahren mal: Hey, in Stuttgart ist wieder Hellgart, da gehen wir hin.

Warum sollte das gelingen?

Elena: Derzeit ist das Außenbild von Stuttgart dank erfolgreichen Bands wie Die Nerven oder Karies mit Post Punk konnotiert. Es wäre doch schön, wenn man Stuttgart auch mal mit Metal verbindet.

Amin: Es müssen ja keine Stuttgarter Bands sein, die da spielen. Im Gegenteil: Dead Lord haben zuletzt 2015 in Stuttgart gespielt. Solche Acts wollen wir holen.

Gibt es denn nicht diverse Metalszenen in Stutt-, äh Hellgart? Mir scheint, dass die sich eben weitgehend unter dem Radar der allgemeinen Musiköffentlichkeit bewegen.

Amin: Seit 2016 gibt es die Partyreihe Heavy Rock Power Trip. Das hat lange gefehlt in Stuttgart und bringt genau die richtigen Leute zusammen. Allerdings müssen bis jetzt schon Bands wie Metallica kommen, damit die sich ein Konzert anschauen. Das wollen wir ändern – und zwar indem wir Gruppen in die Stadt holen, die beim Power Trip total abgefeiert werden.

Elena: Der Vorverkauf läuft wirklich gut. Wir sind selbst überrascht.

Elena, du bist bekennende Feministin. Warum diese Musik? Metal gilt doch als von Männern geprägte Szene.

Elena: Na, dann sollte ich wohl auch besser aufhören Motorrad zu fahren (lacht). Es ist nicht unser Anspruch, dass Hellgart eine feministische Veranstaltung wird. Wir sind da einfach längst drüber – nicht zuletzt, weil wir beide aus Szenen kommen, wo Gender, Feminismus, Patriarchat oder hegemoniale Verhältnisse immer mitgedacht werden. Obwohl zwei von drei der Bands bei Hellgart unter dem grässlichen Format „female fronted“ laufen könnten, hängen wir das nicht an die große Glocke.

Amin: Wir haben nicht ein Wort darüber verloren, ob wir eine Band mit einer Frau im Line-Up brauchen. Geschlechter spielen keine Rolle.

Gutes Stichwort. Bei Crestfallen Queen muss man schon wissen, dass da eine Frau singt. Sind Metal und Hard Rock androgyner, als viele denken?

Elena: Zieh dir mal Judas Priest rein. Deren Lederoutfits gab’s damals ja nicht beim H&M. Die haben das im Sexshop gekauft. Die Grenzen zwischen Gay und Straight waren damals oft verwischt. Klar gab es danach wieder eine Super-Männlichkeits-Gegenbewegung. Aber unser Anspruch ist schon, dass bei Hellgart die Dimension Mann oder Frau auf der Bühne irrelevant ist.

Also sagt zum Abschluss bitte den Nicht-Metal-Fans, warum sie sich Hellgart anschauen sollen.

Amin: Dead Lord und Cherokee machen kein Metal sondern Hard Rock. Das Programm wird bunt gemischt. Es wird einfach ein unterhaltsamer Abend mit guter Musik im Club. Und es ist egal, ob jemand in Kutte oder Anzug kommt.

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