Der Reiter Michael Jung aus Horb, Olympiasieger in der Vielseitigkeit, setzt weiter auf sein 16-jähriges Paradepferd Sam.

Horb - Alle wollen den Jahrhundertreiter sehen. Deshalb kann Andreas Kroll, der Chef der In.Stuttgart, jetzt schon stolz vermelden: „Für unser 32. German Masters Mitte November in der Schleyerhalle haben wir bereits 22 000 Eintrittskarten verkauft – so viele wie noch nie zu diesem frühen Zeitpunkt.“ Und Gotthilf Riexinger, der scheidende Turnierchef, setzt vor seinem 32. und letzten Einsatz als Kopf der Reitertage am Cannstatter Wasen noch einen drauf, zitiert das neueste Prädikat für den 34-jährigen Superstar der weltweiten Buschreiter: „Es gibt gute Reiter und sehr gute Reiter – und es gibt Michael Jung!“ Der wiederum steht still zwischen den beiden, schmunzelt nur (wer weiß worüber) und lässt derlei Lobeshymnen grundsätzlich unkommentiert.

 

Knapp vier Wochen nach dem Gewinn seiner dritten Goldmedaille und dem Silber für die deutsche Equipe in der Vielseitigkeit bei den Olympischen Spielen in Rio steckt der Ehrenbürger seiner Heimatstadt Horb längst wieder im Turnieralltag: In Hambach bei Schweinfurt hat er einen jungen Sieger geritten, Preisgeld 450 Euro. Für den Erfolg im Grand Slam einige Wochen vor den Spielen von Rio waren es runde 400 000 Euro. Das ist die Spannweite im Dreikampf zu Pferd aus Dressur, Geländeritt und Springparcours.

An diesem Freitag startet Michael Jung mit talentierten Springpferden am Chiemsee, in einer Woche im Schlosspark von Donaueschingen, „aber nur einen Tag“, wie er sofort betont, denn das darauffolgende Wochenende verbringe er bei einer Vielseitigkeit in den Niederlanden. Die Begründung für derlei Reisefreudigkeit klingt einleuchtend: „Die Olympischen Spiele haben viel Zeit gekostet, deshalb hab’ ich die jungen Pferde etwas vernachlässigt – da muss ich jetzt einiges nachholen.“

„Kerngesund und topfit“ – trotz seiner 16 Jahre

Nur einer aus dem Stall der Familie Jung in Altheim hat seinen Hafer für dieses Jahr verdient, braucht nicht mehr anzutreten, darf sich auf seiner Koppel, die nur ihm gehört, ausruhen: „Mein Sam hat in Rio wieder toll für mich gekämpft.“ Er ist seit 2009 das mit Abstand erfolgreichste Buschpferd der Welt und mittlerweile bereits 16 Jahre alt – nein, 16 Jahre jung, sagen da erfahrene Hippologen wie Michael Jungs Vater Joachim: „Wir setzen unsere Cracks gezielt ein, das gilt nicht nur für Sam. Er ist kerngesund und topfit. Jetzt wird er von Michael abtrainiert, in der Saison 2017 wird er weitere Wettkämpfe bestreiten, vielleicht sogar die Vier-Sterne-Vielseitigkeit im englischen Badminton.“ Wichtig zu wissen ist, dass dort die schwerste Geländestrecke der Welt steht.

Michael Jung sagt es so: „Mit Sam möchte ich noch einige Turniere bestreiten, aber nicht mehr 2016. Er wird definitiv nicht am Hallen-Geländeritt in der Schleyerhalle teilnehmen – wen ich dort reite, das entscheide ich kurzfristig.“ Und sein Vater sagt spontan: „Wer weiß, vielleicht bleibt unser Sam ja so fit und gesund, dass wir ihn 2020 bei den Spielen in Tokio noch einmal satteln können.“ Sag niemals nie? Daran lässt Joachim Jung keinen Zweifel: „Sam wird nur solange zum Turnier gehen, solange sicher ist, dass er um den Sieg mithalten kann, alles andere hat er nicht verdient.“

Stellt sich die Frage, wie lange können die Ausnahmepferde im internationalen Spitzensport bestehen? Blick zurück nach zu den Olympischen Spielen in Rio: Der Brite William Fox-Pitt, ein Dauerrivale des Horber Seriensiegers, sattelte dort den ebenfalls 16-jährigen Holsteiner Chilli Morning, belegte am Ende Rang zwölf. Der Australier Stuart Tinney steuerte seinen bereits 18-jährigen Pluto auf Platz 22. Der Belgier Joris van Springel wurde auf seinem 17-Jährigen Lully 24.

Jung will nicht zu den Springreitern wechseln

Zum Springen: Christian Ahlmann aus der deutschen Bronzemannschaft ritt mit seinem 16-jährigen Taloubet das älteste Pferd der gesamten Konkurrenz. Der Schweizer Steve Guerdat, Olympiasieger von London 2012, hat gerade angekündigt, dass sein 15-jähriger Vino, Vierter von Rio, keine Championate mehr gehen werde. Negatives Beispiel: die Dressurreiterin Adelinde Cornelissen aus Holland ritt in Rio ihren bereits 19-jährigen Fuchshengst Parzival – sie musste nach wenigen Minuten aufgeben, weil ihr Pferd sichtbar krank war, dabei hatten die Tierärzte der Niederländerin grünes Licht gegeben. Uralte Reiterweisheit: ein Pferd hat kein Alter, sein Reiter muss spüren, wann es nicht mehr kann!

Im Gegensatz zu seinem Sam macht also Michael Jung keine Pause, im Gegenteil: „Unser Takinou, der eigentlich für Rio vorgesehen war, ist auf gutem Weg, seine Infektion zu überwinden, deshalb werde ich ihn im Oktober in Frankreich starten. Außerdem möchte ich in der Schleyerhalle meine Springpferde an den Start bringen.“ Noch eine wichtige Nachricht für die wachsende Zahl der Michael-Jung-Fans: „Bei mir bleibt alles wie es ist, ich werde in absehbarer Zeit nicht ins Lager der Springreiter wechseln.“