MHP Riesen Ludwigsburg Justin Simon – ein Künstler am Korb

Justin Simon mag es spektakulär. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Justin Simon wurde zum besten Verteidiger der Basketball-Bundesliga gewählt. Das hat schon Tradition bei den MHP Riesen Ludwigsburg – und mit dem Trainer zu tun.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Justin Simons Ehrgeiz war angestachelt. Nach der enttäuschenden Halbfinal-Niederlage der Ludwigsburger in der Champions League gegen Manresa ausgerechnet an seinem 26. Geburtstag wollte er sich das schönste Geschenk eben nachträglich selbst machen. Also drehte er vergangenen Sonntag im kleinen Finale von Bilbao groß auf. Beim 88:68-Sieg gegen Hapoel Holon und Platz drei sorgte er mit 27 Punkten für einen Karrierebestwert. Verkehrte Welt. Denn eigentlich ist sein Terrain die Abwehr.

 

Am Mittwoch im Heimspiel der MHP Riesen gegen die MLP Academics Heidelberg wurde Simon vorab offiziell zum besten Defensivspieler der Bundesliga ausgezeichnet – und trat als „Verteidigungsminister“ in die Fußstapfen von Yorman Polas Bartolo, der diese Ehre im Ludwigsburger Trikot im Jahr zuvor erhalten hatte. Was auch etwas mit Trainer John Patrick zu tun hat, der für sein System ebenso bekannt wie berüchtigt ist. Und dessen oberste Prämisse lautet: „Verteidigung!“

Doch nicht allein die Statistiken sind beeindruckend, es ist vor allem Justin Simons Spielweise: Denn die ist spektakulär, vorsichtig ausgedrückt. Wofür er gleich mehrfach ausgezeichnet wurde, zum Beispiel mit dem „Block der Saison“ in der Champions League für eine Abwehraktion bei Dinamo Sassari.

Dabei hatte Simon insgeheim wohl spekuliert, in dem internationalen Wettbewerb in die beste Startformation gewählt zu werden wie sein Kollege Jonah Radebaugh.

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Schließlich machte „Super Simon“ mit seinen grandiosen Dunkings auch offensiv auf sich aufmerksam, wenngleich Patrick ansonsten sein unorthodoxes Wurfverhalten einmal wie eine Wundertüte beschrieben hat: „Man weiß nie, wo der Ball landet.“ Aber immer öfter im Korb (in der Champions League war er zweitbester Werfer überhaupt mit insgesamt 264 Punkten in 17 Spielen), was ihn inzwischen zu einem hervorragenden Two-Way-Player gemacht hat; also einen Spieler, der defensiv und offensiv ähnlich stark ist.

So gesehen passte Simon wie die Faust aufs Auge, als ihn die Ludwigsburger kurz nach Saisonbeginn vom Ligarivalen aus Ulm holten, wo er für zwei Spiele den verletzten Nationalspieler und Ex-Riesen Karim Jallow ersetzt hatte. Der Ulmer Sportdirektor Thorsten Leibenath sagte damals: „Justin ist ein sehr vielseitiger Spieler, der für defensive Spezialaufgaben besonders gut geeignet ist.“

Diese Vorschusslorbeeren hat er nachdrücklich bestätigt und wäre in dieser Form auch für den Play-off-Gegner Ratiopharm Ulm in der Viertelfinalserie sicher eine Verstärkung gewesen, was das Derbyduell von Samstag an noch brisanter macht. „Solche Auszeichnungen machen einen stolz, aber das geht auch nur, wenn die Mannschaft hilft“, sagt Simon zu seiner starken Saison.

Die Vorliebe für die Defensive hat er schon im College gelernt, er wurde bei St. John’s in New York von den Trainern zum Defensivspieler des Jahres gewählt, genau wie 2021 bei seinem Abstecher in die australische Profiliga, womit Simon nebenbei schon etwas von der Welt gesehen hat.

„Er ist ein positiver Mensch mit viel Energie und Athletik“, sagt Riesen-Trainer Patrick. Und zieht einen interessanten Vergleich, der zumindest andeutet, dass es nicht immer leicht ist, mit so einem Typen seine Disziplinvorstellungen umzusetzen: „Er ist ein Künstler.“ Das rührt vielleicht von Simons Jugend in Kalifornien her, wo ein eher extrovertierter Lebensstil an Strand und Meer bevorzugt wird. Und wo er im Schatten von Hollywood und dem Sunset Boulevard aufgewachsen ist, was abfärbt. „Das ist ein wunderbares Lebensgefühl.“ Ein bisschen Show muss sein. So kann sich Simon nach seiner Karriere vorstellen, etwas im Fernsehen zu machen, zum Beispiel als Kommentator.

Zunächst einmal will er seine sportliche Laufbahn vorantreiben, wohl kaum bei den Riesen. Patrick weiß längst: „Er hat hier seine Chance genutzt – und wird nicht zu halten sein.“ Zumal Simon als Spieler schwer ausrechenbar ist. „Er kann außer Center alle vier Positionen spielen, das macht ihn so wertvoll“, lobt der Coach einen seiner Leistungsträger, der mit seinen 1,94 Metern bei den Riesen offiziell als Small Forward firmiert, so etwas wie der Alleskönner im Basketball (13,5 Punkte und knapp sechs Rebounds im Schnitt pro Spiel).

Natürlich schwärmt der Sohn einer ehemaligen Basketballerin und eines College-Footballers von der NBA und den Los Angeles Lakers seiner Heimatstadt oder dem verstorbenen Kobe Bryant als Lieblingsspieler, doch sein Motto lautet: „Wenn ich das nicht schaffe, will ich auf der höchstmöglichen Stufe in Europa spielen.“ Man darf gespannt sein, wohin der Weg führt. Beispiele der Vergangenheit gibt es genug: Thomas Walkup oder Jaleen Smith haben über die Riesen den Sprung in die Basketball-Königsklasse Euroleague geschafft. Und an Werbung in eigener Sache hat es schließlich auch nicht gemangelt. Der Basketball-Experte Michael Körner von Magentasport mutmaßte zuletzt: „Er hat seinen Marktwert verdreifacht.“

Da können und wollen die MHP Riesen nicht mithalten bei diesem Künstler am Korb. Der auch ein Faible für Musik hat. Lieblingsinstrument? „Schlagzeug“, sagt Simon ganz spontan – und will einstweilen im Basketball weiter für Trommelwirbel sorgen.

Play-off-Viertelfinale

Paarungen
Alba Berlin – Brose Bamberg (Fr, 19 Uhr)

Baskets Bonn – Hamburg Towers (Fr, 19 Uhr)

Bayern München – Niners Chemnitz (Fr, 20.30)

MHP Riesen – Ratiopharm Ulm (Sa, 20.30)

Termine
Das Viertelfinale wird in einer Best-of-five-Serie gespielt, wer zuerst drei Siege hat, ist weiter. Die MHP Riesen starten mit zwei Heimspielen am Samstag (20.30 Uhr) und nächsten Dienstag (19 Uhr); das dritte Spiel ist am 19. Mai (19 Uhr) in Ulm; weitere Termine wären der 22. Mai (15 Uhr) in Ulm und der 24. Mai (19 Uhr) in Ludwigsburg. Der Halbfinalstart ist für den 28. Mai geplant. ump

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