Wegen der rückläufigen Milchanlieferung wird die Produktion der größten Molkerei im Land am Standort Rottweil 2014 eingestellt. Mit der Schließung will Omira aus den roten Zahlen kommen. Die Bauern sollen wieder mehr Geld für ihre Milch erhalten.

Stuttgart - Ob eine Molkerei erfolgreich ist oder nicht, bemisst sich für die Milchbauern an einer einzigen Zahl: dem Milchpreis. Was diesen Punkt angeht, hatten die Lieferanten der Omira in Ravensburg in der Vergangenheit wenig Grund zur Klage. Ihre Molkerei lag bei den Auszahlungspreisen oft an der Spitze im Land. Im vergangenen Jahr war es damit vorbei. In einzelnen Monaten zahlte Omira für ein Kilo Milch fast fünf Cent weniger als die bestplatzierte Molkerei im Südwesten. Hintergrund waren verlustbringende, relativ lang laufende Lieferverträge für Milchpulver. Ein Drittel der einst 4000 Milcherzeuger soll wegen der schlechten Preise den Liefervertrag gekündigt oder mit Kündigung gedroht haben. Im Juni wurden beide Geschäftsführer abberufen. Wolfgang Nuber musste sofort gehen, Stefan Bayr räumt Ende Oktober seinen Stuhl.

 

Am Mittwoch hat die größte Molkerei Baden-Württembergs nun auch offiziell mitgeteilt, wie viele Milchbauern ihr den Rücken gekehrt haben. „Auf Basis der aktuell vorliegenden Kündigungen“ werde die Omira-Gruppe bis 2015 rund 250 Millionen Kilogramm Milch vor allem in der Region Ravensburg/Rottweil verlieren, heißt es in einer Mitteilung. Das wäre rund ein Viertel der bisher verarbeiteten Menge von einer Milliarde Kilogramm. Auch mit der verbleibenden Milch bliebe die Omira der größte Verarbeiter im Land.

Wegen der rückläufigen Milchanlieferung wird die Produktion am Standort Rottweil Ende September 2014 eingestellt. Erhalten bleiben das Stammwerk Ravensburg, dessen Auslastung steigen soll, und der bayerische Standort Neuburg. Bei der Schließung von Rottweil würden die Interessen der 120 Mitarbeiter berücksichtigt, verspricht der Generalbevollmächtigte Ralph Wonnemann, der die Geschäfte führt, bis ein neuer Chef gefunden wird. Die Verhandlung eines Sozialplans mit dem Betriebsrat stehe ebenso auf der Agenda wie die Weiterbeschäftigung an anderen Standorten oder die Weitergabe des Standorts an ein anderes Unternehmen. Heute soll das Restrukturierungskonzept auf einer Gesellschafterversammlung verabschiedet werden.

Keine „Kontrakte zu Dumping-Preisen“ mehr

Die Omira-Mitteilung ist durchsetzt von harscher Kritik an der alten Geschäftsführung, wenn etwa von „unzureichenden Steuerungssystemen“ die Rede ist. Um die „Fehler der Vergangenheit“ abzustellen habe man bereits im Frühjahr Sofortmaßnahmen eingeleitet. So seien Instrumente wie Monatsreporting, Liquiditätsplanung, Vertriebscontrolling und Milchgeldprognose verbessert oder neu eingeführt worden. Bei wichtigen Vertragsverhandlungen gelte nun das Vier-Augen-Prinzip. Zudem würden keine „Kontrakte zu Dumping-Preisen“ mehr abgeschlossen. Im Geschäft mit der Industrie sollen flexiblere Verträge Preisanpassungen erleichtern.

„Das Grundproblem war, dass die Omira ein Erbhof der Familie Nuber war“, sagt ein ehemaliger Milchlieferant. Wolfgang Nuber hatte die Geschäftsführung 2001 von seinem Vater Karl übernommen – mit Zustimmung des Aufsichtsrates. Das Kontrollgremium habe die Fehler des Neuen lange gedeckt – etwa den Skandal um falsch deklarierten Käse aus Holland, der als „Bodenseekäse“ verkauft worden war. Für problematisch hält der frühere Lieferant auch die Kooperation mit der Bezirksmolkerei Ansbach. Sie habe der Omira zwar zusätzliche Milch beschert – für die sie aber gar keine sinnvolle Verwendung gehabt habe. Hinzu kamen die schlechten Milchpulver-Lieferverträge.

Mit der Entwicklung der Omira seit dem Frühjahr zeigen sich Wonnemann, der scheidende Geschäftsführer Bayr und Aufsichtsratschef Erich Härle zufrieden. Das Halbjahresergebnis der Gruppe mit bislang 500 Beschäftigten liege „deutlich über dem Vorjahresniveau“. Im Gesamtjahr wird ein Überschuss von gut vier Millionen Euro erwartet – nach rund 15 Millionen Euro Verlust in 2012. „Diese erfreuliche Entwicklung macht eine sukzessive Anhebung des Milchgelds von 31, 5 Cent/kg im März/April 2013 bis auf 37,5 Cent /kg im August 2013 möglich“, heißt es in der Mitteilung. Bei konsequenter Umsetzung der neuen Strategie könnten weitere Erhöhungen folgen.

Die Anhebung des Milchgelds ist auch dringend nötig, um im Wettbewerb mit anderen Molkereien zu bestehen, die ebenfalls um den Rohstoff Milch buhlen. Denn der Markt entwickelt sich derzeit aus Sicht der Erzeuger äußerst positiv. Aktuell liegt der Auszahlungspreis mit durchschnittlich 37,5 Cent fast ein Viertel über dem Wert vor einem Jahr. Wichtigste Triebfeder ist dabei wieder einmal der Export in Länder wie Italien, die Niederlande und Frankreich, aber auch nach China, wo H-Milch und Milchpulver aus Deutschland gefragt sind.

Milchproduktion in Baden-Württemberg

Produktion:
Im Land halten 9600 Haupt- und Nebenerwerbslandwirte 340 000 Milchkühe. Im durchschnittlichen Haupterwerbsbetrieb stehen etwa 50 Kühe, die zusammen im Jahr 350 000 Liter Milch geben. Wenn der Auszahlungspreis um einen Cent sinkt, fehlen einem solchenBetrieb 3500 Euro im Jahr.

Omira
: Die Oberland-Milchverwertung (Ravensburg) wurde 1929 von Franz Schenk Freiherr von Stauffenberg gegründet. Die größte Molkerei im Land befindet sich vollständig im Besitz von Landwirten. Trotz der jüngsten Probleme ist die Omira nach Einschätzung von Branchenexperten nicht in ihrer Existenz bedroht.

Allgäuland
: Wohin Missmanagement bei einer Molkerei führen kann, zeigen die früheren Allgäuland-Käsereien. Der ehemals zweitgrößte Milchverarbeiter im Land konnte 2011 nur durch den Verkauf an den dänischen Molkereiriesen Arla, der in Deutschland bereits acht Werke betreibt, vor der Pleite gerettet werden.