Festes Schuhwerk und ein krummer Rücken gehören dazu, wenn Hobbysammler in der Halde Clara im Schwarzwald unterwegs sind: Mit Pickel­, Hammer, Meißel und Eimer kann man sich in Wolfach auf die Suche nach Katzengold und anderen Mineralien machen.

Wolfach - Früher, ja, früher, das waren noch Zeiten“, sagt Gerhard Fischer (77) und bekommt glänzende Augen. Seit 35 Jahren kommt er nach Wolfach im Schwarzwald, um auf den Gesteinshalden der Grube Clara nach Schätzen aus dem Bauch der Erde zu suchen. Um zu buddeln und zu klopfen. Um sich zu bewegen und zu schwitzen. Um zu entdecken – und sich zu freuen, wenn er mal wieder Azurit, Skorodit, Klinoklas, Fluorit oder ein anderes Mineral in den Händen hält. Glitzernd und strahlend. Oder noch mit einer Schicht Sand, Lehm und Erde überzogen.

 

Einst hätten die Mineraliensammler, die bis heute aus aller Welt nach Wolfach anreisen, Zugang zu den großen Halden gehabt. Ständig seien Lastwagen angefahren, die das eben in der Grube in Oberwolfach abgebaute Gestein abluden. Die Sammler hätten sich dann sofort darauf gestürzt. 2007 jedoch musste der Grubenbetreiber, die Firma Sachtleben Bergbau, die hier jährlich etwa 160 000 Tonnen Fluss- und Schwerspat für die Industrie abbaut, diese Praxis aus Sicherheitsgründen einstellen.

Was nun? „Wir wollten den Sammlern weiterhin ermöglichen, ihrem Hobby nachzugehen“, sagt Hans-Jörg Kovac (56), der bei Sachtleben als Obersteiger arbeitet. Seine Frau Kordula Kovac (58) habe zudem erkannt, wie wichtig die Mineraliensammler für den Tourismus in Wolfach sind. Kurzerhand pachtete das Ehepaar von Sachtleben ein Areal direkt neben der Aufbereitungsanlage der Firma und eröffnete die Mineralienhalde Clara.

Anfangs seien sie belächelt worden. Heute sei die Region nicht zuletzt durch die Halde bekannt. Etwa 10 000 Übernachtungen kommen laut Kovac jedes Jahr allein durch die Sammler zustande, die ins Kinzigtal pilgern: „Manche verbringen hier sogar ihren Jahresurlaub.“ Schließlich gilt die Grube Clara als eine der mineralienreichsten Gruben der Welt.

Täglich werden hundert Tonnen Material angeliefert

„Gut 400 Mineralien wurden hier bereits gefunden und bestimmt, einige sogar weltweit zum ersten Mal“, erzählt Richard Bayerl (47). Das Material auf der Halde werde ständig ausgetauscht, täglich würden bis zu hundert Tonnen angeliefert. Erfolgserlebnisse seien somit garantiert. Der Stuttgarter Mineralien-Experte, der sein erstes Mineral, einen Agardit, mit 13 Jahren auf einer Börse kaufte, erinnert sich noch gut an die alten Zeiten. „Die neuen, kleineren Halden sind aber ebenfalls wahre Fundgruben“, erzählt Bayerl. Außerdem sei nun auch Kindern erlaubt, auf Entdeckungstour zu gehen. Das Publikum habe sich dadurch verändert: „Neben uns Sammlern kommen auch viele Schulklassen und Familien.“ Bayerls Kollege Gerhard Fischer nickt zustimmend: „Das ist gut. Wir brauchen doch Nachwuchs.“

Julia (9) und Gabriel Joos (6) zum Beispiel, sie sind leidenschaftliche Steinesammler: „Weil die so schön sind. Und oft ganz toll glitzern“, wie Julia sagt. „Ihr habt Glück“, erklärt die Halden-Mitarbeiterin Brunhilde Armbruster (63) den beiden. „Heute ist viel Katzengold zu finden. Und grünlich schimmernder Malachit.“

Die Geschwister sind mit ihren Eltern vom Bodensee angereist. Sogar die Ausrüstung haben sie mitgebracht. Außer Schutzbrillen. Die gibt’s am Eingang, für Kinder sind sie Pflicht. Wer keinen Pickel, Hammer, Meißel und Eimer dabei hat – kein Problem. Das kann man sich alles leihen. Für das Eintrittsgeld von 12,50 Euro (Kinder zahlen 6, Familien 24 Euro) darf man sich den ganzen Tag durchs Gestein hauen – und etwa als Familie bis zu 20 Kilo mit nach Hause nehmen. Klingt nach viel, doch das Gewicht ist schnell beisammen. Vor allem, wenn sich die Kinder von keinem ihrer Schätze trennen wollen. Julian (4) kniet an einem der Wasserzuber, an dem die Sammler die Steine reinigen können. Sorgfältig und konzentriert bürstet er drauf los – und brüllt jedes Mal, wenn sein Papa einen Stein aussortiert. Da fallen wohl noch mal ein paar Euro extra an, denn jedes weitere Kilo kostet 50 Cent.

Mineraliensammeln als Ausgleich zum Beruf

Auf den Halden hämmert und klopft es allerorten, gut 80 Menschen sind an diesem regnerischen Sonntag gekommen. „Bei schönem Wetter sind es täglich bis zu 200“, sagt der Betreiber Hans-Jörg Kovac. Auch von weit her kommen die Besucher, wie die Nummernschilder auf dem Parkplatz zeigen: München, Köln, Kleve, Emden – und aus den Niederlanden. Familie Benne macht drei Wochen lang Schwarzwald-Urlaub. „Wir suchen eigentlich in jedem Urlaub Steine“, sagt Tochter Elaine (12) – also ging es vom Campingplatz aus gleich nach Wolfach. Daheim habe sie eine große Vitrine, in der sie die gefundenen Prachtstücke wie Karneol, Chrysokoll oder Amethyst ausstellt: „Ich liebe Steine einfach.“

Richard Bayerl geht es ähnlich. Der gelernte Chemielaborant sieht das Mineraliensammeln und -bestimmen auch als Ausgleich zum Beruf. „Man ist im Freien, betätigt sich körperlich.“ Viele junge Menschen hätten heute gar keinen Bezug mehr zur Natur: Beim Steineklopfen finde man ihn wieder. „Ohne Dreck kein Speck“, lautet Bayerls Motto. Außerdem sei das Hobby mit einem gewissen Kitzel verbunden: „Es ist ein bisschen wie beim Lotto-Spielen – manchmal zieht man das große Los und findet eine Rarität.“ Das sehr seltene Agardit etwa, das er unter anderem vergangenen September auf der Halde entdeckte.

Man dürfe sich nicht vorstellen, dass man auf Klunker stoße: „Früher gab es größere Brocken, heute werden sie schon im Stollen zerschossen.“ Die Mineralien, von denen die besonders schönen und seltenen auch als Edelsteine bezeichnet werden, sind also meist in anderem Gestein eingeschlossen und winzig klein. „Schaut man sich das Ganze daheim unter dem Mikroskop an, tut sich eine faszinierende, eine betörend schöne Welt auf“, berichtet Bayerl, der inzwischen als Koryphäe gilt. Immer wieder rufen ihm die Kollegen zu: „Richie, guck mal! Was ist das?“ Bayerl gibt geduldig Antwort. Was es auf der Mineralienhalde alles zu finden gibt? Pyrit etwa, das würfelförmige Körper bildet. Goethit, das metallisch glänzt und nach Goethe, selbst Mineralienfreund, benannt wurde. Oder Baryt, das prismaartige Kristalle bildet.

Und was bedarf es nun, um fündig zu werden? „Nicht viel“, sagt Richard Bayerl. Einer ordentlichen Portion Geduld – und natürlich besagtem Glück. Der Schwarzwald jedenfalls ist ein Mekka für Sammler. Wer auf freiem Gelände sucht, muss sich allerdings an Regeln halten: „Man sollte den Besitzer fragen“, rät Bayerl. Und es gelte: „Nichts in der Natur zerstören! Wer ein Loch buddelt, macht es auch wieder zu.“

Sammler sollten festes Schuhwerk mitbringen

Der Schwarzwald war jahrhundertelang ein bedeutendes Bergbaurevier. Heute ist die Grube Clara in Oberwolfach, eine der mineralienreichsten Gruben der Welt, das letzte aktive Bergwerk. Die Firma Sachtleben Bergbau baut dort vor allem Schwerspat- und Flussspaterz ab – etwa für die Farbenindustrie. Die Erze (jährlich um 160 000 Tonnen) werden unter Tage auf Lastwagen verladen und zur Aufbereitungsanlage in Wolfach transportiert. Direkt daneben, an der Kirnbacher Straße 3, liegt das Areal der Mineralienhalde Grube Clara, wo Sammler ihrem Hobby nachgehen können. Auch viele Familien kommen hierher. Die Halde ist zur Saison (Ostern bis Anfang November) montags bis samstags von 9 bis 17 Uhr geöffnet, bis 4. September auch sonntags. Erwachsene zahlen 12,50 Euro, Kinder 6 Euro, Familien 24 Euro. Werkzeug kann man mitbringen oder gegen eine kleine Gebühr ausleihen. Es sollte robuste Kleidung und festes Schuhwerk getragen werden. Dreimal pro Jahr sind auch die großen Mineralienhalden für die Öffentlichkeit zugänglich, so etwa am Wochenende 6./7. August, an dem auch das Festival der Kristalle samt großer Mineralienbörse stattfindet (www.festival-der-kristalle.de)