Menschen, die sich in den Ferien um nichts kümmern wollen, buchen All-inclusive. Doch weniger ist oft mehr, findet Experte Mikka Bender.

Herr Bender, fahren Sie gerne in den Urlaub?
Auch wenn ich beruflich wirklich sehr viel unterwegs bin, fahre ich noch immer gerne in den Urlaub, ja.

 

Würden Sie privat All-inclusive-Urlaub buchen?
Um Gottes willen, nein. Niemals!

Weshalb denn nicht? Immerhin finden genau diese Art von Urlaub viele Menschen - darunter viele Deutsche - toll.
Ja, weil sie denken, dass sie dann das Rundum-sorglos-Paket gebucht haben. Sie fliegen nach Mallorca oder Ägypten, werden vom Flughafen zum Hotel kutschiert, haben dort 14 Tage lang die komplette Verpflegung und brauchen sich um nichts mehr zu kümmern.

Ist das etwa nicht so?
Die Reiseveranstalter haben es im Laufe der vergangenen Jahre geschafft, den Menschen klarzumachen, dass sie ohne all-inclusive (AI) in einem fremden Land verhungern oder verdursten. Erstens stimmt das aber nicht, und zweitens ist das, was die Urlauber in den meisten AI-Hotels zu essen bekommen, die absolute Katastrophe. Wissen Sie, was ein Hotel pro Tag an Wareneinsatz pro Gast rechnet?

Nein, keine Ahnung . . .?
Zwischen fünf und zehn Euro. Das haben mir diverse Hotelmanager unter der Hand verraten.

Wie soll man mit einem solchen Budget denn gutes Essen kochen?  Dabei kann doch gar nichts Gescheites herauskommen. Rechnet sich AI überhaupt für einen Hotelier? Ich dachte immer, dass man in einem solchen Hotel den ganzen Tag lecker essen kann! Von wegen! Wenn Sie nicht mindestens eine halbe Stunde vor Büfettöffnung dort stehen, dann haben Sie oft Pech und stehen ewig in der Schlange. Die Tische werden nicht abgeräumt und sind verschmutzt, die Büfetts sind das reinste Schlachtfeld und werden nicht mehr aufgefüllt. Ihre Soft-Getränke müssen Sie sich selbst am Automaten zapfen, das Personal ist in der Regel nur mit Hilfe von Trinkgeld freundlich und hilfsbereit. In jeder deutschen Knastkantine geht es beim Essen gesitteter zu.

Sind dann wenigstens die Zimmer in Ordnung?
Nein, auch die sind meistens eine Katastrophe. Viele Urlauber, die ich bei meinen Recherchen getroffen habe, haben mir von völlig verdreckten Zimmern und Bädern erzählt, von unzumutbaren Zuständen im Restaurant oder am Pool. Und ich habe mir dann selbst ein Bild davon gemacht: Sie hatten wirklich recht. In solchen Hotels würde niemand freiwillig absteigen, wenn er vorher wüsste, wie es dort aussieht.

Und warum beschweren sich diese armen Menschen dann nicht?
Das tun viele ja auch, beim Hotelmanagement oder beim zuständigen Reiseleiter. Aber meist werden sie dann vertröstet und hingehalten, bis es nur noch wenige Tage bis zum Heimflug sind - und dann wechseln die Leute eh kein Zimmer mehr, sondern haben sich damit abgefunden. Wissen Sie, was ganz viele AI-Urlauber immer mit im Gepäck haben?

Nein, was denn?
Desinfektionsmittel, Putzzeug und zusätzliche Handtücher.

Wozu denn die Handtücher?
Auf die legen sich die Leute dann in ihrem Hotelbett, weil viele Schlafstätten häufig so versifft sind, dass da niemand mehr drauf schlafen mag. Die Frauen putzen nach der Ankunft erst mal die Zimmer, die Männer trinken sich das Ganze schön.

Das hört sich ja grauenhaft an! Gibt es auch Positives über AI-Urlaub zu berichten?
Da fällt mir eigentlich nicht viel ein. Okay, ein Zugeständnis kann ich schon machen: Wenn Sie wirklich viel Geld ausgeben, dann haben Sie in der Regel auch ein gutes AI-Hotel. Neulich war ich in Kärnten in einem AI-Club, der war toll. Tolles Essen, tolle Zimmer, tolles Haus. Aber der Preis war eben auch entsprechend hoch.

Dabei buchen ja genau deshalb viele Menschen AI-Urlaub: weil sie denken, dass sie eine Menge Geld sparen?
Auf den ersten Blick erscheint solch eine Art des Urlaubs ja auch günstig. Für 300 Euro eine Woche nach Mallorca oder Ägypten, dort ist alles frei, man braucht nichts mehr zu bezahlen - das hört sich natürlich verlockend an! Aber die Qualität, die man dann vor Ort bekommt, ist eben oft wirklich schlimm und eigentlich unzumutbar. Und oft greift man für alkoholische Getränke dann noch extra tief in die Tasche. Irgendwie ist es doch komisch: Wenn sich ein Deutscher eine Waschmaschine, ein Auto oder einen Fernseher kauft, dann informiert er sich tage- oder wochenlang, er lässt sich beraten, wälzt Kataloge und entscheidet sich schließlich für ein Produkt, das sein Geld auch wert ist. Aber ausgerechnet, wenn es um die schönste und wertvollste Zeit des Jahres geht, da bucht er querbeet im Internet und lässt sich schlechte Ware andrehen.

Machen es andere auch so oder nur die Deutschen?
Der deutsche Urlauber ist schon sehr leidensfähig und lässt sich viel gefallen. Hartgesottener sind nur noch die Engländer und Holländer, die vertragen noch mehr.

Und wie kann man sich vor miserablen Hotels schützen?
Indem man den schönen Versprechungen in den Katalogen nicht glaubt. Das ist meist eine ganz blumige Sprache, alles hört sich toll an - aber bei ganz besonderen Formulierungen sollte man vorsichtig sein.

Zum Beispiel?
Wenn ein Hotelzimmer als „hell und freundlich“ angepriesen wird, dann steht da meist nicht viel mehr drin als ein Bett. Und wenn es heißt „Das Hotel ist nur durch die Küstenstraße vom Strand getrennt“, dann bedeutet das nichts anderes, als dass das Hotel an einer mehrspurigen, vielbefahrenen Straße liegt. Der Urlaub wird also mit Sicherheit nicht sehr idyllisch. Und wenn die „internationale Atmosphäre“ hervorgehoben wird, dann handelt es sich um ein typisches Saufhotel, in dem es laut und heftig zugeht.

Haben die Hoteliers gar kein schlechtes Gewissen, wenn sie so etwas anbieten?
Der Hotelier hat oft gar keine andere Wahl, weil er mit einem sehr knappen Budget kalkulieren muss und zudem vom Veranstalter unter Druck gesetzt wird. Manche Veranstalter allerdings realisieren das Problem schon - aber ändern tut sich nicht wirklich etwas.

1954 wird Michael „Mikka“ Bender in Mönchengladbach geboren. Nach dem Geografie- und Sportstudium gründet er ein eigenes Reiseunternehmen und ist als Reiseleiter weltweit unterwegs. Seit 2010 steht er in der Sendung „Hilfe, mein Urlaub geht baden!“ vor der Kamera. Sein Buch „Die All-Inclusive-Lüge“ ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen (8,99 Euro).