Die Bundesregierung beteiligt sich an einer europäischer Initiative, bis zu 1500 Minderjährigen aus Flüchtlingslagern in Griechenland Zuflucht zu bieten. Wie viele davon nach Deutschland kommen, ist noch unklar.

Berlin - Mehr als sieben Stunden haben die Spitzen der Koalitionsparteien im Kanzleramt beraten. Die Verhandlungen über die Aufnahme von Kindern aus Flüchtlingslagern aus Griechenland zogen sich über den gesamten Abend bis in die Nacht, immer wieder prüften die Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD die Formulierungen. Am Ende stand schließlich ein Kompromiss. Von einem „harten Ringen“ sprach der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans am Montag.

 

Als Teil einer europäischen „Koalition der Willigen“ will die Bundesregierung minderjährigen Flüchtlingen eine Zuflucht bieten, die sich unter schwierigen humanitären Bedingungen in Griechenland aufhalten. Das Vorhaben zielt dem Beschluss von Union und SPD zufolge einerseits auf Kinder, die wegen einer „schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig“ seien. Andererseits sollen von ihren Eltern nicht begleitete Minderjährige unter 14 Jahren aus den Lagern auf den griechischen Inseln geholt werden, die meisten davon Mädchen.

Aufnahme eine Frage von Wochen

Insgesamt sollen so 1000 bis 1500 Kinder in anderen EU-Staaten aufgenommen werden. Im Rahmen einer europäischen Initiative stehe Deutschland bereit, „einen angemessenen Anteil zu übernehmen“, erklärten die Koalitionsparteien. Wie viele Flüchtlingskinder so nach Deutschland kommen, muss noch geklärt werden. Offen ist auch, wie viele Staaten sich dem Vorhaben anschließen. Es gebe „leider nicht die Aussicht“, dass sich alle 27 EU-Staaten an der Aktion beteiligten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Mehrere europäische Länder, darunter Frankreich, haben jedoch ihre Bereitschaft signalisiert. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nun die Aufgabe, in den kommenden Tagen die Einzelheiten zu vereinbaren. Die Aufnahme der Minderjährigen sei „keine Frage von Monaten, sondern eher von Wochen“, erklärte ein Ministeriumssprecher.

Seehofer: „Es geht hier um die Schwächsten“

Seehofer begrüßte den Beschluss des Koalitionsgipfels. „Es geht hier um die Schwächsten, die sich zum Teil seit Monaten in einer prekären Lage befinden“, sagte der Innenminister. Er werde sich dafür einsetzen, „dass wir hier gemeinsam mit anderen EU-Staaten schnell zu einer tragfähigen europäischen Lösung kommen“. Der CSU-Politiker hatte sich bereits in der vergangenen Woche offen für die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland gezeigt.

Während Seehofer dafür offensiv Rückendeckung von der SPD bekam, verärgerte er mit seinem unerwarteten Vorstoß CDU-Vertreter wie Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. In der CDU gibt es Befürchtungen, dass die Aufnahme von Menschen aus den Lagern in Griechenland andere Flüchtlinge dazu verleitet, sich ebenfalls auf den Weg Richtung Europäischer Union zu machen. Es gehe ihm um Ordnung und Humanität, kommentierte Brinkhaus am Mittwoch den Koalitionsbeschluss. „Wenn wir Menschen wirklich helfen wollen, brauchen wir geordnete Verfahren.“

Griechenland begrüßt Beweis der Solidarität

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis begrüßte die Ankündigung der Bundesregierung. Deutschland übernehme damit eine Führungsrolle in der EU, sagte Mitsotakis bei einem deutsch-griechischen Wirtschaftsforum in Berlin. Dies sei ein praktischer Beweis der Solidarität. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei derselben Veranstaltung, Griechenland nehme große Verantwortung für ganz Europa wahr und verdiene volle Solidarität und volle Unterstützung.

Scharfe Kritik übten Merkel und Mitsotakis am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Griechenland und die EU ließen sich von der Türkei nicht „erpressen“, sagte der griechische Regierungschef. Die EU-Außengrenze müsse geschützt werden. Erdogan hatte das Flüchtlingsabkommen mit der Europäischen Union für gescheitert erklärt und verkündet, die Grenze zur EU sei für Migranten offen. Tausende Menschen machten sich daraufhin auf den Weg in Richtung Griechenland, wurden dort aber unter anderem mit Tränengas abgewehrt. Die Türkei könne kein Verständnis erwarten, wenn sie Probleme auf dem Rücken von Flüchtlingen zu lösen versuche, die dann an der Grenze in einer Sackgasse landeten, kritisierte Merkel. Erdogan fordert von der EU mehr Geld für die Versorgung von 3,6 Millionen Flüchtlingen aus Syrien.