Der Rückhalt für einen Militäreinsatz der USA gegen Syrien bröckelt, keiner will das heiße Eisen anfassen. In der Heimat regt sich Widerstand, international wird gemauert.

Washington - Vor dem G20-Gipfel sucht US-Präsident Barack Obama unter Hochdruck Unterstützer für einen Militärschlag gegen Syrien. Doch Russland fordert klare Beweise für einen Giftgaseinsatz der dortigen Regierung ein, und China beharrt auf die Einbindung der Vereinten Nationen. Im eigenen Land weht Obama zudem Gegenwind im Kongress entgegen, den er überraschend um Zustimmung für ein Eingreifen gebeten hatte. Und Syrien ruft jetzt gar die UN zu Hilfe.

 

Die syrische Regierung hat die Vereinten Nationen aufgefordert, sie vor einem möglichen Militärschlag durch die USA zu schützen. Der syrische Botschafter in New York, Baschar al-Dschaafari, schrieb in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dieser trage die Verantwortung dafür, dass Syrien nicht angegriffen werde und dass es stärkere Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts gebe.

Syrien: Militärschlag nutzt nur Al-Kaida

Zugleich warnte Syrien die USA erneut vor einem Angriff. Ein Militärschlag unterstütze nur das Terrornetzwerk Al-Kaida, sagte der stellvertretende syrische Außenminister Faisal Mekdad dem britischen Sender BBC. Ein Eingreifen der USA werde den „Hass auf die Amerikaner“ verstärken und den Nahen Osten destabilisieren.

Mekdad und Al-Dschaafari bekräftigten die Darstellung des Regimes, wonach die von den USA unterstützten Rebellengruppen für die Angriffe mit chemischen Waffen verantwortlich seien.

Die USA werfen dem Regime von Präsident Baschar al-Assad vor, am 21. August in der Nähe der syrischen Hauptstadt das Nervengas Sarin in Siedlungen eingesetzt zu haben, die von Rebellen gehalten werden. Dabei sollen mehr als 1400 Menschen getötet worden sein.

Obama hatte am Wochenende seine Entscheidung über einen Militärschlag aufgeschoben und überraschend angekündigt, zunächst das Votum des Kongress einzuholen. Die Debatte soll sofort nach der Sommerpause der Abgeordneten am kommenden Montag beginnen.

Obama wirbt um Stimmen

Doch das Werben um die Ja-Stimmen läuft bereits: Nach einer ersten Gruppe von Kongressmitgliedern am Vortag wollte Obama am Montag weitere Abgeordnete und Senatoren hinter verschlossenen Türen von Vertretern der Sicherheitsbehörden über die Lage in Syrien informieren lassen. Zahlreiche Politiker waren trotz Sommerpause und Feiertags zum „Tag der Arbeit“ nach Washington geeilt, um sich in ihren Ausschüssen auf die Syrienabstimmung vorzubereiten.

Im Laufe des Tages wollte Obama auch seinen früheren republikanischen Herausforderer, Senator John McCain, sowie dessen Parteifreund Lindsay Graham im Weißen Haus empfangen. Die beiden einflussreichen Außenpolitiker hatten am Samstag davor gewarnt, dass ein punktueller Militärschlag gegen das Assad-Regime, wie Obama ihn plane, nicht ausreichend sei. Die Lösung des Konflikts seien keine „Nadelstich-Cruise Missiles“, so McCain im Fernsehsender CBS. Er und Graham plädieren für eine ausgedehnte Militäroperation mit dem Ziel, Assad zu stürzen.

Nur Frankreich steht an Obamas Seite

Auch international laufen die diplomatischen Leitungen heiß. Grund: Nachdem der britische Premierminister David Cameron im Unterhaus ein Votum über eine Beteiligung an einem US-Militäreinsatz verloren hatte, steht von den wichtigen westlichen Staaten vorerst nur Frankreich an Obamas Seite. In Paris ist am Mittwoch eine Sondersitzung der Nationalversammlung zum Syrien-Konflikt geplant.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bekräftigte, dass das Bündnis nicht militärisch in Syrien eingreifen werde. Allerdings erwartete er „eine entschlossene internationale Antwort“ auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien. Diese werde aber nicht von der Nato, sondern von einzelnen Staaten kommen, sagte Rasmussen. „Es wäre ein sehr gefährliches Signal an alle Diktatoren dieser Welt, wenn wir tatenlos zusähen und nicht reagierten“, sagte er.

Der Vatikan warnte vor den Folgen einer Intervention. „Der Konflikt in Syrien enthält alle Zutaten, um in einem Weltkrieg zu explodieren“, sagte Mario Toso, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, am Montag Radio Vatikan.

Der Syrienkrieg wird diese Woche vermutlich auch Thema beim G20-Gipfel im russischen St. Petersburg sein, auch wenn es nicht offiziell auf der Tagesordnung steht. Es gebe keine Pläne, das Thema Syrien in der G20 oder im kleinen Kreis zu besprechen, hieß es am Montag in deutschen Regierungskreisen. „Wir hoffen, dass der ganze Prozess im Sicherheitsrat besprochen wird“, hieß es.

Kanzlerin Angela Merkel hofft trotz der Blockadehaltung Russlands und Chinas im UN-Sicherheitsrat auf eine gemeinsame Linie. Nach der Entscheidung Obamas, den US-Kongress einzuschalten, sollte „die Zeit genutzt werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. „Wir setzen uns dafür ein, dass das bei der UN gelingt.“

Die Regierung in Moskau forderte die USA im Vorfeld erneut auf, ihre Giftgas-Vorwürfe an das Regime in Syrien mit eindeutigen Beweisen zu belegen. Die bislang vorgelegten Proben seien nicht überzeugend gewesen, Details würden geheim gehalten, sagte Außenminister Sergej Lawrow laut Agentur Interfax. „So ist keine Zusammenarbeit möglich.“

Unterdessen treibt Obama die militärischen Planungen voran: Fünf US-Kriegsschiffe positionierten sich am Montag nach US-Medienberichten im Roten Meer. Die Schiffe, darunter der Flugzeugträger USS Nimitz, seien nach Aussagen eines Regierungsvertreters bereit für einen möglichen Militärschlag, berichtete der TV-Sender CNN. Im östlichen Mittelmeer hat die US-Marine ebenfalls Kriegsschiffe zusammengezogen.