Obwohl sich die Koalition darauf festgelegt hat, dass keine Branche vom Mindestlohn ausgenommen wird, gibt es Gespräche über Erleichterungen in einzelnen Wirtschaftszweigen.

Berlin - Die Beratungen über den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gehen in die heiße Phase. Am 4. Juli wird der Bundestag das Gesetz verabschieden. Der Mindestlohn soll am 1. Januar 2015 in Kraft treten. Obwohl sich die Koalition darauf festgelegt hat, dass keine Branche von der Lohnuntergrenze ausgenommen wird, gibt es Gespräche über Erleichterungen in einzelnen Wirtschaftszweigen. Die Koalition prüft etwa, wie sie der Landwirtschaft und den Zeitungsverlegern entgegenkommen kann. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will auch auf Kritik an den Regelungen für Praktika reagieren.

 

Der Unions-Abgeordnete Matthias Zimmer weist darauf hin, dass nach dem bisherigen Entwurf die Mindestlohnregelung formal für alle 42 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland gilt. Obwohl die meisten Beschäftigten mehr als 8,50 Euro pro Stunden verdienen, betrifft das geplante Gesetz jeden. Grund: Das Ministerium hat im Gesetzentwurf den Geltungsbereich nicht eingeschränkt. Daraus folgt, dass die strengen Dokumentationspflichten beim Mindestlohn auf alle Arbeitsverhältnisse übertragen werden. So müssen Arbeitszeiten genau erfasst werden. Dadurch könnte es auch zu Beschränkungen bei Arbeitszeitkonten kommen. Die Union pocht darauf, dass die Anwendung des Mindestlohns auf den Niedriglohnbereich begrenzt wird. Der Normenkontrollrat, der im Auftrag der Regierung die bürokratischen Belastungen überprüfte, bemängelt, dass die Regierung die wirtschaftlichen Auswirkungen durch höhere Löhne nicht abgeschätzt habe. Dem Gesetzgeber fehle durch eine lückenhafte Darstellung der Kosten eine wichtige Entscheidungsgrundlage, heißt es in der Stellungnahme des Normenkontrollrates. Der regierungsamtliche Bürokratie-Tüv befürchtet auch eine Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus.

Landwirtschaft

Landwirtschaft

Die Union will Interessen der Bauern berücksichtigen. Peter Weiß, Vorsitzender der Unions-Arbeitnehmergruppe im Bundestag, sagte, er sei zuversichtlich, dass in der Landwirtschaft bald bundesweit geltende Tarifverträge abgeschlossen werden. Nach dem Gesetz ist es möglich, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber einen Tarifvertrag beschließen, der weniger als 8,50 Euro in der Stunde vorsieht. Diese tarifvertraglich vereinbarten Ausnahmen vom Mindestlohn sind bis Ende 2016 möglich. Bis dahin können die Sozialpartner den Spielraum nutzen. Dies soll den Übergang erleichtern. Bei Saisonarbeitnehmern, die bei der Spargel- oder Weinernte beschäftigt werden, wird auch darüber diskutiert, ob die Unterkunftskosten auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen. In der Regel stellt der landwirtschaftliche Betrieb Erntehelfern aus Süd- und Osteuropa eine Unterkunft zur Verfügung. Die Möglichkeit zur Anrechnung würde dazu führen, dass die Landwirte auch künftig weniger als 8,50 Euro bezahlen dürfen, wenn sie gleichzeitig Wohnmöglichkeiten anbieten.

Zeitungsverleger

Zeitungsverleger

Die Zeitungsverleger verhandelten am Montag mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles über eine Lösung für die Zeitungszusteller. Die Verleger argumentieren, der Mindestlohn gefährde die flächendeckende Zustellung der Zeitungen in ländlichen Gebieten. Die Bundesregierung lehnt bisher Ausnahmen für einzelne Branchen ab. Nach Angaben aus Koalitionskreisen wird aber eine einvernehmliche Lösung mit den Verlegern gesucht. Wie bei den Erntehelfern soll es außerhalb des Mindestlohn-Gesetzes eine Sonderregelung geben. Die könnte beispielsweise so aussehen, dass die Zeitungsverleger nachweisen müssen, dass sie für „typisierte Zustellbezirke“ den Mindestlohn vergüten. Damit käme die Koalition Zeitungen in dünn besiedelten Regionen entgegen.

Praktika

Praktika

Arbeitsministerin Nahles zeigt sich offen, die von der Regierung vorgesehenen Vorschriften für Praktika zu überarbeiten. Laut Gesetzentwurf sind alle Pflichtpraktika und die Orientierungspraktika bis zur Dauer von sechs Wochen vom Mindestlohn ausgenommen. Viele Parlamentarier von SPD und Union sind der Meinung, diese Unterteilung sei zu starr. Die Koalition sieht sich in diesem Punkt auch mit Nachbesserungswünschen von Kultureinrichtungen konfrontiert. Die Wirtschaftsverbände argumentieren, mit dem Mindestlohn dürfe der Weg zu längeren Praktika nicht versperrt werden. „Ich fände es gut, wenn Praktika während des Studiums bis zur Dauer von drei Monaten vom Mindestlohn ausgenommen werden“, sagte der CDU-Abgeordnete Zimmer. Der Kompromiss soll in diese Richtung gehen. Die Koalition ist sich einig, dass der Mindestlohn eine Handhabe bieten soll, um der „Generation Praktikum“ zu einer ordentlichen Bezahlung zu verhelfen. Die gesetzliche Lohnuntergrenze soll aber auf längere Praktika beschränkt sein.