Der Trainer des Bundesligisten ist kein einfacher Charakter, aber ein Mensch mit Prinzipien.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

München/Ludwigsburg - „John Patrick ist sicher ein schwieriger Charakter, aber ich habe noch keinen einfachen Charakter als Trainer erlebt, der erfolgreich ist.“ Und erfolgreich ist Patrick unbestritten, nicht nur weil die MHP Riesen Ludwigsburg am späten Dienstagabend nach dem 94:85-Sieg gegen ratiopharm Ulm erstmals das Finale um die deutsche Basketball-Meisterschaft erreicht haben. Ein Meilenstein in der Geschichte des Vereins. Die Einschätzung zum Coach stammt übrigens von Alexander Reil, und der muss es wissen. Schließlich arbeitet der Vorsitzende seit mehr als sieben Jahren mit dem US-Amerikaner zusammen, da lernt man Stärken und Schwächen des anderen kennen, ob man will oder nicht.

 

Patrick, 52, will: Das Maximum. „Wir wollen den Titel holen, wenn wir die Chance dazu haben.“ Jetzt ist sie greifbar, wenngleich noch zweimal schwere 40 Minuten auf dem Parkett zu absolvieren sind, und die Riesen erneut Außenseiter. Doch diese Rolle ist wie maßgeschneidert. Patrick hatte betont: „Wir sind ein kleiner Fisch hier.“ Doch wie heißt ein Sprichwort: Fische fängt man mit Angeln, Leute mit Worten. Wie Patrick.

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Falls es noch eines Beweises bedurft hätte, war es das Viertelfinalduell mit Bayern München, dem Titelverteidiger. Während deren Trainer Oliver Kostic in den Auszeiten eher Allgemeinplätze von sich gab, kamen von Patrick klare Ansagen an die Spieler, die diese umzusetzen haben. Wenn nicht, wird auch schnell mal gewechselt. Da kennt Patrick kein Pardon. Aber jeder Profi weiß, auf was er sich einlässt. Ein Spieler hat einmal gesagt: „Wer nach Ludwigsburg geht, muss physisch und psychisch abgehärtet sein; wenn nicht, ist er es spätestens danach.“

Patrick fordert und fördert. Bestes Beispiel bei diesem Turnier ist nicht nur ein Ariel Huktporti, dem etliche Experten eine NBA-Karriere prophezeien, sondern auch Raddii Caisin (19) oder Eigengewächs Lukas Herzog (18), nicht zu vergessen die beiden Söhne, allen voran Jacob Patrick, der mit 16 Jahren sein Talent nachhaltig bewiesen hat.

Als Vater von fünf Kindern – drei Jungs und zwei Mädchen – braucht es schon eine gewisse Struktur im Hause Patrick in Hoheneck, um den Alltag zu meistern. Die am Ende nun dreiwöchige Abstinenz von der Familie nimmt er deshalb gelassen. „Meine Frau arbeitet im Schichtbetrieb im Krankenhaus, ich hätte sie in dieser Zeit sowieso nicht allzu oft gesehen“ – auch wenn sie in der heimischen MHP-Arena durchaus regelmäßig zu Gast ist. Der Hundebesitzer und Pferdeliebhaber Patrick hat seine Prinzipien. Frei übersetzt lauten die: Sein Wort gilt.

Co-Trainer müssen auch mal gehen

Das kommt nicht bei jedem an. Der eine oder andere Co-Trainer hat die Saison in der Vergangenheit nicht überlebt. Stephan Völkel oder Hamed Attarbashi, Patrick ist noch da. Und wo er ist, ist auch der Erfolg. Seit er im Januar 2013 zu den Riesen kam, haben die fünfmal die Play-offs erreicht – was für ein Team mit einem Etat von fünf Millionen Euro (Primus Bayern München hat fast fünfmal so viel) nicht selbstverständlich ist. Doch dahinter steckt kein Zufall, sondern System, getreu dem Riesen-Motto: Wir haben einen Ruf zu verlieren - und der ist nicht der beste. Ludwigsburg ist berühmt-berüchtigt für seinen Spielstil. Dabei setzt Patrick, der als Spieler über ein Probetraining bei den Golden State Warriors nicht hinaus gekommen ist und später in Japan spielte (und die Sprache lernte) ausgerechnet im Basketball auf kleine Akteure. Aus pragmatischen Gründen: „Jeder Zentimeter kostet“, sagt Patrick, der zuvor in Göttingen oder Würzburg ebenfalls keine Riesensummen zur Verfügung hatte.

Dafür aber sein Pressing, das er mal „full court for 40 minutes hell“ genannt hat. Heißt so viel wie: Auf dem ganzen Spielfeld die kompletten vierzig Spielminuten Hölle. Was eine unheimliche Intensität erfordert. Der Spieler Hans Brase sagt dazu: „Unser System ist es, das andere Team aus dem System zu bringen.“ Klingt simpel, wenn die Chemie im Team stimmt. Das war nicht immer so. Vor allem in der Vorsaison. Dann scheut sich Patrick auch nicht, die Spieler zu wechseln wie Hemden: Hire und Fire. Der vor allem in die USA bestens vernetzte Coach schafft es so, immer wieder Rohdiamanten zu verpflichten. „Wir sind ein Ausbildungsbetrieb“, sagt er gerne. Das ist kein Makel, sondern ein Markenzeichen, schließlich schafften so Spieler aus Ludwigsburg sogar den Sprung in die NBA wie Royce O’Neale oder Kelan Martin, oder auch in die Euroleague, in der ein Thomas Walkup nun beim Topclub Kaunas in Litauen unter Vertrag ist.

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Unter Patrick wird fast jeder Spieler besser. Sein Fachwissen macht nebenbei einen Sportdirektor nahezu überflüssig. Funktionieren würde es wohl sowieso nur bedingt. Reil weiß: „Am Ende muss der Trainer den Kopf hinhalten.“ Aber nicht in diesem Jahr. Patrick könnte sogar für andere Clubs wie Bamberg oder Bayern interessant werden. Gut, dass er noch Vertrag bis 2021 besitzt, Reil sieht bei einer Verlängerung deshalb keine Eile. Er weiß, was er an seinem Coach hat: „Deshalb ist er ja seit fast acht Jahren bei uns.“ Und das Projekt Patrick vielleicht kurz vor der Krönung. Zweimal war er schon Trainer des Jahres in der BBL, Meister noch nie. Wenn nicht jetzt, wann dann?