Die Europäische Union will Fußballfelder mit synthetischem Granulat verbieten. Das Mikroplastik gelangt in den Wasserkreislauf. Vereinsvorstände sprechen sich kollektiv dagegen aus. Aber in der Lokalpolitik gibt es auch Fürsprecher.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Die Zahlen sprechen für sich: Aktuellen Schätzungen zufolge gelangen allein in Deutschland jährlich zwischen 8000 und 11 000 Tonnen Mikroplastik von Kunstrasenplätzen ins Grundwasser. Das ergab eine Studie des Fraunhofer-Instituts, die von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen finanziert wurde. Die Forscher gehen davon aus, dass das Granulat damit ein großer Verschmutzer der Weltmeere ist. Die Europäische Chemikalienagentur der Europäischen Kommission rät nun, die Verbreitung von Schüttgut aus Kunststoff von 2022 an deutlich zu reduzieren – oder gar ganz zu verbieten. Das könnte das Aus bedeuten für die vielen Kunstrasenplätze im Land.

 

Davon betroffen wären auch die Sportvereine auf der Filderebene. Darum fordern Sportvorstände in Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt und Stuttgart, dass es zumindest einen Bestandsschutz für die meist noch recht jungen Kunstrasenplätze gibt. Der Deutsche Städte-und Gemeindebund hat sich im Falle eines EU-Verbots für eine Übergangsregelung von mindestens sechs Jahren ausgesprochen. Stuttgarts Sportbürgermeister Martin Schairer erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass in der Landeshauptstadt derzeit acht Kunstrasenplätze im Bau seien. Diese werde man fertigstellen.

SÖS/Linke-plus: Kunstrasenplatz ist nicht mehr zu verantworten

Einer dieser Plätze entsteht an der Heßbrühlstraße in Stuttgart-Vaihingen. Dort will das Versicherungsunternehmen Allianz seine neue Zentrale bauen – und zwar auf dem konzerneigenen Gelände, auf dem bisher der TSV Georgii Allianz beheimatet ist. Für den kleinen Sportverein ist das mit großen Herausforderungen verbunden. Um sich für die Zukunft neu aufzustellen, kooperiert er mit den benachbarten Vereinen. Und die Allianz finanziert zum Ausgleich einen neuen ligatauglichen Kunstrasenplatz auf einem Grundstück der Stadt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen EU-Diskussion fordert die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus im Bezirksbeirat nun, dass die Bauarbeiten eingestellt werden und stattdessen eine „umwelt-, klima- und gesundheitsunschädliche Sportplatz-Variante“ geplant und realisiert wird. Es müsse im Interesse der Stadt sein, dass am Schwarzbach kein Kunstrasenplatz entsteht, der in wenigen Jahren nicht mehr genutzt werden dürfe und für den dann Sanierungskosten von mehreren hunderttausend Euro erforderlich wären, heißt es in der Begründung. Unabhängig davon sei ein große Mengen an Mikroplastik freisetzender Sportplatz in einem grundwasserempfindlichen Gebiet mit einem direkt angrenzenden Kinderspielplatz nicht mehr zu verantworten, so die Meinung der SÖS/Linke-plus. Der Antrag soll am 16. Juli in der Sitzung des Bezirksbeirats behandelt werden.

Fakt ist, dass die Fraktionsgemeinschaft von Anfang an gegen einen neuen Kunstrasenplatz am Schwarzbach war. Die enorm bedeutsame Kaltluftentstehungsfunktion des Schwarzbachtals werde bereits mit dem geplanten Wegfall und einer massive Überbauung des Naturrasenplatzes des Allianz-Sportgeländes „in unverantwortlicher Weise beeinträchtigt“, hieß es in einem Antrag vom Februar 2018. Es sei daher völlig unangemessen, auch noch die angrenzenden Grünbereiche durch Kunstrasenplätze zu versiegeln. „Die klimatischen Belange müssen in jedem Fall Vorrang vor der leichteren Pflege eines Kunstrasenplatzes haben“, forderte die SÖS/Linke-plus schon damals.

Es gibt umweltfreundlichere Alternativen zum Kunststoffgranulat

Fakt ist, dass jeder Quadratmeter Kunstrasen mit etwa fünf Kilogramm Gummistreu gefüllt ist. Pro Platz macht das etwa 35 Tonnen Granulat. Es wird unter anderem aus alten Autoreifen hergestellt. Das Material macht den Kunstrasen geschmeidig und verleiht ihm ähnliche federnde Eigenschaften wie bei echtem Gras. Darüber hinaus stabilisiert es die Plastikhalme und schützt die Spieler vor Verletzungen.

Umweltfreundlichere Alternativen zum Kunststoffgranulat gibt es. Doch auch die haben ihre Nachteile. Kork zum Beispiel ist nicht nur deutlich teurer, er erfordert auch mehr Pflege. Bei Nässe quillt er auf und kann schimmeln. Sand ist feinkörnig, um diesen Füllstoff zu halten braucht der synthetische Rasen genügend feine Fasern. Nicht nur beim Autofahren, sondern auch beim Kunstrasen gibt es Hybridlösungen, die aus künstlichem und natürlichem Grün bestehen. Doch das ist für die meisten Vereine unerschwinglich.