Im Land der Tacos und Tortillas wächst die Zahl der Übergewichtigen so schnell wie nirgends sonst. Die Behörden gehen jetzt neue Wege im Kampf gegen die Fettleibigkeit, berichtet der StZ-Korrespondent Klaus Ehringfeld.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Stuttgart - Die Stadtverwaltung von Mexiko-Stadt will mit einer ungewöhnlichen Fitnesskampagne gegen das Übergewicht ihrer Bewohner vorgehen. Wer zehn Kniebeugen macht, wird mit einer Fahrkarte für die U-Bahn belohnt. Von dieser Woche an stehen entsprechende Fitness-Apparate in mehreren Dutzend Metro-Stationen der Hauptstadt. Aber das „Boleto“ ist nicht die einzige Belohnung. Die sportlichen U-Bahn-Fahrer bekommen auch noch eine kleine Quittung, die ihnen die verbrannten Kalorien auflistet. Allerdings ist zu befürchten, dass die Pendler die Energie gleich in Form des beliebten „Vitamin T.“ wieder zu sich nehmen. Tacos, Tortillas und Tortas (Sandwichs) gibt es an fast jeder U-Bahn-Station von Mexiko-Stadt zu kaufen, und sie gehören zu den beliebtesten Futtermitteln der Mexikaner.

 

Knapp 70 Prozent sind zu schwer

Das Vitamin T. hat mit dazu beigetragen, dass in dem zweitgrößten lateinamerikanischen Land Fettsucht und Diabetes dramatisch zugenommen haben. Ganz Mexiko ist zu dick, viel zu dick. Nirgendwo in der Welt ist die Zahl der Übergewichtigen und Fettleibigen in den vergangenen zwei Jahrzehnten so stark gewachsen wie in dem Schwellenland. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg seit 1980 auf knapp 70 Prozent. Zum Vergleich: in ganz Lateinamerika erhöhte er sich etwas moderater auf 61 Prozent. Nach einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat Mexiko im vergangenen Jahr die USA als das Land mit den meisten Übergewichtigen abgelöst. Fettsucht, das sei keine Volkskrankheit mehr, sagt der Gastroenterologe Salvador Villalpando, der in der Kinderklinik Federico Gómez übergewichtige Kinder behandelt: „Es ist eine Epidemie.“

Hauptsache, viele Kohlehydrate

Zahlen unterstreichen das: Mexiko ist das Land mit dem höchsten Konsum an Coca-Cola und anderen zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken weltweit. 163 Liter pro Jahr trinkt jeder Mexikaner im Schnitt, das ist fast ein halber Liter am Tag. Chips, kohlehydrathaltiges Essen und Süßigkeiten lieben die Mexikaner wie niemand sonst auf der Welt. Maisfladen, Brot, Reis, Fleisch – jeden Tag, zu jeder Uhrzeit und zu viel davon, so diagnostizieren die Ernährungsexperten. Zuckerbrausen und süße Kuchensnacks haben traditionelles und gesundes Essen verdrängt.