Doro Pesch zu siezen, ist ein Ding der Unmöglichkeit – so enthusiastisch und offen gibt sich die inzwischen 58-jährige Heavy-Metal-Sängerin im Interview vor dem ausverkauften Konzert ihrer Band im Ludwigsburger Scala. Im Gespräch geht es aber auch um ernste Themen wie das Sterben kleinerer Clubs, die Inflation, die Energiekrise – und natürlich um die geschlossene Rockfabrik.
Doro, seit es wieder geht, bist Du quasi ständig on the road. Ohne geht es auch nicht. . .
Ne! Ich lebe für die Touren, für die Fans. Und auch in Coronazeiten haben wir es trotzdem irgendwie geschafft, unterwegs zu sein. Unter anderem haben wir auf dem Cannstatter Wasen eine Autokino-Show gespielt und waren bei den Wacken-Worldwide-Onlinekonzerten dabei. Wir sind in Übung geblieben, obwohl es natürlich schon etwas anderes war.
Sehr ungewohnt, oder?
Ja, die Leute waren weiter weg, da musste man sich noch mehr ins Zeug legen. Aber ich bin auch ein paarmal ins Publikum gegangen (lacht). Der Funke ist trotzdem übergesprungen.
Demnächst geht’s nach Ludwigsburg, Ihr tretet am Freitag im Scala auf. Einst gab es hier ja auch die Rockfabrik.
Das ist so traurig, wenn etwas so gewachsen ist und dann nicht mehr da ist. Viele der geilsten Clubs sind inzwischen verschwunden, die für die Rock- und Metalfans so wichtig waren. Das CBGB’s in New York oder das Hammersmith in London… Das tut mir im Herzen weh. Aber um solche Orte zu erhalten, braucht es eben auch den Support, zum Beispiel von der Stadt. Und wenn man den nicht hat. . .
Ihr habt damals sogar ein Filmchen aufgenommen, in dem ihr für die Erhaltung der Rofa plädiert habt. Geholfen hat es nicht.
Wir hatten dort die schönsten Konzerte und Partys, auch mit Warlock in den Achtzigern. Wenn wir eine neue Platte rausgebracht haben, haben wir immer dort vorbeigeschaut. Die Leute waren immer super drauf, das war wie eine große Familie – die jetzt nicht mehr in dieser Form zusammenkommen kann.
Wolfgang „Hasche“ Hagemann, einstiger Rofa-Mitbetreiber, hat diesen Film damals online gestellt. Welche Verbindungen gibt es noch?
Er ist ja inzwischen ausgewandert. Aber klar, wir haben zur selben Zeit angefangen (Hagemann spielte auf den ersten drei Alben der Band Running Wild Schlagzeug – die Redaktion). Das war eine eingeschworene Gemeinde. Und ein paar Kontakte gibt es noch in die Stuttgarter Gegend, natürlich. Und ich hoffe so sehr, dass es so etwas wie die Rofa noch mal irgendwo gibt. Aber die Zeiten sind eher schlechter als besser.
Gibt’s eine spezielle Rofa-Erinnerung für Dich?
Klar. Ich weiß noch, als wir zur Vorstellung eines neuen Albums dort waren. Da sollten die neuen Songs einfach über die Anlage gespielt werden. Dann hieß es plötzlich: „Kannst du singen?“ Und am Ende habe ich die neuen Songs und die Klassiker a-cappella gesungen – und alle haben mitgemacht. Das war wie Fangesänge im Stadion. Ein A-Cappella-Konzert. . . vielleicht sollte man das mal machen (lacht). Aber wie die Leute sich dabei verausgabt haben, das war grandios.
Live gehst Du aber eher im größeren Rahmen auf die Bühne. Angesichts der aktuellen Lage – Corona, Energiekrise, Inflation – dürfte sich auch für Euch als Band so einiges geändert haben.
Natürlich! Allein bei den Sommerfestivals in diesem Jahr, da gab es keine Tourbusse. Also sind wir das erste Mal seit Langem wieder mit einem Minivan oder mit Mietwagen durch die Gegend gefahren. Tausende Kilometer. Das hat mich doch sehr an die Achtziger erinnert, back to the roots! Und Flüge waren auch so eine Sache. Wenn wir dann mal geflogen sind, kamen das Equipment und die Instrumente meistens nicht an.
Oh.
Ja, bei einem Festival in Spanien haben wir es erst kurz vor knapp zum Gelände geschafft, ohne Instrumente. Und dann haben uns die Scorpions ihre Gitarren geliehen. Unser Gitarrist durfte also die legendäre Flying V von Rudolf Schenker spielen. Das hat mir wieder einmal gezeigt: Auf die Rock- und Metalleute kann man sich verlassen, auch wenn die Situation schwierig ist. Das war total schön zu sehen.
Der Auftritt im Ludwigsburger Scala wird eine etwas kleinere Dimension haben.
Ich spiele überall gerne, egal ob in einem Club oder auf einem Open Air. Wir holen bei jedem Gig alles raus, was geht. Bei kleineren Hallenkonzerten sind die Leute näher dran, das gefällt mir eigentlich am besten. Wenn man den Menschen ins Gesicht schauen kann, wie sie zum Beispiel bei „Für Immer“ Tränen in den Augen haben und die Temperatur langsam steigt. Ich sage immer: Wer nach einem Konzert nicht komplett nassgeschwitzt und völlig außer Puste ist, hat nicht alles gegeben. Das haben in der Vergangenheit leider nicht immer alle Bandmitglieder so gesehen…
Um den Bogen zum Beginn zu spannen, zu „gewachsenen“ Kulturstätten: Das Scala ist laut eigener Aussage „der älteste und traditionsreichste Veranstaltungsort für Kultur“ der Stadt Ludwigsburg. Das ist doch immerhin was.
Absolut. Aber ich muss jetzt etwas gestehen: Ich bin mir nicht sicher, ob wir nicht sogar schon einmal im Scala gespielt haben (lacht erneut).
Von Warlock bis zum 40-Jahr-Jubiläum
Doro Pesch
Die Sängerin, Jahrgang 1964, war nach ersten Gehversuchen auf der Bühne von 1982 bis 1988 Frontfrau der in der Szene legendären Heavy-Metal-Band Warlock, mit der sie vier Studioalben aufnahm. Seit dem Split der Gruppe ist die Vegetarierin (ihre Bühnenoutfits sind aus Kunstleder) erfolgreich als Solokünstlerin unterwegs. Die gebürtige Düsseldorferin gilt als eines der bekanntesten Gesichter der Metal-Szene in Deutschland. Auch aufgrund ihrer Präsenz in den Medien wird sie als die „Queen of Metal“ bezeichnet.
Tour
Die Songauswahl des aktuellen Tourabschnitts, der am 28. Oktober in Lindau begonnen hat, enthält zahlreiche Warlock-Klassiker. Die Show in Ludwigsburg ist jedoch ausverkauft.
Album
2023 folgt ein neues Doro-Album, pünktlich zum 40-jährigen Bühnenjubiläum. Das wird am 28. Oktober mit einem Konzert in der Mitsubishi-Electric-Hall in Düsseldorf gefeiert.