Die Konjunktur zieht an, das bringt dem Land ein deutliches Plus an Steuereinnahmen. Die Wunschliste ist lang, doch Corona hat ein großes Loch in die Kasse gerissen.

Stuttgart - Das Land bekommt mehr Geld in die Kassen, und schon stehen die Lobbyisten Schlange. Gewerkschaften, Naturschützer, Steuerzahler oder die Bauwirtschaft, sie alle melden sich mit Anregungen, wie das zusätzliche Geld am sinnvollsten verwendet werden sollte.

 

Lesen Sie aus unserem Angebot: Scholz freut sich über Spielraum

Rund 1,9 Milliarden Euro kommen in diesem Jahr dank der anziehenden Konjunktur zusätzlich in die Kassen von Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Das ergibt die aktuelle Novembersteuerschätzung. Für das Jahr 2022 werden gegenüber der Prognose vom Mai Steuermehreinnahmen von 2,5 Milliarden Euro erwartet. Das sind 1,5 Milliarden mehr, als im Etatentwurf eingeplant sind.

Finanzminister will vor allem die Pandemie bekämpfen

Wie das Land seine zusätzlichen Einnahmen verwenden wird, darüber entscheidet die Haushaltskommission, die am Montagabend tagen sollte. Bayaz stellte schon vor der Sitzung klar: „Wir werden uns bei der Verwendung der Steuermehreinnahmen an Zielen orientieren, die wir in der Koalition gemeinsam beschlossen haben: Notkredite tilgen, gezielt in die Zukunft des Landes investieren, vor allem aber auch die Pandemie weiterhin bekämpfen.“

Detaillierter werden seine Parteifreunde, der Fraktionschef Andreas Schwarz und der finanzpolitische Sprecher Markus Rösler: „Wir investieren in Bereiche, die die Steuergelder von morgen generieren, in konsequenten Klimaschutz und gute Bildung. Wir schaffen ein finanzielles Polster, um uns für Krisen der Zukunft zu rüsten. Und wir leisten einen spürbaren Beitrag, um die Schuldenlast zu senken“, erklären sie.

CDU sieht „Manövrierraum“

Neben Pandemiebekämpfung und Schuldentilgung legt die mitregierende CDU auch Wert auf die Wirtschaftsförderung: „Wir wollen unseren Mittelstand, die Industrie und unsere Handwerkerinnen und Handwerker stärken“, erklärt der Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel und ergänzt: „Bei Digitalisierung, Hochtechnologie und beim Klimaschutz müssen wir Gas geben.“ Dazu kommt aus Sicht der CDU eine ganze Bandbreite weiterer Bereiche: „Bei Bauvorhaben brauchen wir dringend ein Planungsbeschleunigung und im Bereich innere Sicherheit werden wir uns dafür einsetzen, dass Polizei und Justiz gestärkt werden“, kündigt Hagel an. Die Ergebnisse der Steuerschätzung seien deshalb „eine wirklich gute Nachricht und geben uns ein wenig mehr Manövrierraum“.

Es sei an der Zeit, den Spielraum zu nutzen, findet die oppositionelle SPD: „Abwarten gilt nicht mehr: Kretschmann muss handeln und in die Zukunft unserer Landes investieren“, findet Nicolas Fink, der SPD-Finanzexperte. Die SPD fordert massive Investitionen im Bildungsbereich und weiß sich dabei einig mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Der sieht im aktuellen Haushaltentwurf „nicht einmal die Mindestausstattung an den Schulen gesichert.

Kampf gegen die Wohnungsnot

Die SPD macht sich auch für ein Investitionsprogramm in Höhe von 400 Millionen Euro für bezahlbare Wohnungen und zukunftsfähige Innenstädte stark. Das ist Wasser auf die Mühlen der Bauwirtschaft. Sie verweist neben dem Bau bezahlbarer Wohnungen auf marode Schulen und Straßen und den Investitionsstau bei der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude. Falls Auftraggeber auf sinkende Preise hoffen, winkt Hauptgeschäftsführer Thomas Möller ab: „Land und Kommunen sind gut beraten, jetzt zu investieren“, sagt er. „Günstiger wird es in absehbarer Zeit nicht“.

Naturschutz meldet Wünsche an

Johannes Enssle, der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), sieht die oberste Priorität bei Klima- und Naturschutz und fordert ausreichend Personal für die Landschaftserhaltungsverbände bei den Landratsämtern und für die Genehmigung von Windrädern.

Das Land gebe ohnehin schon zu viel Geld für Personal aus, hält der Bund der Steuerzahler entgegen und fordert die Schulden zu tilgen und die Grunderwerbssteuer zu senken. So könne bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Das sieht die FDP genauso. Sie schlägt außerdem vor, bereits jetzt mit der Tilgung der Coronaschulden zu beginnen, nicht erst wie geplant im Jahr 2024.