Im Januar wird Harvey Weinstein wegen Vorwürfen sexueller Gewalt der Prozess gemacht. Im Vorfeld hat sich der Ex-Filmmogul mit weiteren Opfern auf Geldzahlungen geeinigt. Die Frauen dürfen dann nicht vor Gericht klagen.

New York - Es war ein herber Rückschlag für die MeToo-Bewegung, was da am Mittwoch durch die Reporter der New York Times an die Öffentlichkeit getragen wurde, eine Ohrfeige für alle, die hoffen, das amerikanische Strafrechtssystem könne Opfern sexuellen Missbrauchs Gerechtigkeit bringen. „Was bedeutet #metoo denn überhaupt noch?“ ließ die Journalistin Courtney Dowling auf Twitter ihrer Frustration freien Lauf.

 

Grund für die massive Enttäuschung war, dass Harvey Weinstein, der Mann, der die MeToo-Bewegung durch seine Übergriffe angestoßen hatte, sich nach Informationen der „New York Times“ zivilrechtlich aller Konsequenzen seines Tuns entzogen hatte. Weinsteins Anwälte handelten mit seinen Anklägerinnen einen Vergleich über 25 Millionen Dollar aus. Der komplette Betrag wird von den Versicherungen seiner in Insolvenz befindlichen Firma beglichen.

Klägerinnen werden wie andere Gläubiger der bankrotten Firma behandelt

Die Vereinbarung war das Ergebnis von zwei Jahren harter Verhandlungen zwischen Weinsteins Anwälten und rund 30 Schauspielerinnen und Angestellten von Harvey Weinstein, deren Klagen von sexuellem Fehlverhalten bis zur Vergewaltigung reichen. Die 25 Millionen Dollar sind Teil einer Einigung von Weinsteins bankrotter Firma mit allen Gläubigern über 47 Millionen Dollar. Weil die Firma offiziell Insolvenz angemeldet hatte, mussten sich die Klägerinnen mit den übrigen Gläubigern der Firma einreihen.

Einer der größten Ungeheuerlichkeiten der Abmachung ist, dass Weinsteins Anwaltsteam, darunter sein Bruder, beinahe die Hälfte der 25 Millionen für ihre Bemühungen bekommen. 6,2 Millionen Dollar werden unter 18 Opfern aufgeteilt, keine der Frauen bekommt mehr als 500 000 Dollar. 18,5 Millionen sind für Forderungen aus allen weiteren Klagen beiseite gelegt worden. Wenn die Abmachung in den nächsten Tagen von einem New Yorker Gericht genehmigt wird, verteilt ein vom Gericht bestellter Beamter die Gelder.

Die Anwälte geben dem US-Recht die Schuld

Viele der Klägerinnen zeigten sich zutiefst enttäuscht von der Einigung. So sagte die Schauspielerin Katherine Kendall, die von Weinstein während einer angeblichen Arbeitsbesprechung nackt durch seine Wohnung gejagt wurde, sie möge die Einigung überhaupt nicht, wisse aber nicht, was sie tun könne.

Die Anwälte der Frauen behaupten, jeder Versuch, noch einen besseren Deal zu erreichen, wäre gescheitert. „Wir haben wirklich unser Bestes getan“, sagte Genie Harrison, die Sandeep Rehal vertrat. Rehal war eine Persönliche Assistentin für Weinstein und behauptete, er habe sie vergewaltigt.

Harrison erklärte, dass ihre Verhandlungsposition durch eine ungünstige Kombination rechtlicher Faktoren geschwächt gewesen sei. Zum einen habe es in vorangegangen Urteilen Rückschläge gegeben, wie in jenem gegen Ashley Judd. Die Klage der Schauspielerin wurde abgewiesen, weil die Frau juristisch gesehen in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu Weinstein stand. Zudem, so Harrison, gebe es Gesetze in den USA, die Firmenvorstände gut vor Klagen schützen.

Im Januar 2020 steht Weinstein wegen Vergewaltigung vor Gericht

So ist die Einigung eine ernüchternde Bestandsaufnahme der Rechtsmittel, die Opfern sexuellen Missbrauchs in den USA zur Verfügung stehen. MeToo hat zwar zahlreiche Karrieren mächtiger Männer unterbrochen, darunter die von TV-Moderator Bill O’Reilly und Sendernetzwerk-Chef Les Moonves. Außergerichtliche Einigung gab es ebenfalls zu Dutzenden, aber Gerichtsurteile fehlen. An prominenten Fällen musste bislang lediglich Bill Cosby eine Gefängnisstrafe antreten.

Immerhin weigern sich zwei der Klägerinnen, Weinsteins Angebot anzunehmen. Ihr Anwalt, Douglas Wigdor, störte sich vor allem an einer Klausel, dass eine Million Dollar aus dem Fonds an Weinsteins Anwälte geht, falls die beiden Frauen nicht unterschreiben. „Man versucht uns zu erpressen“, sagte Wigdor. Zudem weigert sich Wigdor zu akzeptieren, dass kein besserer Deal möglich sei.

Trotz allem muss Weinstein sich nun im Januar 2010 noch vor Gericht verantworten. Es stehen noch zwei Anklagen wegen Vergewaltigung vor einem New Yorker Richter im Raum. Den Frauen, die nun an der Einigung teilgenommen haben, steht jedoch der Weg für eine strafrechtliche Klage nicht mehr hoffen. Sie haben durch die Zivilklage ihr Recht auf einen Strafprozess aufgegeben.