Als IT-Projektleiterin nimmt Michelle Baisch an der Wahl zur Miss Germany 2022 teil. Sie will jungen Frauen zeigen, dass sie keinen Mann brauchen, der sie finanziert.

Kornwestheim - Michelle Baisch vereint zwei Welten, die für viele unvereinbar scheinen. Die 30-Jährige hat Wirtschaftsinformatik studiert, ist IT-Projektleiterin und will promovieren. Außerdem hat sie einen Instagram-Kanal mit knapp 13 000 Followern und Werbeeinnahmen. Denn Beauty und Make-up sind genauso ihr Ding wie Programmieren und IT.

 

Mit schwarzem Glitzernagellack an den Füßen und pinken Fingernägeln hat sich Michelle Baisch vor vielen Jahren um ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik beworben. „Heute würde ich wahrscheinlich dezenter auftreten“, sagt sie und lacht. Dennoch: Die 30-Jährige, die in Kornwestheim aufgewachsen ist, trägt aktuell ihre langen Haare in Wellen gelegt, ihre Wimpern sind auffällig lang und schwarz, die Lippen aufgespritzt, ihr Handy hat eine Hülle aus Leopardenmuster und Glitzer, die Jeans hat Löcher und sie trägt ein enges, bauchfreies Top. „Man sieht nicht, was ich mache, wenn man mich anguckt“, sagt Baisch. Sie weiß um alle Vorurteile, die mit ihrem Stil, aber auch schlicht mit ihrem Geschlecht einhergehen. Als sie nach dem Abitur Wirtschaftsinformatik studieren wollte, hörte sie oft, das sei nichts für Mädchen und das sei doch viel zu schwer.

Auch nebenberuflich erfolgreich

Trotz starkem Gegenwind hat sich Michelle Baisch in der IT-Branche durchgesetzt, ihren Master gemacht, bei Wüstenrot und IBM gearbeitet. Aktuell ist sie bei Daimler. Nebenberuflich betreut sie Social-Media-Kanäle von Influencern und Unternehmen und stellt Websites und Apps für sie bereit. Als Mentorin kümmert sich Baisch in ihrer Freizeit um junge Frauen, die ebenfalls in den IT-Bereich gehen wollen. „Ich bin damals kaum an Informationen gekommen: Wie viel verdient man? Was genau macht man eigentlich? Ist es nur Programmieren?“, erzählt Baisch. Diese Fragen möchte sie beantworten, um Frauen den Einstieg in die männerdominierte Branche zu erleichtern.

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Mit diesem Ziel hat sich Michelle Baisch um den Titel der Miss Germany 2022 beworben. Bei diesem Wettbewerb geht es längst nicht mehr um Schönheit und Äußeres, sondern um eine Botschaft, die die jeweilige Bewerberin in die Welt tragen möchte. „Ich finde es traurig, dass viele Frauen heute noch den Gedanken haben, dass sie sich einen Mann suchen, der sie finanziert“, sagt Baisch. Sie möchte Frauen zeigen, dass sie unabhängig sein können, dass sie sich auch ganz allein eine Wohnung und einen guten Lebensstandard leisten können. „Mein Chef hat gesagt, er hat noch nie so einen gut ausgehandelten Vertrag gesehen wie meinen“, sagt Baisch. Obwohl sie nach Tarif bezahlt wird, konnte sie einige Pluspunkte erreichen. Der Grund laut Michelle Baisch: Sie wusste, wie hoch sie pokern kann.

Kampf gegen Vorurteile

Aus dem eigenen Freundeskreis kennt sie aber das Problem: „Wenn ich zu Frauen sage, sie sollen hoch pokern, sagen die meisten, das sei doch viel zu viel, und die Männer sagen, das seien sie auf jeden Fall wert“, erzählt sie. Einem großen Mann im Anzug werde nun mal mehr Kompetenz zugesprochen als einer kleinen Frau in Jeans mit Löchern. Aber sie kämpft, um eines Tages dieses Muster vielleicht doch zu durchbrechen. „Ich bin ja eine ganz Nette und lache gerne, aber dann werde ich nicht mehr ernst genommen“, sagt Baisch. Daher wechsle sie im geschäftlichen Umfeld in den Profi-Modus und zeige, dass auch sie als Frau beim Thema IT der Chef sein kann.

Bei der Wahl zur Miss Germany hat es Michelle Baisch derzeit unter die besten 160 Bewerberinnen geschafft. Vom 1. bis 5. November kann online für sie abgestimmt werden. Nach dem Voting und einer Juryentscheidung bleiben dann 40 Bewerberinnen übrig. Die Miss Germany 2022 wird endgültig im Februar gekürt werden.