Ausbildung in Teilzeit, Mindestlohn schon während der Lehre und Chancen auf Fortbildung? Für die Auszubildenden der Zukunft soll das kein Traum bleiben, sondern Realität werden. Die Bundesregierung will die betriebliche Ausbildung stärken – ein Überblick.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nach Schätzung des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums standen etwa 200 000 Jugendliche im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg in einer Berufsausbildung. In ganz Deutschland wurden 2017 gut 523 000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Die Azubis und ihre Nachfolger müssen sich auf einige Neuerungen einstellen, weil die Bundesregierung die Berufsbildung modernisieren will, wie es im schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinbart ist.

 

Es geht ums Geld, um Teilzeitangebote und neue Wege bei der Fortbildung nach der Lehre. Bildungs- und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der unserer Zeitung vorliegt. Demnächst soll er ins Kabinett. Danach beginnen die Beratungen im Parlament. Hier sind die drei wichtigsten Vorhaben im Überblick.

Der Mindestlohn für Auszubildende kommt

Vier Jahre nach der Einführung eines allgemeinen Mindestlohns für Arbeitnehmer hat die Koalition sich auf eine Mindesthöhe bei der Ausbildungsvergütung in Deutschland festgelegt. Diese Untergrenze wird im ersten Ausbildungsjahr bei 504 Euro gezogen und ist am Bafög für Schüler angelehnt, die nicht bei ihren Eltern wohnen. Allerdings heißt das nicht, dass alle Azubis im ersten Lehrjahr künftig so viel verdienen sollen – für viele wäre das ein schlechtes Geschäft, da sie schon jetzt ein deutlich höheres Monatseinkommen haben. Laut Angaben der Bundesregierung liegen deutlich mehr Azubis mit mehr als 900 Euro monatlich am oberen Rand als unter 550 Euro am anderen Ende des Spektrums. Aber schon diese Zahlen zeigen, dass die Unterschiede erheblich sind.

„In einigen Berufen werden teilweise regional bereits nach dem Tarifvertrag deutlich weniger als 500 Euro, außerhalb der Tarifbindung im Einzelfall sogar unter 300 Euro gezahlt“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung vergüten etwa sechs Prozent der tarifgebundenen und 15 Prozent der nicht tarifgebundenen Betriebe im ersten Lehrjahr weniger als 500 Euro pro Monat. Die Bundesregierung will diese Spreizung begrenzen und definiert deshalb eine Untergrenze. Wie hoch die jeweiligen „Lehrlingslöhne“ sein werden, wird in Tarifverhandlungen festgelegt.

Ausbildung in Teilzeit soll einfacher werden

Eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren ist in Deutschland schon seit dem Jahr 2005 möglich. Allerdings brauchten Auszubildende bisher einen Grund, um diese Ausnahmeregelung nutzen zu dürfen – sei es die Pflege von Angehörigen oder die Erziehung von Kindern. Sobald die neue Gesetzesreform greift, müssen die Betroffenen kein „berechtigtes Interesse“ mehr nachweisen. Der bisherige Ausnahmefall soll nach dem Willen der Bundesregierung eine normale Option zur Gestaltung dieser Berufsphase werden. Dabei soll die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit auf maximal die Hälfte reduziert werden.

Fortbildung mit Titeln wie von der Uni

Dass lebenslanges Lernen immer wichtiger wird, gilt nicht erst, seit die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend verändert. Deshalb will die große Koalition die Fortbildungen im Anschluss an die Lehrzeit in Zukunft besser strukturieren und führt mit dieser Novelle des Berufsbildungsgesetzes drei Fortbildungsstufen ein, die bundesweit anerkannt und einheitlich bezeichnet werden sollen. Im ersten Schritt soll der Abschluss eines geprüften „Berufsspezialisten“ im jeweiligen Fachgebiet absolviert werden. Die zweite Weiterbildungsstufe ist mit dem Abschluss als „Berufsbachelor“ verknüpft, die dritte mit dem Titel „Berufsmaster“.

Das klingt kompliziert und ist es auch. Die Bundesregierung wählt nicht zufällig Bezeichnungen, die man aus dem universitären Milieu kennt, um die neuen Abschlüsse in der Berufsbildung zu bezeichnen. Erklärtes Ziel ist, die berufliche Ausbildung gegenüber der stärker werdenden Konkurrenz der akademischen Bildungswege in Deutschland zu stärken, „die Gleichwertigkeit zu sonstigen Bachelor- oder Masterabschlüssen zu transportieren“ und ein „gesellschaftliches Zeichen für die Gleichwertigkeit“ der beruflichen Bildung zu setzen.

Denn der traditionelle Meistertitel soll auch in Zukunft erhalten bleiben und als gleichwertig zum Berufsbachelor und zum akademischen Bachelorabschluss gelten. Als Minimalanforderung für die Weiterbildung zum Berufsspezialisten nennt das Gesetz einen „Mindestlernumfang“ von 400 Stunden. Beim Berufsbachelor werden 800, beim Berufsmaster 1200 Stunden verlangt.