Die Stadt Leinfelden-Echterdingen reagiert auf die aktuellen Zugangszahlen von Asylsuchenden, die stark zurückgehen. Und spart mit diesem Schritt monatlich viel Geld ein.
Das Containerdorf am Ortsrand von Echterdingen wird bis Ende des Jahres abgebaut. Dies gab Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell am Dienstagabend am Rande der jüngsten Gemeinderatssitzung bekannt. Die Stadt reagiert damit darauf, dass die Zugangszahlen von Asylsuchenden „extrem rückläufig sind – beim Bund, beim Land und auch beim Landkreis Esslingen“, wie er sagte. Als Gründe hierfür führte er unter anderem die Flüchtlingspolitik der neuen Bundesregierung an.
In vergangenen Monaten musste der Landkreis Esslingen laut Kalbfell nur 50 bis 60 Menschen neu aufnehmen. Im Juni habe das Land dem Landkreis Esslingen sogar nur 30 Geflüchtete zugewiesen. Die Stadt Leinfelden-Echterdingen muss 7,5 Prozent davon unterbringen, was nicht einmal drei Geflüchteten bedeuten würde. „Es kommt fast niemand mehr ins Land“, sagte er.
Hinzu kommt: Teure, auf die Schnelle hochgezogene Mietunterkünfte sollen in Leinfelden-Echterdingen die Ausnahme bleiben, vielmehr sollen dauerhafte Unterkünfte gebaut werden, die wirtschaftlicher betrieben werden und später auch für einen anderen Zweck genutzt werden können. Das sei im Bürgerausschuss so beschlossen worden, erinnert Kalbfell. Zur Erinnerung: Der Ausschuss wurde gegründet, damit sich die Menschen in Leinfelden-Echterdingen bei der Frage, wo neue Unterkünfte für Geflüchtete in der Stadt gebaut werden, gehört und mitgenommen fühlen.
Das Areal war nie ganz belegt
Auf dem Renault-Gelände leben derzeit 118 Menschen. Dabei bietet das Containerdorf Platz für bis zu 264 Personen, wobei es nie ganz, aber zu Spitzenzeiten immerhin zu 85 Prozent belegt war, wie der Bürgermeister auf Nachfrage der Grünen-Fraktion mitteilte. Die mobilen Unterkünfte waren für zwei Jahre – von September 2023 bis September 2025 – gemietet. Dieser Vertrag hätte um zwei Jahre verlängert werden können, teilte Kalbfell mit, darauf will die Kommune nun aber verzichten. Denn: „Wir haben bessere Alternativen“, stellte der Bürgermeister fest.
Gemeint sind dabei die Mietcontainer, die im Leinfelder Neubaugebiet Schelmenäcker in den vergangenen Monaten auf dem sogenannten Baufeld F und K aufgestellt worden sind. Dort sind gerade die ersten Geflüchteten eingezogen. „Damit kommen wir zurecht – auch mit der Aufnahmeverpflichtung für das Jahr 2025 und ein Stück weit auch mit der von 2026“, betonte der Bürgermeister. Damit könne die Stadt die Zwischenzeit überbrücken bis der Standort Dieselstraße in Betrieb gehen kann. Dort könnten bis zu 450 Menschen eine Bleibe auf Zeit finden.
Die Stadt Leinfelden-Echterdingen hatte zwei ehemalige Bürotürme an der Echterdinger Dieselstraße gekauft. Diese will die Kommune in eine große Geflüchtetenunterkunft umwandeln. Der Erwerb und der Umbau werde die Stadt einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag kosten, hatte Bürgermeister Kalbfell im Herbst 2024 auf Nachfrage informiert.
Indem die Stadt Leinfelden-Echterdingen das Containerdorf auf dem Echterdinger Renault-Gelände aufgibt, spart sie pro Monat fast 90 000 Euro oder auch eine Million Euro pro Jahr, rechnete er gemeinsam mit Oberbürgermeister Otto Ruppaner vor. Allein die monatliche Grundmiete beträgt fast 60 000 Euro, hinzu kommen Energiekosten von durchschnittlich 24 000 Euro pro Monat. Außerdem monatliche Kosten für Wasser (1200 Euro), Müll (1080 Euro) und die Trafostation (2100 Euro). Von „diesem Hochpreisstandort“ wie sich Bürgermeister Kalbfell ausdrückte, will sich die Stadt trennen. Bis zu den Sommerferien sollen jene Menschen, die jetzt noch auf dem Areal leben, in die Unterkünfte in den Schelmenäckern umziehen. Die Container werden wohl noch bis Ende des Jahres auf dem Gelände an der Leinfelder Straße stehen bleiben.
„Das ist eine gute Nachricht für unsere Stadt“, sagte FDP-Stadtrat Wolfgang Haug. Er sagte aber auch: „Es wäre oberpeinlich, wenn das Gelände ein drittes Mal belegt werden würde.“ Es sei jetzt sehr wichtig, hier städteplanerisch eine Aussage zu machen. Wolfgang Haug reagierte damit auf eine Frage der Grünen: „Was passiert im Anschluss mit dem Renault-Gelände: Ist das dann Teil des Tafelsilbers der Stadt, das veräußert wird?“, wollte Fraktionschef David Armbruster wissen. „Wenn wir so dringend Flächen brauchen, müssten sich die örtlichen Betriebe ja die Finger danach lecken, das Gelände zu kaufen und dann zu bebauen. Und soweit zur S-Bahn ist es ja auch nicht.“
Das Areal an ortsansässige Unternehmen zu verkaufen – diesen Gedanken hatte die Grünen-Fraktion bereits in der Debatte zum Doppelhaushalt 2025/2026 ins Spiel gebracht. „Möglich wird dies, da Menschen mit Fluchterfahrung künftig an der Dieselstraße unterkommen können“, hatte der Fraktionschef in seiner Haushaltsrede gesagt.
„Es gibt Überlegungen und Gedanken zu einer gewerblichen Nutzung des Grundstückes“, sagte Rathauschef Otto Ruppaner. Die Stadtverwaltung wolle demnächst den Gemeinderat dazu informieren. Noch sei man nicht sprechfähig.
Das Renault-Gelände
Erstes Camp
Das Renault-Gelände liegt an der Leinfelder Straße – am Ortsrand von Echterdingen – und war schon mehrmals Heimat auf Zeit für Menschen auf der Flucht. Auf dem Areal waren bereits in den 1980er und 1990er Jahren Geflüchtete untergebracht. Bis zu 300 Menschen hatten dann in den Jahren nach 2015 in dem „Camp“ gelebt, wie die Flüchtlingsunterkunft auch bezeichnet wurde. Dieses Camp, vom Landkreis Esslingen erbaut, bestand aus Containern und winterfesten Zelten.
Zweites Camp
Im Jahr 2023 hatte die Stadt Leinfelden-Echterdingen auf dem Areal dann ein zweistöckiges Gebäude aus Wohncontainern errichten lassen, um Menschen aus der Ukraine und anderen Krisenregionen der Welt ein Dach über dem Kopf bieten zu können. Ende 2023 waren zunächst etwa 115 Geflüchtete in das damals neue Containerdorf gezogen.
Investoren
An dem Gelände waren in der Vergangenheit auch verschiedene Investoren interessiert. Dauerhafte Lösungen, darunter ein Chinese Trade Center, wurden aber nicht realisiert. Die Firma Rewe hatte während einer Neubauphase auf dem Areal ein Verkaufszelt aufgeschlagen. Ein Busunternehmen hatte das Grundstück auch schon als Parkplatz genutzt.