Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Erst kamen Männer, die von einem Tierfuttermittelhersteller im benachbarten Bretten als Billiglöhner angeheuert wurden. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eröffnete ihnen rechtlich die Möglichkeit, ihre Frauen und ihre zahlreichen Kinder nach Pforzheim zu holen. Keiner von ihnen sprach Deutsch, viele konnten nicht mal Texte in ihrer Muttersprache lesen. Eine Befragung ergab, dass lediglich sechs Prozent der Erwachsenen eine abgeschlossene Ausbildung besaß. Auf die Frage, welchen Beruf sie ausüben wollten, antworteten 60 Prozent „egal“, 15 Prozent nannten eine Anstellung bei dem Tierfuttermittelhersteller als Traumjob.

 

Die Stadt stellte einen irakischen Dolmetscher ein, bot Deutschkurse in den Familienzentren an und ließ eine DVD produzieren, die Analphabeten die Hilfsangebote für Kinder näherbrachte. An der Inselschule gab es zeitweise mehr spezielle Vorbereitungsklassen als normale Grundschulklassen, weil 200 Kinder unterrichtet werden mussten, die aus einem fremden Kosmos kamen, der weit hinter unserer Zeit liegt. „Diese extrem bildungsbenachteiligte Migrantengruppe stellte uns vor eine bisher unbekannte Herausforderung“, sagt Anita Gondek.

Die jesidischen Einwanderer sind zumeist unauffällig, bescheiden, lernwillig, und ihr Kinderreichtum könnte ein Segen für die überalterte deutsche Gesellschaft sein. Sie geben sich oft mit anspruchslosen Tätigkeiten zufrieden, schicken ihren männlichen Nachwuchs, sobald es geht, zum Geldverdienen in ein Schnellrestaurant oder in eine Reinigungsfirma. „Viele von ihnen empfinden ihr karges Einkommen als ausreichend“, sagt Anita Gondek.

Der Austausch gestaltet sich mitunter schwierig. Es gibt zwar inzwischen einen jesidischen Kulturverein in Pforzheim, aber wer dessen aktueller Vorsitzender ist, hat die Integrationsbeauftragte nicht herausgefunden: „Die Stadt würde gerne einen intensiveren Dialog führen, aber wir stoßen mit unseren Bemühungen an Grenzen.“