Michelin-Verleihung Zu wenig Dynamik für mehr Haute Cuisine in Stuttgart?

Wie steht es um die Sterneküche in Stuttgart? Ist das Maximum derzeit erreicht? Foto: Restaurant 5/KI/Midjourney/Montage: Pichlmaier

Schlechte Nachricht für Feinschmecker: Das geschätzte Olivo vom Hotel Graf Zeppelin wird nicht wieder eröffnet. In Stuttgart sorgen Familienbetriebe für die Sterne im Guide Michelin.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Der Schriftzug hängt zwar weiterhin an der Fassade, aber das Olivo ist wohl endgültig Geschichte. Vor fünf Jahren hatte Anton Gschwendtner für das Restaurant im Hotel Graf Zeppelin noch den lange ersehnten zweiten Stern für Stuttgart erkocht. Genießen konnten die Gäste die Auszeichnung nicht wirklich, denn es herrschte die Coronapandemie und das Lokal wurde kurz darauf geschlossen. Demnächst will das Steigenberger zusätzlich zum Zeppelinos wieder ein Restaurant eröffnen – allerdings nicht auf Gourmetniveau und nicht in den Räumen vom Olivo. „Es ist unser Wunsch, ein Konzept zu verwirklichen, das eine breitere Zielgruppe anspricht“, teilt das Hotel Graf Zeppelin mit. Hat Stuttgart also nicht genug Potenzial für Haute Cuisine? Anton Gschwendtner ging an München verloren, wo er das Restaurant Atelier vom Bayerischen Hof mit zwei Sternen bestückte.

 

Rückzug der Haute Cuisine aus der Innenstadt

„Aldi auf der Königstraße sagt viel darüber aus, wo wir stehen“, kommentiert Michael Zeyer die Entwicklung. Der Inhaber vom „5“ an der Bolzstraße hat nachgerechnet: Die Haute Cuisine befindet sich in der Stadt auf dem Rückzug. Trotz der beiden Aufsteiger Hegel Eins (2023) und dem Restaurant Zur Weinsteige (2024) bietet Stuttgart momentan zwei Sterne-Restaurants weniger als noch im Sommer 2019. Außerdem ging zusammengerechnet die Zahl der Plätze in den Gourmetlokalen zurück. „Es hängt alles vom Tourismus ab“, ist er überzeugt, von Einheimischen allein könnte sein seit 2012 mit dem Stern ausgezeichnetes Restaurant nicht überleben. Die Kaufkraft sei zwar vorhanden, sie fließe nur nicht „unbedingt in die Innenstadt“.

Stuttgarts bester Koch: Stefan Gschwendtner hat für die Speisemeisterei zwei Sterne von Michelin erhalten. Foto: Tom Weller / 24passion

Die bayerische Landeshauptstadt hat vieles, was Stuttgart momentan nicht hat: mehr Größe, mehr Glamour, mehr Geld – und ein Fünf-Sterne-Hotel wie der Bayerische Hof, das sich Haute Cuisine leistet. Sie hat mittlerweile auch ein Sterne-Lokal am Flughafen im dortigen Hilton Hotel, während das einst einzigartige Top-Air des Stuttgarter Flughafen-Caterers Claus Wöllhaf ebenfalls in der Pandemie geschlossen wurde. Sie hat Geldgeber wie den Großgastronom Marc Uebelherr, der das nun mit drei Sternen dekorierte Tohru in der Schreiberei mit auf den Weg brachte, oder den Großinvestor Ingo Hillen, der hinter dem Ein-Sterner Brothers steht.

Im Michelin wird die Konstanz ausgezeichnet

Stuttgart zeichnet sich im Michelin durch Konstanz aus – angeführt von Vincent Klink, dessen Wielandshöhe seit rund 30 Jahren den Stern trägt. Die Sterne-Restaurants sind in Nischen zu finden, auf der Halbhöhenlage oder im von der Familie Heldmann betriebenen Designhotel Zauberlehrling im Bohnenviertel sowie im Gewölbekeller vom Délice, das Andreas Hettinger als Koch und Andreas Lutz als Sommelier zu zweit lenken. Michael Huppert hat in Heslach seine Stammgäste für sich gewonnen, die er bereits fast elf Jahren, davon sieben mit Stern, verwöhnt. „Wenn man mal einen hat, will man ihn nicht wieder verlieren“, erklärt der Koch die Konstanz, „da ist der Ehrgeiz sehr hoch.“ Ohne Sponsor über dieses Niveau hinauszuwachsen, würde nur auf eigene Kosten gehen – in Form von Zeit oder Personalausgaben. Michael Huppert hat für sich das ideale Konzept gefunden mit einem kalkulierbaren Menü und einem Anspruch, der ihn und sein kleines Team „zufrieden und glücklich macht“.

Bedingungen, die ähnlich sind wie in München hat Stefan Gschwendtner erfolgreich umgesetzt. Seine Speisemeisterei gehört mittlerweile zum Portfolio von Michael Wilhelmer, das vom Bierzelt über mehrere Lokale und Catering bis zur Gastronomie im Daimler-Museum reicht. Noch unter der Ägide des Immobilienunternehmers Harald Panzer ging er den zweiten Stern an, stellte sich eine Mannschaft zusammen, schaffte den Mittagstisch ab, um sich ganz auf abends zu konzentrieren. „Es ist ein großer Sprung“, sagt er, der ihm 2022 gelang. Dennoch hält er ihn für schwer planbar. Bernhard Diers habe in der Zirbelstube vom Sanierungsfall Schlossgartenhotel „unfassbar gut gekocht“, jedoch nicht die Resonanz dafür erhalten. Und Christoph Rüffer vom Haerlin im Hamburger Fünf-Sterne-Hotel Vier Jahreszeiten musste 14 Jahre lang auf den dritten Stern warten. Die Anziehungskraft der Auszeichnung war für Stefan Gschwendtner sofort zu spüren: „Es gehen durchaus einige Stuttgarter bei uns essen“, kontert er zwar das hartnäckige Gerücht, dass die hiesigen Feinschmecker lieber nach München fahren würden, „aber unser Publikum ist seither auch internationaler geworden.“

Mehr Sterne, mehr Glanz für die Region

Ein paar zusätzlichen Sternen stünde Armin Dellnitz natürlich positiv gegenüber, „desto mehr glänzen Stuttgart und Region“, sagt der Geschäftsführer der Stuttgart-Marketing Gesellschaft. Die Sterne-Dichte hält er bereits für beachtlich, ein Luxushotel mit ausgezeichneter Küche wäre für ihn dennoch wünschenswert, ein Stern fürs Christopherus im Porsche-Museum ein Traum. Nach Ansicht von Michael Zeyer bietet Stuttgart aber zu wenig Attraktionen für mehr Haute Cuisine, weshalb sich Hotels wie das Graf Zeppelin aus dem Segment zurückziehen. „Der Michelin ist mit seinem Bewertungen korrekt“, sagt der Gastronom über das Sterne-Potenzial der Stadt, „wenn die Tester eine Dynamik spüren, zeichnen sie sie aus.“

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