Vor 80 Jahren ist der erste Kinosaal in Metzingen eröffnet worden, ein Erweiterungsbau kam in den 50ern dazu. Bisher zeigte sich die Volksbank als Vermieterin und Sponsor großzügig. Doch jetzt hat sie andere Pläne mit dem Gelände.

Metzingen - Am Ende des Werbeblocks wird der Hauptsponsor gewürdigt. „Vielen Dank für die langjährige Unterstützung“, steht in großen Lettern auf der Leinwand, dazu ein Foto der Volksbank Ermstal-Alb. Die Bank ist der direkte Nachbar des einzigen Kinos in Metzingen (Kreis Reutlingen) und gleichzeitig die Vermieterin des Gebäudes. Bereits 1938 ist das Lichtspielhaus gegenüber dem Bahnhof eröffnet worden, es könnte heuer also mit viel Pomp und Gloria sein 80-jähriges Bestehen feiern. Der Erweiterungsbau aus den fünfziger Jahren gleicht einem kostbaren Schmuckstück, das etwas Politur braucht. Doch dem Betreiber des traditionsreichen Luna, dem Stadtjugendring Bad Urach, ist nicht nach Festivitäten zumute. Der Mietvertrag mit der Bank läuft Ende 2019 aus und wird höchstens noch jahresweise verlängert. Das Programmkino soll Parkplätzen weichen, statt eines Kulturangebots gibt es wohl Platz für Autos.

 

Die Bank wirbt um Verständnis. Angesichts der Niedrigzinspolitik müsse gespart werden, sagt das Vorstandsmitglied Karl Herrmann. Viele Jahre lang habe der Stadtjugendring rund 30 000 Euro Miete gezahlt, die Bank habe 25 000 Euro als Spende zurücküberwiesen. Ein Kultursponsoring, das man reduzieren wolle. Außerdem benötige die Bank dringend mehr Parkraum, die eigene Tiefgarage sei überbelegt, und man miete bereits von der Stadt Stellplätze an. „Konkrete Pläne gibt es noch nicht“, versichert Herrmann, erwogen werde allerdings eine Erweiterung der Tiefgarage samt Neubebauung des Areals.

Viel Geld floss in die Digitalisierung und die neue Leinwand

Das drohende Ende des Luna hat Thorsten Hail, den Vorsitzenden des Stadtjugendrings, alarmiert. „Das Kino läuft, wir haben jede Menge investiert“, sagt Hail. Er kann nicht fassen, dass die Zukunft des Standorts auf der Kippe steht. 25 000 Besucher im Jahr, das sei ein Erfolg, meint Hail. Erst vor wenigen Jahren habe man 100 000 Euro in die Ausstattung gesteckt: vom modernen Tonsystem Dolby 7.1 über die Digitalisierung bis zur neuen Leinwand. In Eigenleistung sei renoviert worden, Ehrenamtliche würden gegen eine kleine Vergütung den täglichen Kassen- und Thekendienst übernehmen.

„Es ist schwierig, Ersatz zu finden“, sagt Hail. Er sieht das bisherige Geschäftsmodell des Stadtjugendrings in Gefahr. Der Verein betreibt neben dem Luna auch das Forum 22 in Bad Urach, zwei Standorte, drei Kinosäle. „Da gibt es große Synergieeffekte“, wer zwei Städte bespiele, könne beim Verleih punkten und komme einfacher an Filme. Drei Hauptverantwortliche auf eineinhalb Stellen kümmern sich um die Kinoangelegenheiten. „Das ist natürlich ein Zuschussbetrieb“, sagt Hail, aber einer, der beim regionalen Publikum bestens ankomme.

Die Rückendeckung des Metzinger Rathauses ist Hail sicher. „Wir müssen es schaffen, das Kino zu erhalten“, sagt Metzingens Oberbürgermeister Ulrich Fiedler, schließt aber im gleichen Atemzug einen neuen Standort nicht aus. Man sei mit der Bank und anderen möglichen Investoren im Gespräch. Gerne würde die Stadt das Gebäude kaufen, versichert der Oberbürgermeister. Die Volksbank hat daran allerdings kein Interesse: „Ein guter Schwabe verkauft den Platz vor seinem Haus auf keinen Fall“, sagt das Vorstandsmitglied Herrmann über Kaufangebote.

Eine Zeitreise in die Fünfziger Jahre

Ein Abend im Luna ist eine Zeitreise in die fünfziger Jahre. Im geräumigen Kinosaal mit seinen 400 Plätzen und einer Loge am Eingang ist die Original-Wandbespannung noch erhalten, eine sogenannte Azellawand, ein silbergrauer Bezug mit Stahlstiften. „So einen Saal wie im Luna gibt es in der ganzen Region nicht noch einmal“, sagt Stefan Handel, ein Kenner der Branche, der Verlust wäre riesig.

Der gebürtige Metzinger ist der Leinwand verfallen. Er betreibt Kinos in Freudenstadt und Nagold, davor hat er zehn Jahre lang versucht, das Luna in die Gewinnzone zu bringen. „Metzingen ohne ein Kino, das geht nicht“, sagt Handel. Er hat selbst einiges dafür getan, dass Teile der Ausstattung nicht einfach auf dem Müll gelandet sind. Von den einst zwei Theatersälen wird nur noch einer bespielt, der andere wird als Lagerhalle genutzt. An seiner Außenseite prangt ein 50er-Jahre- Schriftzug aus Neonröhren, „Lichtspielhaus“ ist dort zu lesen. Handel hatte die Neonwerbung in Stuttgart reparieren lassen. „Das hat gelb geleuchtet“, schwärmt er, „darüber strahlte ein Leuchtband in Blau.“

Wofür Metzingens Kinofans kämpfen, ist andernorts gelungen. Kurz vor der letzten Klappe ist das Central-Kino in Ketsch bei Speyer von einem engagierten Verein gerettet worden. Auch die Engel-Lichtspiele in Breisach am Rhein wurden nach dem Ausstieg des Privatbetreibers in Selbstverwaltung weitergeführt. Und in Reutlingen wurde extra eine Genossenschaft gegründet, um das Kamino, ein feines, kleines Programmkino, zu eröffnen. Vor Ort hätten sich viele Mitstreiter und Helfer engagiert, sagt der dortige Geschäftsführer Andreas Vogt. „Vor allem die Volksbank Reutlingen hatte das Programmkino zu ihrer Sache gemacht.“