Die Karlsruher Kontrollbehörde bestärkt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in seiner Haltung, die Bahn beanspruche zu viel Geld vom Land. Hermann hatte rund 85 von 140 Millionen Euro einbehalten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Millionenpoker mit der Deutschen Bahn um den Großen Verkehrsvertrag bekommt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) Rückendeckung vom Landesrechnungshof. Die Karlsruher Kontrollbehörde hält seine Position zum Kernpunkt des Streits, der sogenannten doppelten Dynamisierung, für “gut begründet”. Entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung bestätigten Sprecher des Rechnungshofs und des Ministeriums nahezu wortgleich. Dabei geht es um die Frage, ob die Bahn Kostensteigerungen im Schienenpersonennahverkehr zweimal ersetzt bekommt. Hermann sieht dies so und hat deshalb bereits etwa 85 von insgesamt 140 Millionen Euro einbehalten. Die Bahn beharrt dagegen auf ihrem Anspruch und verweist ihrerseits auf die Unterstützung durch einen neutralen Schlichter.

 

Der Konflikt um den Verkehrsvertrag aus dem Jahr 2003, mit dem etwa 40 Millionen Zugkilometer bis zum Jahr 2016 vergeben wurden, wurde voriges Jahr durch Recherchen der StZ und des SWR-Fernsehens bekannt. Bis zum Jahr 2006 erhielt die Bahn für Kostensteigerungen bei der Infrastruktur jährlich pauschal 1,5 Prozent mehr Geld. Von 2007 an bekam sie vertragsgemäß die tatsächlichen Mehrkosten ausgeglichen - und die Pauschale von 1,5 Prozent obendrauf; dies hält Hermann für unvertretbar. Das vereinbarte Schlichtungsverfahren war gescheitert, weil der Schlichter - der SSB-Vorstand Wolfgang Arnold - die Sicht der Bahn bestätigt hatte.

Prüfergebnis bis Jahresende erwartet

Entsprechend erfreulich ist das Votum des Rechnungshofs für den Verkehrsminister. Die Behörde hatte im Sommer aufgrund der Medienberichte begonnen, den einst unter dem Verkehrsstaatssekretär Stefan Mappus (CDU) geschlossenen Vertrag zu prüfen; das Ergebnis sollte bis Jahresende vorliegen. Ein Sprecher sagte, man habe die Stellungnahme Mitte Dezember an das Ministerium übermittelt. Dieses müsse angesichts der laufenden Verhandlungen zwischen Land und Bahn über den weiteren Umgang damit entscheiden. Hermanns Sprecher sagte, die „gutachterliche Stellungnahme” werde ausgewertet, zum weiteren Inhalt könne man sich „im Einzelnen nicht äußern”. Nach StZ-Informationen sieht der Rechnungshof auch andere Aspekte des Verkehrsvertrags kritisch - etwa die einseitige Verteilung von Mehrerlösen und ausbleibende Wettbewerbsrenditen.

Im Poker mit der Bahn dürfte sich das Land nun bestärkt sehen, hart zu bleiben – zumal die Bahn bisher offenbar keine rechtlichen Schritte eingeleitet hat. Der Chef von DB-Regio Baden-Württemberg, Andreas Moschinski-Wald, sandte gegenüber der StZ versöhnliche Signale Richtung Hermann. Beide Seiten hätten für ihre jeweilige Rechtsauffassung Unterstützung gefunden, die Bahn etwa durch den Spruch des Schlichters. „Eine solche Situation kann aber unter Vertragspartnern, die guten Willens sind, durchaus eine Chance sein, aufeinander zuzugehen”, sagte Moschinski-Wald. „Denn jeder weiß doch: Teure Rechtsstreitigkeiten sollten hier immer nur das letzte Mittel sein.”

Nicht geprüft hat der Rechnungshof offenbar den Verdacht, das Land könne nicht nur 140 Millionen Euro, sondern über die gesamte Laufzeit bis zu eine Milliarde Euro zu viel bezahlen. Diesen Betrag hatte der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) aufgrund von Vergleichen mit Bayern genannt. Infolge einer VCD-Beschwerde ist wegen einer möglichen „Überkompensation” auch die EU-Kommission in Brüssel aktiv geworden; über die Bundesregierung forderte sie vom Land eine Stellungnahme. Bisher habe man eine solche noch nicht abgegeben, berichtete das Verkehrsressort Ende 2014 in der Antwort auf eine Anfrage der Landtags-Grünen. Grund: die interne Prüfung dauere noch an. Zugleich bekräftigte Hermann gegenüber der Fraktion, der Verkehrsvertrag sei für das Land „in vielfacher Hinsicht ökonomisch nachteilig”. Der fehlende Wettbewerb habe für Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern „massive finanzielle Konsequenzen”.