Immer am 9. Januar feiern Millionen Katholiken auf den Philippinen eine besondere Statue. Der Schwarze Nazarener soll einst mit einem Schiff gekommen sein und Wunder vollbringen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Millionen Katholiken haben auf den Philippinen in einer gigantischen Prozession einem ihrer größten Heiligtümer gehuldigt – dem Schwarzen Nazarener, einer lebensgroßen Jesus-Statue. Seit dem frühen Donnerstagmorgen (9. Januar, Ortszeit) zog eine gewaltige Menschenmenge größtenteils barfuß durch die Hauptstadt Manila, um die Statue auf ihrem Weg durch die Mega-Metropole zu begleiten.

 
1606 ist die Holzfigur wohl von spanischen Augustinerbrüdern mit einem Schiff aus Mexiko auf die Philippinen gebracht worden. Foto: Imago/ZumaPress Wire

Viele Philippiner glauben, dass die 400 Jahre alte Figur Wunder vollbringen kann. Das Mega-Event findet traditionell am 9. Januar statt.

Traslacion de Senor Nazareno

Mehr als 15.000 Sicherheitskräfte sollten während der viele Stunden dauernden Veranstaltung für Ordnung sorgen. Der südostasiatische Inselstaat ist neben dem kleinen Osttimor das einzige Land in Asien, in dem Katholiken in der Mehrheit sind. Mehr als 80 Prozent sind katholischen Glaubens.

Die lebensgroße Statue, die Jesus in einer Samtrobe mit einem Kreuz auf der Schulter darstellt, steht das Jahr über in der „Basilika minor vom Schwarzen Nazarener“ im Stadtteil Qiapo. Foto: Imago/ZumaPress Wire

Bereits zwei Tage vor der Traslacion de Senor Nazareno, wie die Prozession auf den Philippinen genannt wird, wurde der Schwarze Nazarener auf einer Tribüne ausgestellt, damit die Gläubigen ihm ihren Respekt erweisen und ihn küssen konnten. Bei einem riesigen Festzug wird die Statue dann über eine 6,5 Kilometer lange Strecke wieder an ihren eigentlichen Standort in die Quiapo-Kirche an der Plaza Miranda transportiert.

Mehr als sechs Millionen Teilnehmer

Jovita De Jesus war mit ihrer Familie und Freunden aus der Stadt Malolos in der Provinz Bulacan nördlich von Manila angereist. Die 61-Jährige erzählt, sie verdanke dem Schwarzen Nazarener ihr Leben und bete weiterhin für die Gesundheit ihrer Familie und sich selbst.

„Ich habe fünf Operationen hinter mir. Ich habe eine Niere verloren, mein Blinddarm ist geplatzt, ich habe keine Eierstöcke mehr, und ich wurde an den Eingeweiden und Augen operiert. Dank ,Senor Nazareno‘ bin ich aber immer noch am Leben“, betonte sie.

Ihre schwarze Farbe bekam sie, so erzählen sich die Philippinos, weil ein Feuer auf dem Schiff ausbrach und sie sich dadurch verfärbte. Foto: Imago/ZumaPress Wire
Über die Jahrhunderte überlebte die Statue verschiedene Katastrophen, darunter einige Brände und die verheerende Bombardierung der philippinischen Hauptstadt zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Foto: Imago/ZumaPress Wire
Die anscheinende Unzerstörbarkeit und Wunder, die ihren Verehrern widerfahren sein sollen, trugen stark zu ihrer Beliebtheit bei. Foto: Imago/ZumaPress Wire
Die Figur wird mehrmals im Jahr in einer Prozession auf einem Wagen durch die Straßen gezogen und getragen, unter anderem am Karfreitag. Foto: Imago/ZumaPress Wire
Diese Tradition geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Der Umzug am 9. Januar, der ein Feiertag in Manila ist, soll an die „Translacion“ erinnern, den Umzug vom ursprünglichen Standort der Statue zum jetzigen. Foto: AP/Basilio Sepe/dpa

15-stündige Prozession

Im vergangenen Jahr dauerte die Prozession rund 15 Stunden. Mehr als sechs Millionen Menschen nahmen an dem Festzug sowie an Messen und Nachtwachen zu Ehren des Schwarzen Nazareners teil. Die Behörden erwarteten in diesem Jahr eine ähnlich hohe Teilnehmerzahl.

Mehr als 500 Menschen mussten sich nach Angaben des Roten Kreuzes bis zum Nachmittag ärztlich behandeln lassen. Viele litten wegen des großen Andrangs unter Schwindel, Atemnot oder Übelkeit, andere zogen sich wegen ihrer nackten Füße auf den Straßen Schnittwunden zu.

Foto: AP/Basilio Sepe/dpa
ie Menschen, die sich an diesem Tag in den Straßen drängen, tragen meist gelbe oder weinrote T-Shirts, wie die Farben der Samttunika, die die Statue trägt. Auf ihnen ist oft das Konterfei des Schwarzen Nazareners abgebildet. Foto: dpa/Girlie Linao
Um die Statue herum herrscht ein beständiger Tumult, Unzählige versuchen, sich am Podest hochzuziehen und den Schwarzen Nazarener anzufassen. Foto: Imago/aal.photo
Viele Gläubige wollen sie außerdem mit Stofftüchern berühren oder werfen diese Tücher den Trägern der Statue zu, damit sie diese an dem Holz reiben. Foto: AP/Basilio Sepe/dpa
Davon erhoffen sich die Gläubigen heilende Kräfte der Tücher, manche glauben auch, dass ihnen nach der Berührung der Statue ein Wunsch erfüllt wird. Foto: AP/Basilio Sepe/dpa

1606 nach Manila transportiert

Die hölzerne Figur soll der Legende nach 1606 von spanischen Missionaren von Mexiko nach Manila gebracht worden sein und einen Schiffsbrand überstanden haben. Danach bekam sie wegen ihrer dunklen Verfärbung den Namen Schwarzer Nazarener. Die Prozession erinnert daran, wie die Figur im 18. Jahrhundert zur Kirche im Stadtteil Quiapo gebracht wurde.

Info: Wunder

Zeichen Gottes
Für gläubige Christen dagegen sind Wunder weit mehr als unerklärliche profane Geschehnisse: Es sind Zeichen Gottes, der unerwartet in die Geschichte eingreift. Wunder sind nicht alltäglich. Das Außergewöhnliche, Mirakulöse, Heilige ist ihr Kennzeichen. Sie durchbrechen das Normale und Gewohnte, das Erstarrte und Erwartete. Die biblischen Wundererzählungen berichten von außergewöhnlichen Erfahrungen, die Menschen machen und denen eines gemeinsam ist: Man muss an sie glauben und in ihnen Zeichen für Gottes Wirken sehen. Erst dann enthüllen sie ihren tieferen Sinn.

Wundertaten Jesu
Das Neue Testament ist voll von Wundertaten, die Jesus vollbringt: Tote werden auferweckt, Aussätzige geheilt, Besessene vom Satan befreit. Blinde können wieder sehen, Lahme gehen, Taube hören, Stumme wieder sprechen. Jesus geht über das Wasser und stillt einen Seesturm, wandelt Wasser zu Wein und vermehrt Brote und Fische.

Entmythologisierung
Was sind die biblischen Wunder – historische Fakten oder religiöse Symbole, Tatsachenberichte oder mythische Erzählungen? Bis weit ins 20. Jahrhundert hielten die Kirchen daran fest, dass die Wunder Jesu und der Heiligen in realiter geschehen sind. Heute ist man davon nicht mehr so felsenfest überzeugt.

Wunder-Kanon
Selbst die so wundergläubige Katholische Kirche hat ihren Wunder-Kanon mächtig entschlackt. So werden sie im „Katechismus der Katholischen Kirche“ (2005) nur noch im Zusammenhang mit den Wundern Jesu erwähnt. „Wäre Jesus nicht auferstanden, wäre unser Glaube null und nichtig!“, heißt es im Ersten Brief an die Korinther (15,14). Doch ungeachtet der Religionskritik und Säkularisierung des Glaubens hält die Kirche am Wunderglauben fest. Wunder sind Voraussetzung für jede Selig- und Heiligsprechung, der ein strenges und langwieriges Prüfungsverfahren vorausgeht. Es handelt sich dabei um feste Regeln für das Unerklärliche und Transzendente, das die sinnliche Erfahrung übersteigt.