Ludwigsburgs Basketball-Vorsitzender Alexander Reil schaut nach vorne – mit Coach John Patrick. Aber er wundert sich über das mangelnde Sponsorenengagement in der Region, nicht nur bei den Riesen.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Die Saison in der Basketball-Bundesliga ist zwar noch nicht zu Ende, für die MHP Riesen Ludwigsburg aber schon, nachdem sie die Play-offs verpasst haben. Deshalb fordert der Vorsitzende Alexander Reil wieder mehr Leidenschaft im Team.

 

Herr Reil, am Wochenende beginnen die Play-offs. Zum ersten Mal nach fünf Jahren ohne die MHP Riesen. Haben Sie schon Entzugserscheinungen?

Nein, weil ich das Glück habe, als Liga-Präsident in den Play-offs andere Spiele miterleben zu dürfen.

Warum hat es denn für ihre Mannschaft nicht gereicht hat?

Weil wir Zehnter und nicht mindestens Achter geworden sind.

Und warum sind Sie nicht mindestens Achter geworden?

Die Saison war insgesamt geprägt von einer enormen Inkonstanz, die uns letztendlich diesen Tabellenplatz beschert hat.

Die Mannschaft hat zu Hause gegen Ex-Meister Bamberg oder den Vierten Vechta gewonnen und gegen den Eurocup-Finalisten Alba Berlin in letzter Sekunde mit einem Punkt verloren. Das Potenzial im Team hat sich zumindest phasenweise angedeutet.

Heute hui, morgen pfui, das war ein wenig das Motto, teilweise sogar innerhalb eines Spiels. Das haben wir über die gesamte Saison nicht wirklich im Positiven stabilisieren können. Natürlich hatten wir auch eine Seuchensaison was Verletzungen angeht, auch wenn das jetzt keine Ausrede sein soll.

„Nicht alles in Frage stellen“

Was müssen oder können die Riesen nächste Saison besser machen?

Erstens hat Ludwigsburg – und das sage ich jetzt nicht, weil wir Zehnter geworden sind - mit seinen Rahmenbedingungen keinen Anspruch, jedes Mal in den Play-offs zu sein. Wenn man sich die Budgets aller Clubs anschaut, liegen wir nicht auf einer Position, in der wir sagen können, das ist Gesetz. Jetzt haben wir es fünfmal geschafft – und einmal nicht. Von daher her muss man sehr wohl aufpassen, dass man nicht alles in Frage stellt, was die Jahre zuvor gut gelaufen ist – das ist der falsche Ansatz.

Trotzdem: Wo kann man den Hebel ansetzen?

Wir haben es dieses Mal nicht geschafft, die für uns typischen Charaktere zu verpflichten, die zum Spielstil und zur Philosophie passen, die ein Stück weit Bestandteil unserer Marke sind. Und wir haben auch zu viele Qualitätsverluste auf einzelnen Positionen gehabt.

Wie kann man die wettmachen, mit einem besserem Scouting?

Wir müssen uns beim Rekrutieren von Spielern wieder auf unsere Basics konzentrieren. Und dann müssen wir vielleicht auch strukturell unsere finanziellen Möglichkeiten anders einsetzen. Krass formuliert: zehnmal die gleiche Summe, oder fünfmal einen deutlich höheren Betrag und fünfmal einen niedrigeren – das müssen wir uns genau überlegen.

„Wir lagen auch daneben“

Bei der Personalpolitik spielt der Trainer ja die entscheidende Rolle. Gibt es da einen Vorwurf an John Patrick?

Ich sage einfach: Es hat dieses Jahr nicht hingehauen. Wir hatten in den letzten Jahre immer eine klare Verbesserung bei Nachverpflichtungen. Das war jetzt nur bei Marcos Knight der Fall. Wir sind zudem durch Verletzungen in die Bredouille gekommen. Und dann haben wir manchmal schneller gehandelt als eine entsprechende Qualität auf dem Markt verfügbar war. Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, wo wir sicher hier und da daneben lagen.

Aber der Trainer steht nicht zur Diskussion?

Auf die Konkrete Frage: nein!

Kann er sich noch so eine Saison erlauben?

Es ist gerade einmal die laufende zu Ende, und ich bin sehr optimistisch, was die nächste Saison angeht. Ich habe gesagt, man kann es nicht immer am Tabellenplatz festmachen. Was mir dieses Jahr gefehlt hat, war die Identität der Mannschaft für bedingungslosen Kampf und Einsatz wie in den vergangenen Jahren. Das müssen wir wieder hinkommen. Dann ist es auch nicht so wichtig, ob man Sechster, Achter oder Neunter wird.

Glauben Sie nicht, dass man vielleicht ein Korrektiv braucht, zum Beispiel in Form eines Sportdirektors?

Interessant ist doch, dass diese Frage in den letzten fünf Jahren nicht gestellt worden ist.

„Sportdirektor kein Allheilmittel“

Da lief es ja auch besser.

So kann ich nicht denken, weil ich nicht alles abhängig machen kann von Zweiwochen-Verläufen. Für uns ist wichtig, kontinuierlich in einer Trendlinie zu sein. Und wenn ich mir die letzten acht Jahre anschaue, dann zeigt die nach oben, auch wenn’s jetzt mal eine kleine Delle gibt. Außerdem sehe ich beim Stichwort Sportdirektor immer ein Problem: Der Trainer will den Spieler X, der Sportdirektor ist dagegen, will einen anderen – wer entscheidet dann? Die Grundsatzfrage ist doch: Hast du das Vertrauen in deinen Trainer, dann muss man ihn auch ein Stück weit machen lassen. Das heißt nicht, dass wir im Verein nicht auch Leute mit sportlicher Kompetenz haben, aber da geht es dann mehr um Gesamtausrichtungen. Das konkrete Verpflichten von Spielern ist meiner Auffassung nach Trainersache, er muss schließlich auch den Kopf dafür hinhalten.

In den letzten zwei Jahren haben die beiden Co-Trainer jeweils das Saisonende unter Patrick nicht erlebt – ist er so schwierig?

Ich formuliere es mal so: Die ganz einfachen Trainer, die ich erlebt habe, waren meistens erfolglos.

Das ist der Verein ja nicht: Aber in Mann und Hummel beendet ein nicht gerade kleiner Sponsor sein Engagement. Wie hart trifft das die Riesen?

Jeder Sponsor, der bei uns aussteigt, ist ein Verlust. Selbst wenn ich die Summe kompensieren kann, hätte ich dann immer das Argument, ich hätte die ja noch obendrauf haben können. Unsere Aufgabe ist es nun, dafür zu sorgen, dass dies keine erhebliche Lücke in den Etat reißt.

„Etat soll stabil bleiben“

Das heißt, Sie gehen davon aus, dass sich finanziell nichts Gravierendes ändern wird?

Entweder wir finden einen Partner in der gleichen Größenordnung oder eben auch zehn, die diese Summe gemeinsam aufbringen. Unser Ziel ist es, dass wir in etwa die Vorjahreszahl (knapp fünf Millionen Euro, Anm. d. Red.) wieder hinbekommen.

Unabhängig davon, haben Sie nicht manchmal die Sorge, dass die Riesen in der Liga den Anschluss verlieren, wenn man sieht, dass die Ulmer ein 20 Millionen teures Nachwuchscenter hinstellen?

Ulm steht von seinen Möglichkeiten her schon seit acht Jahren vor uns. Das ist auch eine ganz andere Situation. Dort gibt es, und das sage ich ohne Neid, im Umkreis von 40 Kilometern sportlich nichts was höher ist als vierte Liga. Und hier?

Ist die Konkurrenz für die Riesen riesig.

Wir leben in einer der wirtschaftsstärksten Regionen, aber es gibt im Prinzip keinen einzigen Club bei den Männern in einer Zuschauer starken Sportart, der bundesweit Spitze ist. Das ist doch kurios.

Das heißt, die Vereine werden hier insgesamt in der Breite zu wenig unterstützt?

Es gibt eine Statistik, die aufzeigt, dass Sponsoren-Volumina in strukturschwächeren Gegenden stärker ausgeprägt sind. Häufig mit dem Argument: Da gibt es nicht so viel Konkurrenz, da können wir uns auf einen Club konzentrieren. Das verwundert mich schon – nicht nur auf uns bezogen.

„Trauer hält sich in Grenzen“

International waren die MHP Riesen den letzten Jahren ebenso Stammgast wie in den Play-offs, das wird nächste Saison höchstwahrscheinlich nicht der Fall sein. Zum einen hat der Verein dabei schwarze Zahlen geschrieben – und gleich noch was fürs Image getan. Wie sehr fehlt so eine Teilnahme?

Für mich gilt: Wer sich für den internationalen Wettbewerb qualifiziert, der spielt ihn auch. Wer das nicht tut, der spielt ihn nicht.

Der Trainer argumentiert immer, manche Spieler kämen nur, wenn sie europäisch spielen können.

Das gibt es in der Tat. Wenn ich mir aber die Spielerqualität unserer Teams dieses Jahr anschaue, dürfte es nicht so viele Spieler geben, die von sich behaupten können, ich bin nur hier gekommen, weil ich international spielen kann.

Wie viele der aktuellen Spieler werden nächste Saison wieder auflaufen?

Gewohnheitsmäßig wenig – wobei sich dieses Mal die Trauer in Grenzen hält.