Zeitungsboten müssen bis 2017 warten, bevor für sie der volle gesetzliche Mindestlohn gilt. Bei Erntehelfern können Landwirte Kost und Logis mit den Geldzahlungen verrechnen. Diese Ausnahmen hat die große Koalition kurz vor der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes beschlossen.

Berlin - Die große Koalition ist sich sicher, dass der gesetzliche Mindestlohn am Donnerstag mit großer Mehrheit das Parlament passieren wird. Nach Auskunft der Bundesregierung sollen von 2015 an 3,7 Millionen Menschen von der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde profitieren. Branchen mit niedrigeren Tariflöhnen können bis Ende 2016 vom Mindestlohn abweichen. Es gibt noch weitere Sonderregeln.

 

Mindestlohn ab 2015

Grundsätzlich gilt der gesetzliche Mindestlohn vom nächsten Jahr an in den alten und neuen Bundesländern. Der Gesetzgeber sieht aber für Branchen mit Tarifverträgen eine Übergangsphase vor: Diese Wirtschaftszweige haben bis Ende 2016 Zeit, bevor der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bezahlt werden muss. Ausgenommen vom Mindestlohn sind Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer neuen Beschäftigung. Außerdem gilt der Mindestlohn nicht für Jugendliche bis 18 Jahre. Die Union wollte ursprünglich alle Jugendliche bis 21 Jahre ausnehmen.

Landwirte

Für die Landwirtschaft wurden auf Druck von CDU/CSU Sonderregeln eingeführt. Die Landwirte müssen zwar den Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1. Januar 2015 bezahlen, sofern keine Tarifverträge abgeschlossen werden. Da Bauern häufig Saisonarbeitnehmer beschäftigen, die sie bei sich auf dem Hof unterbringen, dürfen die Aufwendungen für Kost und Logis mit dem Mindestlohn verrechnet werden. Außerdem sollen Landwirte davon profitieren, dass geringfügige Beschäftigungsverhältnisse künftig bis zur Dauer von 70 Tagen erlaubt sind. Zurzeit sind es lediglich 50 Tage. Bei diesen Arbeitsverhältnissen zahlen Betriebe ähnlich wie bei Minijobs nur geringe Sozialbeiträge. In der Praxis trifft dies oft auf Erntehelfer zu. Grundsätzlich sind die geringfügigen Arbeitsverhältnisse in allen Branchen möglich. Nach Auskunft des CSU-Abgeordneten Stephan Stracke sollen deshalb auch Hoteliers und Gastronomen von der künftigen 70-Tage-Regelung profitieren. Allerdings würden die Sonderregelungen in diesem Bereich auf einen Übergangszeitraum von vier Jahren begrenzt.

Zeitungszusteller

Zwischen Zeitungsverlagen und Koalition hat es ein hartes Ringen um die Bezahlung der rund 160 000 Zusteller gegeben. Die Koalition hatte den Versuch unternommen, die Verlage zu überzeugen, Tarifverträge für Zusteller abzuschließen, mit denen bis 2016 Abweichungen vom Mindestlohn möglich sind. Dazu sind die Verlage nicht bereit gewesen. Sie pochten mit dem Argument auf Sonderregeln, dass die flächendeckende Zeitungszustellung in ländlichen Gebieten nicht gefährdet werden dürfe. Darauf geht die Politik jetzt ein. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wollte den Verlagen zunächst zubilligen, dass sie für Zeitungsausträger geringere Sozialbeiträge zahlen müssen. Dies lehnte jedoch die Union mit dem Argument ab, es seien in diesem Fall Beitragsausfälle von 200 Millionen Euro in der Sozialversicherung zu befürchten. Das sagte beispielsweise der CDU-Sozialpolitiker Karl Schiewerling. In letzter Minute wurde eine andere Lösung gefunden, die auf eine dreijährige Übergangsregelung hinausläuft: Verlage müssen im nächsten Jahr für ihre Boten zunächst nur 75 Prozent des Mindestlohns zahlen, im Jahr 2016 sind es dann 85 Prozent. Erst im Jahr 2017 muss den Boten der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde vergütet werden.

Tarifkommission

Die Koalition ruft eine Tarifkommission ins Leben, die aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern besteht. Für diese Kommission soll auch eine eigene Geschäftsstelle mit Mitarbeitern eingerichtet werden. Im Turnus von zwei Jahren prüft die Stelle, ob der Mindestlohn erhöht wird. Erstmals berät die Kommission 2016 über eine Erhöhung. Sind sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig, kann die Erhöhung erstmals 2017 in Kraft treten. Bei der Anpassung gibt es Ausnahmen: Sie gilt nicht für Zeitungsausträger und für die Branchen, die im Rahmen des Entsendegesetzes tarifvertragliche Löhne bis 2017 vereinbart haben. Die Tariflöhne haben 2017 Vorrang vor eventuellen Anpassungen des Mindestlohns.

Praktika

Vom Mindestlohn ausgenommen sind alle Praktika, die in Schul- oder Studienordnungen vorgeschrieben sind. Dies gilt auch für Praktika zur Berufsorientierung bis zu einer Dauer von drei Monaten. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass schriftliche Vereinbarungen zu Praktika geschlossen werden müssen. Die SPD-Abgeordnete Katja Mast sagte, der Mindestlohn solle die Ausbeutung der „Generation Praktikum“ verhindern.