Die Meuterei in Russland bestimmt nun auch den EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Schon vor dem Treffen in Brüssel zeigen sich tiefe Risse in der Union.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die EU will eigentlich ein Zeichen der Geschlossenheit aussenden. Doch vor dem Treffen der 27 Mitglieder in Brüssel, zeigen sich tiefe Risse bei wichtigen Themen. Im Zentrum steht wieder einmal Victor Orbán. Der ungarische Premier positionierte sich in einem großen Interview mit der deutschen Tageszeitung „Welt“ sehr deutlich in Sachen Russland. Während die Verantwortlichen in Brüssel hoffen, dass die Tage von Wladimir Putin gezählt sind, sieht Orbán die Macht des russischen Präsidenten durch den Aufstand der Wagner-Söldnerarmee nicht geschwächt. Der Aufstand habe „keine größere Bedeutung“. Es sei „ein Zeichen von Stärke“, dass der Kremlchef diese Revolte binnen 24 Stunden gestoppt habe. Und er ging noch weiter, indem er die Hilfe der EU für Kiew indirekt kritisierte. Die Ukraine sei „kein souveränes Land mehr“, da sie zur Verteidigung gegen Russland auf westliche Hilfe angewiesen sei.

 

Brüssel will Kiew weiter unterstützen

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten sich Donnerstag und Freitag eigentlich vor allem mit den Beziehungen der Union zu China beschäftigen. Doch die Lage in Russland hat den Ablauf durcheinandergewirbelt. Also wird es wieder darum gehen, wie die Union die Ukraine noch stärker unterstützen kann, um den Aggressor aus dem Land zu vertreiben. Geplant ist, den gemeinsamen Militärhilfefonds um 3,5 Milliarden Euro aufzustocken. Aus dem Topf können sich Mitgliedsländer Waffen teilweise erstatten lassen, die sie an die Regierung in Kiew abgeben.

Auch das Thema Migration und die steigenden Asylzahlen in Europa sorgen bereits vor dem Gipfel für Zündstoff – und wieder spielt Orbán dabei eine Hauptrolle. Ungarn und Polen wollen gegen den Asylkompromiss für beschleunigte Grenzverfahren protestieren, bei dem die beiden Länder überstimmt wurden. Warschau und Budapest halten es für einen Skandal, dass sie künftig 20 000 Euro für jeden Flüchtling zahlen sollen, den sie nicht aufnehmen.

Streit um die Migrationspolitik der EU

Auch Österreich und Italien sind mit der Migrationspolitik der EU unzufrieden und wollen bei dem Gipfel klare Beschlüsse zur Reform des Asylwesens erreichen. Das betonten der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni bei einem Treffen in Österreich. „Das Asylsystem in Europa ist gescheitert“, sagte Nehammer. „Die EU muss vom Reden ins Tun kommen, Asylverfahren an der Außengrenze auch tatsächlich umsetzen und vor allem einen Schritt weiter gehen und starke Abkommen für Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU schließen.“ Meloni sagte, sie und Nehammer zögen an einem Strang, um einen „Paradigmenwechsel“ in der EU herbeizuführen.

Wenn es am Freitag dann um China gehen wird, sind die Augen vor allem auf Berlin gerichtet. Nicht jedem EU-Mitglied hat der pompöse Empfang von Pekings Führungsriege dieser Tage in Deutschland gefallen. Kurz zuvor war in Brüssel noch die Marschroute ausgegeben worden, die Risiken im Umgang mit China zu minimieren und Abhängigkeiten zu vermindern. Deutschland aber unterzeichnete daraufhin Handelsabkommen in Milliardenhöhe mit Peking.