Das sagen die zehn Stuttgarter Sterneköche zur falschen Ehrung für die Alte Vogtei in Köngen. Das Restaurant wurde neu mit einem Stern ausgezeichnet, obwohl es seit Juni 2018 geschlossen ist.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Der Aufstieg und Fall der Alten Vogtei in Köngen (Kreis Esslingen) hat bundesweit Aufsehen erregt. Wie berichtet hat der „Guide Michelin“ in seiner am Montag erschienenen Ausgabe das Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet, obwohl es dieses seit Juni 2018 nicht mehr gibt. Die Betreiber hatten vorgegeben, nur vorübergehend im Winter zu schließen.

 

Dies ist nicht die einzige Adresse, mit der im Buch kein aktuelles Bild wiedergegeben wird. Im Januar 2019 machte Johann Lafer öffentlich, dass er sein Sternerestaurant Val d’Or auf der Stromburg im Hunsrück geschlossen habe und dort fortan „volksnäher“ kochen wolle. Die Nachricht erreichte den Guide erst nach Redaktionsschluss, im Buch ist Lafer also weiterhin Sternekoch. Nichts gewusst hat die Michelin-Redaktion davon, dass bereits am 30. Juli 2018 der Historische Krug in Oeversee, Schleswig-Holstein, abgebrannt ist. Im „Guide Michelin“ ist das Restaurant mit einem „Bib Gourmand“ gelistet. Doch besonders schwer wiegt die falsche Ehrung der Alten Vogtei in Köngen. Hat der wichtigste Gourmetführer sein Ansehen damit ein Stück weit verloren?

Ein Ausrutscher, der die guten Nachrichten überschattet

Anton Gschwendtner, der seit dem Sommer 2018 Küchenchef im Olivo ist, bedauert es, „dass die Vergabe der Sterne des ,Guide Michelin‘ 2019 von so einem negativen Zwischenfall überschattet wird“. Für Michael Huppert ist der „mediale Hype“ um die Alte Vogtei besonders ärgerlich, „ein Ausrutscher, der die vielen guten Nachrichten überlagert“. Schließlich ist er selbst ein verdienter neuer Sternekoch und kann aus seiner Sicht nur sagen, dass „gewissenhaft gearbeitet“ werde beim „Guide Michelin“. Fabian Heldmann, im Zauberlehrling ebenfalls neu mit einem Stern ausgezeichnet, spricht von einer „Ohrfeige für mich“ – von den Betreibern der Alten Vogtei. „Schade, dass dadurch eine ganze Branche in Verruf gebracht wird.“

Seit Claudio Urru das 5 verlassen hat, ist Alexander Dinter alleiniger Küchenchef. Der Stern sei „für jeden Koch ein Ritterschlag“. Deswegen findet er die Vorgänge in Köngen „unfair den Kollegen gegenüber, die hart arbeiten dafür“ – aber auch gegenüber dem „Guide Michelin“. Man spürt den Respekt, die „Demut“, wie Dinter selbst sagt: „Ich würde es nie wagen, den Guide oder einen anderen Gourmetführer so anzulügen.“

Stefan Gschwendtner, der unter den neuen Betreibern der Speisemeisterei den Stern bestätigt hat, spricht von einer „Vertrauensbasis“, auf die man angewiesen sei. „Was hätten die Tester denn tun sollen? An der verschlossenen Tür klingeln?“ Andreas Hettinger vom Délice sagt, der Michelin sei schließlich „keine Gastro-Polizeikontrolle“.

Tausende Adressen sind zu prüfen

Auch Denis Feix von der Zirbelstube relativiert: „Das sind doch Tausende Adressen, die die gegenchecken müssen. Da hat es schon immer Kleinigkeiten gegeben, bei denen die sich verdruckt haben.“ Dabei könnte er auch weniger gut auf den „Guide Michelin“ zu sprechen sein, höre er doch regelmäßig von Gästen, man habe „locker den zweiten Stern verdient“. Den würde man auch Marco Akuzun vom Top Air zutrauen. Er verfolgt mit Skepsis, dass der „Guide Michelin“ Jahr für Jahr neue Rekorde vermeldet und es immer mehr Sternerestaurants gibt. Er habe schon „an Image verloren“ durch den Vorfall, aber im selben Atemzug sagt Akuzun: „Der Michelin tut mir leid, der sollte die auch verklagen“, womit er die Betreiber der Alten Vogtei meint. Klaus Jäschke vom Yosh ist ebenfalls der Ansicht, der Guide habe „Schaden genommen“ an der Geschichte, zumal sie „Wasser auf die Mühlen“ derjenigen sei, die der Gourmetküche eh kritisch gegenüberstünden.

Vincent Klink von der Wielandshöhe findet: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Selbst im Duden seien schon Fehler gefunden worden, „auch ich mache jeden Tag Fehler“. Er sehe das Buch weiterhin als gute Werbung für die Gastronomie, sagt aber, dass die wenigsten Gäste wegen des „Guide Michelin“ zu ihm kämen. Schlussendlich: „Alles nicht so schlimm wie der Dieselskandal.“