Die Bundesregierung versucht, über eine Novelle des Mietrechts den Anstieg der Mieten zu begrenzen. Der Versuch ist gut gemeint, kommentiert der StZ-Redakteur Armin Käfer. Doch dadurch werden nicht mehr Wohnungen gebaut.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - In der Immobilienbranche herrscht seit Jahren Goldgräberstimmung. Wohnen hat sich enorm verteuert. In Stuttgart stieg das Mietspiegelniveau binnen zwei Jahren um 7,7 Prozent. In Berlin schossen die Mietpreise noch steiler in die Höhe. In Hip-Quartieren der Hauptstadt wie etwa Neukölln liegen sie inzwischen um mehr als 50 Prozent über den vor fünf Jahren verlangten Summen. Opfer dieser Inflation sind vor allem Familien und Mieter, deren Portemonnaie nicht allzu üppig gefüllt ist. In vielen Großstädten und häufig auch in deren Umland gleicht es einem Lotteriespiel, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Wohnen wird zum Luxus, und das nicht nur in den begehrtesten Vierteln.

 

Diese fatale Entwicklung will die große Koalition drosseln. Zu dem Zweck haben Union und SPD im Wahlkampf die Mietpreisbremse erfunden. Lange genug wird darüber schon geredet. Jetzt haben sich die Regierungsparteien über die letzten strittigen Details verständigt. In der kommenden Woche soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden. Die Dynamik auf dem Wohnungsmarkt wird durch diese Bremse jedoch kaum aufzuhalten sein. Bestenfalls dürfte sie sich vorübergehend etwas verlangsamen. Es ist eine gut gemeinte Politik von allerdings zweifelhaftem Nutzen.

Der Markt ist ohnehin schon überreguliert

Immerhin hat die Mietpreisbremse ein Verfallsdatum. Sie gilt jeweils nur für fünf Jahre. Zudem soll dieses Instrument nur in Ballungsräumen seine Wirkung entfalten. Letztlich entscheiden die Länder, wo sie das für nötig halten. Jeder Zentralismus wäre in solchen Fragen schädlich. Sinnvoll war es zudem, Neubauten und renovierte Wohnungen auszugrenzen. Sonst wäre das ein reines Investitionsverhinderungsgesetz geworden. Auch in der entschärften Version wird es Investoren nicht eben ermutigen, ihr Geld in Mietwohnungen anzulegen. Der Markt ist ohnehin überreguliert.

Wir haben in Deutschland eine soziale Marktwirtschaft kultiviert. Diese verdankt ihre Prosperität und Produktivität auch eben jenem Beiwort: sozial. Daraus erwachsen Verpflichtungen. Der Markt braucht manchmal Schutzzäune und Leitplanken. Ein ähnlicher Zweck ist der Mietpreisbremse zugedacht, so argumentieren ihre Befürworter. Denn Wohnungen sind ein heikles Gut. Längst nicht jeder kann es sich leisten, in den eigenen vier Wänden zu leben. Es gibt zwar so etwas wie ein ungeschriebenes Grundrecht auf menschenwürdiges Wohnen – aber keinen verbrieften Anspruch auf eine möglichst kostengünstige Wohnung in Wunschlage.

Der Trend lässt sich nicht per Dekret stoppen

Die Mietpreisbremse ist auch ein schwerer Eingriff in die Eigentumsrechte derer, die Wohnungen vermieten. Manchmal wäre mit einfachen Mitteln vielleicht mehr zu erreichen als mit bürokratischen Vorschriften. Die Industriegewerkschaft Bau hat zum Beispiel vorgeschlagen, Senioren eine staatliche Umzugsprämie anzubieten. So könnte Wohnraum für Familien frei werden. Viele ältere Menschen leben in Mietwohnungen, deren Zimmer sie gar nicht alle benötigen.

In Städten, in denen es attraktive Jobs gibt oder ein Flair, das viele anzieht, da wird Wohnraum immer knapp und tendenziell teuer sein. Dieser Trend lässt sich nicht per Dekret stoppen. Für die galoppierenden Preise auf dem Wohnungsmarkt und die sozialen Folgeschäden sind politische Unterlassungssünden mit verantwortlich. Als neoliberales Denken en vogue war und eine Deregulierungswelle über das Land rollte, wurde vielerorts die soziale Stadtentwicklung vernachlässigt, der soziale Wohnungsbau verkümmerte. Der Umstand, dass es Menschen gibt, die marktgerechte Mieten schlichtweg nicht bezahlen können, verlangt nach einer zeitgemäßen Antwort. Das Mietrechtsnovellierungsgesetz, wie das Paragrafenwerk für die Mietpreisbremse betitelt ist, trägt jedoch nicht dazu bei, dass auch nur eine einzige Wohnung gebaut wird. Und daran mangelt es vor allem.